TV-Debatte in den USA:Trump gefährdet Amerikas Demokratie

Der Republikaner tritt 30 Minuten lang auf wie ein Präsident. Dann zweifelt er die Fairness von Wahlen an und beleidigt seine Gegnerin. Fünf Lehren des dritten TV-Duells.

Analyse von Matthias Kolb, Las Vegas

Die dritte und damit letzte TV-Debatte des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 ist vorbei. Wie der Schlagabtausch zwischen dem Republikaner Donald Trump und der Demokratin Hillary Clinton ablief, ist im SZ-Liveblog nachzulesen. Aus der 90-minütigen Diskussion (dieses Mal ist dieses Wort angebracht) lassen sich diese fünf Lehren ziehen.

Donald Trump gefährdet die US-Demokratie nachhaltig. Es ist der entscheidende Moment dieser TV-Debatte: Donald Trump lässt auf Nachfrage offen, ob er das Wahlergebnis am 8. November akzeptieren werde. "Ich werde mir das angucken. Ich mache es spannend für euch", sagt der 70-Jährige. Diese Aussage ist auf mehreren Ebenen schockierend. Trump spricht seit August davon, dass die Präsidentschaftswahlen "in bestimmten Gebieten" gefälscht werden könnten - er meint Großstädte wie Chicago und Philadelphia, wo viele Afroamerikaner wählen. Die Botschaft an seine mehrheitlich weißen Wähler ist klar: Ihr werdet betrogen.

An diesem Abend wiederholt er das Geraune - und zwar vor mindestens 50 Millionen Zuschauern. Er sagt es, nachdem ihn US-Präsident Obama aufrief, dies zu unterlassen. Er sagt es, nachdem seine Tochter Ivanka ebenso wie sein Vize-Kandidat Mike Pence angekündigt hatten, das Wahlergebnis zu akzeptieren. Auch seine Wahlkampfmanagerin Kellyanne Conway glaubt nicht an "weitreichenden Betrug". All das lässt nur einen Schluss zu: Trump sucht nach Gründen, die seine drohende Niederlage erklären sollen, und ist bereit, dafür sogar ein Grundprinzip der 240 Jahre alten US-Demokratie zu beschädigen - dass der Unterlegene den Wahlsieger und damit den Wählerwillen anerkennt. Viele Schranken sind 2016 gefallen, doch einen solchen Tabubruch gab es bislang nicht.

Der Republikaner hält sich zurück - ein bisschen. Hillary Clinton sei eine "Lügnerin" und "eine abscheuliche Frau", sagt Trump. Sie hätte wegen ihrer E-Mail-Affäre gar nicht kandidieren dürfen und sei "unfit" für das Amt der US-Präsidentin. All das behauptet Donald Trump seit Wochen und er wiederholt es auch in Las Vegas. Aber: Bei der dritten TV-Debatte unterlässt es Trump, die alten Sex-Affären und Vorwürfe gegen Bill Clinton hervorzuholen (wenige Stunden vor Debattenbeginn warf eine weitere Frau dem Altpräsidenten sexuelle Belästigung vor).

Anders als vor zehn Tagen bei der öffentlichen Schlammschlacht in St. Louis droht Trump diesmal auch nicht mehr damit, als Präsident die ehemalige Außenministerin ins Gefängnis werfen zu lassen und neue Ermittlungen anzuordnen. Dies dürfte all jenen Republikanern, die in swing states (also in Bundesstaaten mit erwartet knappen Wahlausgang) für den Kongress kandidieren, ein bisschen Hoffnung geben - allerdings werden sie in den kommenden Tagen erklären müssen, wie sie zu den Äußerungen "ihres" Präsidentschaftsanwärters stehen. Geholfen hat Trump ihnen also nicht.

Hillary Clinton kann nichts überraschen. Glenn Trush, einer der bissigsten Polit-Reporter Washingtons und langjähriger Hillary-Beobachter, bezeichnet diesen Abend als "Clintons beste Leistung in einer Debatte". Superlativ hin oder her: Hillary Clintons Strategie der kontrollierten Offensive funktioniert an diesem Abend sehr gut - anders als in St. Louis muss sie sich nicht eine Stunde lang gegen diverse Vorwürfe verteidigen. Wie so oft ist Clinton bestens vorbereitet, erinnert an Trumps diverse Skandale und Beleidigungen. Der lässt sich immer wieder provozieren (siehe sein Zwischenruf "so eine abscheuliche Frau"). Gleichzeitig erkennt sie entscheidende Momente sehr schnell und reagiert auf Trumps Tabubruch angemessen: Es sei "furchterregend", dass der Republikaner den Wahlausgang möglicherweise nicht anerkennen werde.

Einige Male kann Clinton starke Botschaften platzieren: Als sie etwa darüber spricht, wie wichtig es sei, dass Frauen ("und nicht die Regierung") entscheiden sollten, ob sie abtreiben oder nicht. Ihr Lob für die Organisation Planned Parenthood klingt so ehrlich wie ihre Wut über Trumps Sexismus: "Donald denkt, dass er größer wirkt, wenn er Frauen niedermacht." Seine Worte aber verrieten, was der Unternehmer für ein Mensch sei, und dies mache die Wahl am 8. November auch zu einer Entscheidung über den Charakter der Nation.

Nach 270 Minuten bleibt das Misstrauen gegenüber der Demokratin bestehen. Viel war die vergangenen Wochen davon die Rede, dass es Trump nicht gelingt, Wähler jenseits seiner Kerngruppen zu erreichen. Große Mühe gibt sich der Republikaner nicht mehr - anders als Hillary Clinton. Doch auch in dieser TV-Debatte wird sie vor allem ihre Anhänger (Frauen, Latinos, Schwarze, College-Absolventen) begeistert haben. Zweifler etwa aus der Gruppe der männlichen Wähler kann sie nicht überzeugen. Ihr fallen wenig gute Erklärungen ein, als Trump die heiklen Themen - Korruptionsvorwürfe um die Clinton-Stiftung, Redeauftritte vor Wall-Street-Bankern, FBI-Ermittlungen wegen Clintons E-Mail-Affäre - anspricht.

Dass sich die 68-Jährige mit Details besser auskennt als ihr Kontrahent, weiß fast jeder Amerikaner, aber in drei Debatten konnte sie verlorenes Vertrauen nicht zurückerobern. Das wird - aller Voraussicht nach - ihren Wahlsieg nicht verhindern, aber Amerikas erste Präsidentin wird damit leben müssen, dass eine Mehrheit der Bürger sie für unehrlich hält.

2016 ist die Anti-Wahl: "Wählt mich, der Gegner ist schlimmer." In 19 Tagen entscheiden die US-Amerikaner, wer Nachfolger von Barack Obama wird. Bei dessen Wiederwahl vor vier Jahren ging es ebenfalls zur Sache, aber sowohl Republikaner als auch Demokraten waren mehrheitlich davon überzeugt, dass ihr Kandidat kompetent ist und man wirklich für ihn stimmen wollte (auch wenn manch ein Tea-Party-Anhänger an Mitt Romney zweifelte). Doch 2016 entsteht in Gesprächen mit Wählern überall in den USA vor allem der Eindruck, dass man sich für das geringere Übel entschließen müsse - um einen Sieg der Gegenpartei zu verhindern.

Trump und Clinton selbst nutzen - auch in dieser Debatte - dieses Angst-Argument zur Mobilisierung. Der Republikaner warnt, dass Clinton als Präsidentin Clinton die privaten Schusswaffen im Land beschlagnahmen lassen wird, die Demokratin malt ein düsteres Bild von einer möglichen Amtszeit vonTrump (als gäbe es keine Kontrolle durch Kongress oder Gerichte). Nichts illustriert den Wahlkampf besser als eine Karikatur aus der Washington Post, die im Frühsommer erschien: Ein unglücklicher Wähler geht an zwei Plakaten vorbei, auf denen steht "Hillary: She is NOT Trump" und "Trump: He is NOT Hillary!"

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