"Tatort" München:Wenn Kommissare versagen

Tatort München Die Wahrheit BR Batic Leitmayr

Kommissar Batic (Miroslav Nemec) versucht, das Vertrauen von Taro Schröder (Leo Schöne) zu gewinnen.

(Foto: X Filme/Hagen Keller)

Die Münchner "Tatort"-Ermittler bekommen es mit einem unlösbaren Mord zu tun. Die Folge: Batic schluckt Pillen gegen Panikattacken, Leitmayr wird pedantisch. Sehenswert.

TV-Kritik von Holger Gertz

Irgendwann setzen die Münchner Kommissare einen DNA-Massentest an, Hunderte Männer öffnen die Münder für den Schleimhaut-Abstrich, Ivo Batic sagt: "Bis wir mit allen durch sind, samma grau." Kollege Franz Leitmayr antwortet: "Das Risiko geh ich ein", und das ist mit Blick auf die Farbe ihrer Haare natürlich eine sehr charmante Selbstironie.

Tatsächlich sind die Kommissare in "Die Wahrheit" ziemlich am Ende, Batic schluckt Pillen gegen seine Panikattacken, Leitmayr korrigiert den Sitz eines Bildes an der Wohnzimmerwand. Aber das ist alles nur Kosmetik. "Ich bin Polizist, ich kann dich beschützen", sagt Batic zu einem Jungen, dessen Vater erstochen wurde. Der Junge glaubt ihm, auch deshalb, weil es zu den warmen Worten des Kommissars einen halb warmen Kakao gibt. Aber Batic ist zu erledigt, um sich selbst zu glauben, und das ist der Kern dieser sehenswerten Geschichte von Sebastian Marka (Buch: Erol Yesilkaya): Zwei Polizisten wird bewusst, wie leer die Versprechungen sind, die sie machen.

Der Fall ist angelehnt an den Isar-Mord: Ein Mann wird umgebracht, die Polizei bietet alles auf, aber findet den Täter nicht. In diesem Tatort sind die Zeugenaussagen wertlos, und auch die in Krimis obligatorischen Handyvideos, die zeigen, wie es wirklich war, gibt es nicht. Es gibt nicht mal ein Motiv.

Tatort ohne eingebaute Lösungsgarantie

Zwar empfindet der Gerichtsmediziner den Einstich des Messers an einem - Achtung! - Testschwein nach. Aber Batic und Leitmayr suchen vergeblich, und indem sie vergeblich suchen, versagen sie. Vor dem eigenen Anspruch. Vor ihren Vorgesetzten. Vor der jungen Witwe, die gequält wird von dem Gedanken, dass der Täter noch rumläuft. Vor den Medien, und vor der Öffentlichkeit, die ihrerseits an nichts mehr glaubt und schon gar nicht daran, dass Polizisten die Leute schützen können. Auch da ist diese Episode näher am Leben als der klassische Tatort sonst mit seiner eingebauten Lösungsgarantie.

Sehr selten übertreiben es die Buddys mit dem Abfeiern des eigenen Weltschmerzes in der Bar. Abgesehen davon ist vieles nachfühlbar: die voreilige Begeisterung über das Identifizieren eines angeblichen Täters. Die Ermittler wollen erlösen und erlöst werden, sie lassen sich täuschen. Aber da steht schon das ernüchternde Motto auf dem Kalenderblatt: "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man dran zieht." Kein flaches Gerede, schöne Bilder, ein klar strukturierter und komponierter Tatort, in dem die Handlungsfäden sauber miteinander vernäht werden.

"Haben Sie denn niemanden, für den es sich lohnt zu lügen?", fragt irgendwann die Witwe den mürben Batic. Die Antwort kommt spät, aber sie kommt.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: