US-Wahlkampf:Hillary Clintons Gegner ist nicht mehr Donald Trump

Die Demokratin führt so klar, dass sie Trump ignoriert. Sie setzt ihre Zeit und ihr Geld nun dazu ein, die Mehrheit im Senat zu erobern. Nur so könnte sie ihre Ideen durchsetzen.

Von Matthias Kolb, Washington

Mit Donald Trump hat Hillary Clinton abgeschlossen. Viereinhalb Stunden stand sie mit ihm bei drei TV-Debatten auf der Bühne (diskutiert wurde eher selten) und sie ist überzeugt, dass die Gegensätze deutlich geworden sind. Sie wolle auf Trumps Attacken gar nicht mehr reagieren, sagt sie zu Reportern. Die Zahlen geben ihr recht: In landesweiten Umfragen liegt die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten mit fünf Punkten vorne, sie führt in zahlreichen swing states und ist in konservativen Staaten wie Arizona oder Texas nah an Trump dran.

Weil der Republikaner Trump zwei Wochen vor dem Wahltermin weiter selbst für Schlagzeilen sorgt (indem er den Dritten Weltkrieg heraufbeschwört oder alte Interview-Transkripte auftauchen), konzentriert sich Clinton bei ihren Auftritten nun darauf, andere Republikaner zu attackieren. In New Hampshire lästert sie über Senatorin Kelly Ayotte und deren Verhältnis zu Trump: "Sie hat ihm nie wirklich Widerstand geboten. Unsere Kandidatin, Maggie Hassan, ist ganz anders: Sie weiß, dass Trump kein Vorbild für unsere Kinder oder irgendjemand sonst ist."

Auf Maggie Hassan hoffen viele progressive Amerikaner: Sie soll den Senats-Sitz in New Hampshire erobern und so helfen, dass die Demokraten dort wieder die Mehrheit haben. Das Clinton-Team investiert außerdem je eine Million Dollar in Missouri und Indiana und schickt Freiwillige in diese konservativen Bundesstaaten. Trump wird diese Staaten zwar bei der Präsidentschaftswahl gewinnen, aber Analysten wie John Fortier vom Bipartisan Policy Center attestieren den demokratischen Kandidaten Jason Kander und Evan Bayh bei der Senatswahl echte Siegchancen (einen Stimmungsbericht aus Indiana lesen Sie hier).

So sind momentan die Mehrheitsverhältnisse im Senat

Zurzeit gehören 54 der 100 Senatoren den Republikanern an, weshalb der Konservative Mitch McConnell als Majority Leader entscheidet, wann über welches Thema abgestimmt wird. Wenn Clinton Präsidentin wird, müssen die Demokraten mindestens vier Sitze gewinnen, um die Kontrolle im Senat zu erobern (die beiden Unabhängigen stimmen stets mit den Demokraten; bei Gleichstand hätte Vizepräsident Tim Kaine die entscheidende Stimme). Alle zwei Jahre wird ein Drittel des Senats neu gewählt, die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Und weil 2010 die Wut auf den neuen Präsidenten Obama sehr groß war, gewannen die Republikaner 24 der 34 regulären Sitze, die jetzt zur Wiederwahl stehen.

Neben New Hampshire, Indiana und Missouri hat Tammy Duckworth in Illinois sehr gute Chancen; Gleiches gilt für Russ Feingold in Wisconsin und Katie McGinty in Pennsylvania. Wenn Hillary Clinton persönlich in diesen swing states auftritt oder ein Mitglied ihrer All-Star-Truppe (also Präsident Obama, First Lady Michelle, Bernie Sanders oder Elizabeth Warren) schickt, dann hilft dies auch den Kandidaten. In North Carolina könnte die Demokratin Deborah Ross mit Glück siegen. "Deborah ist genau die Person, die ich im Senat brauche", schwärmte Clinton.

Darum ist der Senat so wichtig

Ob Clintons Erfolg am 8. November so groß sein wird, dass die Demokraten auch das Repräsentantenhaus erobern können, ist umstritten. Wegen des Zuschnitts der Wahlkreise (mehr zum redistricting) ist die konservative Mehrheit dort besonders sicher. "Sie müsste mit zehn Prozentpunkten Abstand gewinnen, um das House zu drehen", glaubt Norm Ornstein vom konservativen American Enterprise Institute.

Er betont jedoch, dass der Senat wichtiger sei: Hier wird nicht nur entschieden, wer der nächste Richter am Obersten Gerichtshof wird (Obamas Kandidat für den Supreme Court, Merrick Garland, wird von den Republikanern ignoriert). Als Ex-Senatorin hat Clinton gute Kontakte zu einzelnen Republikanern und könnte womöglich mit ihnen Deals schließen - und so die Konservativen im Repräsentantenhaus unter Druck setzen (deren Mehrheit von derzeit 60 wird schrumpfen).

Mit einer demokratischen Mehrheit könnte sie den Senat in eine confirmation factory verwandeln: Die meisten von Clinton vorgeschlagenen Minister, Botschafter und Top-Beamten (etwa der CIA-Chef) würden bestätigt. Und durch das Vorschlagsrecht für andere Bundesrichter kann der jeweilige US-Präsident über Jahrzehnte die Rechtsprechung beeinflussen: Obama ernannte in acht Jahren viele Frauen, Latinos und schwarze Juristen, um die US-Gesellschaft besser abzubilden.

Was sonst seit dem Wochenende passierte:

  • Donald Trump hört auf, für die Republikaner Geld zu sammeln. Wie sein Finanzchef Steven Mnuchin der Washington Post sagte, wird der Präsidentschaftskandidat keine fundraiser mehr abhalten, um Spenden für seine Kampagne und die Republikaner zu sammeln. Dies zeigt den Bruch zwischen Kandidat und Partei-Elite. Clinton hingegen wird bis zum Wahltag noch 41 Events abhalten.
  • Wikileaks I: Clinton-Berater entsetzt über Zwölf-Millionen-Rede in Marokko. Am Wochenende wurde bekannt, dass Hillary Clinton 2014 zusagte, im Mai 2015 in Marokko an einem "Clinton Global Initiative"-Gipfel teilzunehmen. Im Gegenzug - und nur bei Clintons Erscheinen - würde Marokkos König zwölf Millionen an die Stiftung der Clintons überweisen. Anders als Trump behauptet, ist dies kein Beleg für persönliche Bereicherung - es illustriert aber erneut die seltsame Vermischung von Stiftung und Polit-Karriere (mehr in diesem SZ-Text). Clintons Mitarbeiter waren entsetzt, weil Anfang 2015 alle Vorbereitungen für die Präsidentschaftskandidatur liefen. "Sie hat dieses Schlamassel verursacht und weiß das auch", schrieb ihre engste Vertraute Huma Abedin. Das Problem wurde schließlich gelöst, indem Bill und Chelsea Clinton ins autokratisch regierte nordafrikanische Land reisten.
  • Wikileaks II: Clintons Wahlkampf-Team früh besorgt über E-Mail-Affäre. Andere E-Mails, die Clintons Wahlkampfleiter John Podesta erhielt, zeigen erneut, wie kritisch die eigenen Mitarbeiter die Entscheidung Clintons sahen, private E-Mail-Server zu nutzen. Als Reaktion auf eine Aussage Obamas im März 2015, wonach er "aus den Medien" von Clintons Privat-Server erfuhr, schrieb Top-Beraterin Cheryl Mills: "Wir müssen hier endlich aufräumen." (mehr bei der New York Times)
  • Hillary Clinton hat über nebulöse "Super Pac"-Wahlvereine eine Milliarde Dollar eingeworben. Eine Daten-Recherche der Washington Post zeigt, dass Clinton 2016 bisher 1,14 Milliarden Dollar an Spenden eingenommen hat - ähnlich erfolgreich war Obama 2012. Liberale Kritiker fürchten, dass Clinton als neue Präsidentin Großspendern wie Hedgefonds-Manager Selwyn Donald Sussman oder dem Medienunternehmer Haim Saban nun Gefallen schulden würde.
  • Clinton-Vertrauter spendete Geld für Ehefrau eines FBI-Beamten, der später gegen Clinton ermittelte. Wie das Wall Street Journal berichtete, spendete Virginias Gouverneur Terry McAuliffe über einen Wahlverein 500 000 Dollar an Jill McCabe, die in Virginia in den Senat wollte. Dies ist aus zwei Gründen pikant: McAuliffe ist seit Jahrzehnten ein enger Freund der Clintons - und der Ehemann von McCabe ist heute stellvertretender FBI-Direktor. Während die Republikaner schimpfen, streitet Demokrat McAuliffe jegliche Einflussnahme ab.
  • Beiträge für Obamacare steigen um mindestens 20 Prozent. Kurz vor der Wahl erhalten Millionen US-Bürger schlechte Nachrichten: Ihre Beiträge für die Obamacare-Krankenversicherung steigen im Mittel um 22 Prozent. Als Grund werden höhere Kosten genannt, wobei die Unterschiede von Bundesstaat zu Bundesstaat erheblich sind (mehr Hintergründe bei der New York Times sowie bei Vox.com). Auch wenn Donald Trump sofort über dieses "Desaster" klagt, dürfte ihm das nicht sehr helfen. Republikaner-Funktionäre hoffen jedoch, dass dies manchen Senatskandidaten nutzt.
  • Colin Powell wählt Hillary Clinton. Der republikanische Ex-Außenminister kündigt an, am 8. November nicht für Donald Trump stimmen zu wollen. Ganz offiziell unterstützt er nun die Demokratin Hillary Clinton.
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