Psychologie:Warum entschuldigen sich Frauen ständig?

Psychologie: Entschuldigende Frauen sind ein häufiger Anblick.

Entschuldigende Frauen sind ein häufiger Anblick.

(Foto: Illustration Jessy Asmus für SZ.de)

Nicht immer, weil sie Mist gebaut haben. So manches Sorry bedeutet eigentlich "Hab mich lieb".

Von Julia Rothhaas

Im Supermarkt findet die Kundin nur einen 50-Euro-Schein, mit dem sie den Liter Milch bezahlen muss: "Verzeihung, ich habe es leider nicht kleiner..."

Der Partner hat die Winterreifen auch nach wiederholten Bitten nicht gewechselt: "Sorry, dass ich schon wieder damit komme, aber..."

Die Angestellte klopft beim Chef, weil sie ihn in einer dringenden Angelegenheit informieren muss: "Entschuldigung, dass ich störe, aber es geht leider nicht anders."

Warum sich in den hier völlig beliebig zusammengeklaubten Alltagssituationen immer die Frauen entschuldigen? Ganz einfach: weil es überdurchschnittlich oft die Frauen sind. Das haben sogar wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt. Frauen entschuldigen sich tatsächlich ständig und für alles. Nicht nur dann, wenn sie Mist gebaut haben.

Aus dem "Tut mir leid" ist eine Chiffre geworden, die sich von ihrer ursprünglichen Funktion, dem Eingestehen eines Fehlers und der Bitte um Verzeihung, gelöst hat. Aber warum stammen 75 Prozent aller Sorrys und Tut-mit-leids von Frauen? Natürlich handelt es sich hierbei nicht um ein originär weibliches Verhalten, es gibt auch Männer, die häufig um Verzeihung bitten. Aber es ist dennoch ein Verhaltensmuster, das Frauen stärker betrifft als Männer. Eine Analyse aus dem Jahr 2011 an der kanadischen Waterloo-Universität fand heraus, dass Frauen sich deshalb häufiger entschuldigen, weil sie schneller die Notwendigkeit dafür sehen. Männer dagegen, so die Studie, hielten eine Entschuldigung mehrheitlich erst dann für angebracht, wenn sie Mist gebaut hatten.

Nicht jeder versteht den weiblichen Entschuldigungs-Code

Man kann das Pardon angenehm finden, wenn es höflich gemeint ist und wie eine warme Freundlichkeitsdusche wirken soll. Die meisten Frauen gehen ohnehin unbewusst davon aus, dass ihr Gegenüber schon versteht, dass es eher als Geste der Höflichkeit, womöglich sogar der Sympathie, gemeint ist.

Das Problem ist nur: Nicht jeder erkennt das Wort "Entschuldigung" als Code. Und so lohnt es sich, drei Formen von Entschuldigung näher zu betrachten: Die Hab-mich-lieb-Entschuldigung, die Harmonie um jeden Preis vorsieht. Die Tu-mir-nichts-Entschuldigung, bei der es darum geht, Streit zu vermeiden und die sich typischerweise vor allem dann zeigt, wenn unterschiedliche Hierarchieebenen vorliegen. Und die dritte und heilloseste Form der Entschuldigung: die überflüssige Ich-habe-versagt-Entschuldigung. Ein Mechanismus, der Frauen mitunter bewusst ist, mit dem sie hadern, den sie gerne abstellen würden und vielfach doch nicht können. Er rührt von einem falschen Perfektionismus her, und es ist ganz egal, ob es darum geht, die perfekte Mutter oder Partnerin oder Mitarbeiterin oder Chefin zu sein.

Was folgt daraus? Müssen sich Frauen die Entschuldigungs-Chiffre austreiben? Verhaltensmuster annehmen, die gemeinhin unter dem Stichwort "männlich" subsumiert werden? Oder sich zu überlegen, welche Signale man aussendet, wenn man anderen so häufig so defensiv begegnet?

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