Parteien:Das Merkel-Mantra

In der CSU ringen zwei Gruppen darum, wie man mit der Kanzlerin umgehen soll, Horst Seehofer will sie zusammenführen. Der Parteivorsitzende selbst hatte seine Partei gegen die CDU-Chefin aufgebracht.

Von Wolfgang Wittl

Da werde es "gewaltig rumsen", sagte ein führender CSU-Mann vor ein paar Tagen. Gemeint waren die beiden Leitanträge, über die die CSU auf ihrem Parteitag am kommenden Freitag und Samstag in München abstimmen lässt. Mit gewohnt markigen Worten zieht die CSU darin gegen zwei unverdächtige Gegner in den Kampf. Kurz gesagt, heißt es: Ein Bündnis aus SPD, Linkspartei und Grünen würde zwar nicht zwingend den Untergang des Abendlandes, mindestens aber den Niedergang Deutschlands bedeuten. Und, zweitens, der politische Islam stehe für "Terrorismus und Krieg", für einen "totalitären Machtanspruch". Formuliert sind die Anträge so, dass sie bei der leicht entflammbaren CSU-Basis garantiert eine deutliche Mehrheit finden werden.

Weniger sicher war sich CSU-Chef Horst Seehofer hingegen, wie seine Parteimitglieder auf eine Frau reagieren, die nicht wenige in der CSU im monatelangen Flüchtlingsstreit ebenfalls für eine Gegnerin gehalten haben - oder es bis heute noch tun. Zu groß ist für die CSU-Strategen das Risiko, als dass Kanzlerin Angela Merkel dem Jahrestreffen der Schwesterpartei beiwohnen dürfte. Zu unkalkulierbar plötzlich ein Besuch, der seit Merkels Wahl zur CDU-Chefin im Jahr 2000 eigentlich stets zum Pflichtprogramm gehörte.

Anders als bei Parteitagen der Funktionärs-CDU, bei denen die Regie dank einer Riege stramm eingenordeter Delegierter keine Unwägbarkeiten zu befürchten hat, ist das Fußvolk der CSU schwer zu kontrollieren. Seehofer ist sich dessen bewusst. Deshalb meidet er die Gefahr, Merkels Besuch könnte ähnlich verrutschen wie im vergangenen Jahr, als er selbst die Kanzlerin auf offener Bühne demütigte. Dass die CDU-Vorsitzende nun keine Einladung zum CSU-Parteitag erhalten soll, wird sogar im an Zwistigkeiten nicht armen Verhältnis der beiden Schwesterparteien als Fixpunkt in die Geschichte eingehen.

Wie mit Angela Merkel umgehen? Das bleibt die beherrschende Frage in der CSU, für die sie seit Wochen um Antwort ringt. Auf der einen Seite stehen Hardliner wie Bayerns Finanzminister Markus Söder, der Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber oder auch Generalsekretär Andreas Scheuer, die der Ansicht sind, man dürfe die eigene Basis mit einer übereilten Versöhnung nicht überfordern. Gebetsmühlenartig wiederholen sie Seehofers Mantra, erst müssten die Inhalte geklärt werden, dann die Personalien.

Auf der anderen Seite stehen gemäßigte Vertreter wie CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, der andere Ehrenvorsitzende Theo Waigel oder Parteivize Manfred Weber, die sich für einen schnellen Schulterschluss mit der CDU aussprechen - die Unterstützung für Merkels vierte Kanzlerschaft eingeschlossen. Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass der sonst zurückhaltende Weber ein klares Bekenntnis zu Merkel abgab, als sich abzeichnete, dass sie nicht zum Parteitag eingeladen werde. "Angela Merkel ist unsere Kandidatin. Daran kann es keinen Zweifel geben", sagte Weber ungewohnt forsch dem Spiegel: "Und ich würde mir wünschen, dass diese Aussage rasch kommt - von ihr und von uns."

Die Gruppe, die Gemeinsamkeiten mit Merkels CDU betont, befindet sich in der CSU in der Minderheit. Wenn sie sich nun aber bemerkbar zu machen versucht, möchte sie damit auch Seehofers Spielraum vergrößern, damit er auf eine Einigung mit der Schwesterpartei hinarbeiten kann. Seehofer kommt die Aufgabe zu, die beiden Lager in seiner Partei zusammenzuführen, ohne dass die CSU ihre politische Glaubwürdigkeit verliert. Glaubwürdigkeit heißt in dem Fall: ein harter Kurs in der Zuwanderungsfrage.

Bis zur Wahl des Bundespräsidenten will man sich wieder geschlossen zeigen

Dabei war es Seehofer selbst, der seine Leute in einem Maß gegen Merkel aufgebracht hat, dass es ihm nun so schwerfällt, sie wieder hinter der Kanzlerin zu versammeln. Kritiker in der CSU werfen ihm vor, er habe die Auseinandersetzung zu sehr personalisiert. Und er habe zu spät die gemeinsamen Erfolge in der Flüchtlingspolitik betont, als Merkel bereits auf CSU-Linie eingeschwenkt sei. Seehofer ist flexibler als seine Basis: Die Einigung im Länderfinanzausgleich war für ihn der letzte wichtige Baustein, um Merkel wieder unterstützen zu können. An unterschiedlichen Positionen zur Obergrenze für Flüchtlinge dürfte die Einigkeit der Union wohl nicht scheitern - die CSU wird ihre Forderungen dann in den sogenannten Bayernplan für die Bundestagswahl schreiben.

Wenn die CSU nun Spott und Unverständnis dafür erntet, dass Merkel nicht zum Parteitag kommt, so ist das für sie immer noch das kleinere Übel. "Wir können unsere Politik nicht irgendwelchen terminlichen Zwängen opfern", sagt Seehofer. Bis in den späten Freitagabend berieten Merkel und er im Kanzleramt. Ob der CSU-Chef im Gegenzug dem CDU-Parteitag fernbleibt, steht noch nicht fest. Doch frei von terminlichen Zwängen ist auch die CSU nicht. Als finaler Stichtag bis zur Aussöhnung mit der CDU gilt die Bundespräsidentenwahl im Februar, bis dahin muss die Geschlossenheit vollzogen sein. Entweder die Union vermag einen eigenen Kandidaten durchzusetzen - oder sie stellt sich auf ein rot-rot-grünes Signal für die im Herbst folgende Bundestagswahl ein.

Auf die angebliche Gefahr durch eine sogenannte Linksfront, wie die CSU sie jetzt in einem ihrer Leitanträge beschwört, können sich sowohl die Merkel-Kritiker als auch die Merkel-Befürworter bei den Christsozialen verständigen. Es sei höchste Zeit, die Scharmützel mit der Schwesterpartei zu beenden und stattdessen gegen die AfD und Rot-Rot-Grün ins Feld zu ziehen, sagen Merkels Unterstützer. Das Thema soll auch in der CSU-Vorstandssitzung an diesem Montag eine Rolle spielen, wenn noch einmal über Merkels Nicht-Besuch debattiert wird. Mit anderen Worten: Es könnte gewaltig rumsen.

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