Historische Reisen:Universell gebildet, interessiert und unerschrocken

Georg Wilhelm Stöller, geboren am 10. März 1709, im fränkischen Windsheim als viertes Kind von Johann Jakob und Loysa Susanna Stöller, gestorben am 23. November 1746 in Tjumen, war ein Einserschüler. Er besuchte das Windsheimer Gymnasium und studierte zunächst Theologie in Wittenberg, dann Medizin in Leipzig, Jena und Halle. Nebenher besuchte er in Halle Botanikvorlesungen.

1734 legte er sein Medizin-Examen in Berlin ab. Noch im gleichen Jahr ging er nach Russland, da er in der Heimat keine Aussicht auf eine Anstellung hatte. Die Reise finanzierte sich er als Wundchirurg im russischen Heer. Auf einem Lazarettschiff kam er 1734 in St. Petersburg an. Dort war bereits eine Schar westeuropäischer Gelehrter an der 1725 von Zar Peter dem Großen gegründeten Akademie der Wissenschaften versammelt. Von da an nannte er sich Steller, dies war leichter ins Russische zu transkribieren. Er wurde Hausarzt von Erzbischof Feofan, der ihm eine Anstellung an der Akademie als "Adjunkt" der Naturgeschichte vermittelte und heiratete Brigitta Helena Messerschmidt, die Witwe von Daniel Gottlieb Messerschmidt, dem ersten deutschen Naturforscher in Russland. Mit seiner Frau machte er sich auf den Weg nach Sibirien, um sich dort der "Großen Nordischen Expedition" (1733 bis 1743) anzuschließen.

Doch sein romantisches Leben blieb unerfüllt: Schon in Moskau stieg seine lebenslustige Frau aus, sie zog es vor, in der Zivilisation zu bleiben. Später schrieb er, dass er seine Frau vergessen und sich stattdessen in die Natur verliebt habe. Das passte besser zu diesem rastlosen Wissenschaftler: Er machte Feldforschungen, legte auf seinen Reisen durch Sibirien und Kamtschatka Herbarien und Mineraliensammlungen an, betrieb ethnologische Studien, bestimmte Tiere und Pflanzen bereits nach der Linnéschen Taxonomie. In seinem Manuskript "Flora Irkutiensis" listete er 1152 Pflanzennamen auf. Steller legte auf seinen Forschungsreisen mehr als 20 000 Kilometer zurück.

Sein Andenken pflegt heute unter anderem die Steller-Gesellschaft in Halle, wo schon zu Stellers Zeiten Russlandkunde betrieben wurde. Der amerikanische Zoologe Leonard Stejneger würdigte ihn als "Pionier der Naturgeschichte Alaskas". Mediziner sehen in Steller einen Vitamin-Vorkämpfer bei der Behandlung von Skorbut - anderthalb Jahrhunderte vor der Entdeckung der Vitamine. Er war bereits ein Wissenschaftler modernen Zuschnitts, universell gebildet und interessiert, genau und unerschrocken. Und er war ein tief gläubiger Humanist - ein Pionier aus Franken.

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