Japan:Trumps Wahlsieg trifft Japan völlig unvorbereitet

Japan: Japanische Zeitungen am Tag nach dem Wahlsieg Donald Trumps, der die Regierung des Landes völlig überrumpelt hat.

Japanische Zeitungen am Tag nach dem Wahlsieg Donald Trumps, der die Regierung des Landes völlig überrumpelt hat.

(Foto: AFP)
  • Japans Premier Abe will sich noch in dieser Woche in New York mit dem künftigen US-Präsidenten Trump treffen.
  • Die Wahl des Republikaners durchkreuzt Abes außenpolitische Strategie, die ganz auf Washington ausgerichtet ist.
  • Nordostasien muss sich auf eine ungewisse Zukunft einstellen.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Als Donald Trump als Wahlsieger in den USA feststand, schrieb Japans Premier Shinzo Abe dem künftigen Präsidenten in aller Eile einen Brief. In diesem äußert er sich bewundernd über Trumps Talente als Geschäftsmann - und lädt sich selbst zu einem Treffen nach New York ein, das noch in dieser Woche stattfinden soll. In Tokio rechnet man damit, dass Abe sich mit Trump persönlich gut verstehen wird, so wie Japans Premier sich auch mit Kremlchef Wladimir Putin und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan versteht. Ob Trump auf Abes machtpolitische Kalkulationen für Ostasien eingehen wird, ist die andere Frage.

Shinzo Abe hat seine Außenpolitik bisher ganz auf Washington ausgerichtet. Obwohl es gegen die Verfassung verstößt, hat er eine Militärdoktrin durchgesetzt, die der japanischen Armee Einsätze an der Seite der Amerikaner auch außerhalb der primären Interessensphäre Japans erlaubt. Gegen seine persönliche Überzeugung hat Abe sich von US-Präsident Barack Obama zum Ausgleich mit Südkorea drängen lassen und damit eingeräumt, dass die kaiserliche Armee im Zweiten Weltkrieg Koreanerinnen in die Prostitution zwang. Wegen Obamas Einwänden ist er nie mehr zum Yasukuni-Schrein gepilgert, mit dem Japan seine Kriegstoten und -verbrecher ehrt. Abe hat Japan gegen großen Widerstand in die Transpazifische Partnerschaft (TPP) geführt, die den Kern von Obamas "Schwenk nach Asien" bilden sollte.

Die Ratifizierung der TPP durch das Unterhaus hatte er auf den Donnerstag nach den US-Wahlen angesetzt. Da glaubte Abe noch, die künftige Präsidentin heiße Hillary Clinton, sie wollte er unter Druck setzen. Für Februar plante Abe einen Antrittsbesuch bei Clinton. Doch es kam anders: Statt auf die Fortsetzung des Status quo bauen zu können, muss sich Nordostasien auf eine unsichere Zukunft einstellen.

Abe hat TPP zum "vierten Pfeiler" seines Wirtschaftsprogramms erklärt

Normalerweise bevorzugen Abes Liberaldemokraten im Weißen Haus einen Republikaner. Republikaner gelten in Tokio als weniger protektionistisch und militärisch härter. Doch Abes Leute haben sich nicht einmal auf die Möglichkeit vorbereitet, Trump könnte Präsident werden, sondern sich voller Zuversicht auf Clinton eingestellt. Als Außenministerin war sie Tokio im Streit um die Senkaku-Inseln stets entgegengekommen. Die Senkakus werden auch von China und Taiwan beansprucht.

Abe hatte die TPP zum "vierten Pfeiler" von Abenomics erklärt, seinem Programm für Japans Wirtschaft, das auch im vierten Jahr nicht vorankommt. In Wirklichkeit sah er in TPP freilich weniger eine Chance für die Wirtschaft, für ihn hat das Abkommen strategische Bedeutung. Abe hält es, obwohl er das nicht öffentlich sagt, für ein Bollwerk gegen China. Obamas Verteidigungsminister Ash Carter hat das mal in die Worte gefasst, das Abkommen sei "wertvoller als ein weiterer amerikanischer Flugzeugträger in Asien".

Obamas "Schwenk nach Asien" war nie viel mehr als eine Absichtserklärung. Was Donald Trump davon hält, ist noch die Frage. Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte hat im September bereits einen "Schwenk nach Peking" vollzogen. Selbst Südkorea, neben Japan Washingtons engster Verbündeter in Ostasien, sucht seit einigen Jahren die Nähe zum Nachbarn China.

Am Wochenende schlug der peruanische Präsident Pablo Kuczynski vor, die andern elf TPP-Staaten sollten das Abkommen vorerst ohne die USA umsetzen. Er fügte hinzu, China und Russland könnten aus seiner Sicht auch mitmachen.

Abe kommt das ungelegen, obwohl China Japans wichtigster Handelspartner ist. Russland in der TPP, damit könnte Abe hingegen leben. In den letzten Monaten hat er gegen den Willen Washingtons Russlands Präsidenten Putin hofiert. Aber sich mit dem Rivalen China politisch auszusöhnen und ihn in eine Freihandelszone einzubinden, das wird für Japan erst nach Abe möglich sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: