"Polizeiruf" aus München:Von Meuffels versinkt tief in der Paranoia

Polizeiruf 110

"Muss ich sterben jetzt?", fragt die Frau. "Ja", sagt von Meuffels.

(Foto: Hendrik Heiden)

In diesem "Polizeiruf" ist München nicht heimelig, sondern eiskalt. Und der Kommissar verabschiedet sich von der Welt.

TV-Kritik von Holger Gertz

In diesem Münchner Polizeiruf berührt die Realität den Wahn, auf mehreren Ebenen. Eine Frau hat ein paar Jahre in der Psychiatrie verbracht, weil sie ihren Mann angezündet hat, einen Banker. Der soll prominenten Kunden beim Steuerbetrug geholfen haben, die Frau will diese Namen jetzt öffentlich nennen. Deshalb, behauptet die Frau, werde sie beschattet und abgehört.

Sie erzählt ihre Geschichte dem Ermittler Hanns von Meuffels, der glaubt ihr nicht. Kaum ist die Frau draußen auf der Straße, wird sie überfahren, Meuffels kann nichts mehr tun, er beugt sich über sie, sie fragt: "Muss ich sterben jetzt?" Und er sagt: "Ja."

"Sumpfgebiete" von Hermine Huntgeburth (Drehbuch: Holger Karsten Schmidt, Volker Einrauch) findet schöne, trübe Bilder für die Einsamkeit des wunderbaren Kommissars Hanns von Meuffels (Matthias Brandt), der in einem München ermittelt, das nicht auf warm und heimelig gestrickt ist. Sogar das Olympiastadion kann ein eiskalter Ort sein, der Tennisklub, der Dönerladen. Meuffels versteht den bayerisch brabbelnden Klempner nicht, er kann mit seinem Vorgesetzten Beck (Ulrich Noethen) nichts anfangen, der ihn unangenehm scheinfreundlich "du Hirsch" nennt - eine Anrede, die einen grundsätzlich skeptisch machen sollte, nicht nur in München.

Allmählich verliert der Kommissar alle Bezugspunkte, er verabschiedet sich von der Welt, oder die Welt verabschiedet sich von ihm. Meuffels begreift, dass die wahnsinnige Frau vom Anfang alles andere als wahnsinnig war, und über dieser Erkenntnis verliert er das Gefühl für die eigene Zurechnungsfähigkeit. Die allmähliche Zerrüttung eines Menschen, der aufs Beobachten trainiert ist und sich selbst von allen und allem beobachtet fühlt: Meuffels versinkt schön tief in der Paranoia.

"Anyone who isn't confused doesn't really understand the situation", hat mal der amerikanische Journalist Edward Murrow geschrieben. Der Wahnsinnige, nur noch von Heftpflastern zusammengehalten, kann der Hellsichtigste sein. In dieser Episode allerdings gerät die Auflösung, jedenfalls für Münchner Polizeiruf-Verhältnisse, ziemlich plump, die subtile Kraft geht dem Film aus. Ein paar Weisheiten bleiben trotzdem. "Beurteile nie die Last, die du nicht trägst", sagt Hanns von Meuffels. Klingt nach Konfuzius, ist aber schön erfunden.

Polizeiruf, ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

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