USA:Trumps Wahlkampf endet nie

Donald Trump

Donald Trumps Auftritt in Ohio.

(Foto: AP)
  • Der künftige US-Präsident befindet sich auf "Dankestour". In Cincinnati, Ohio, holt er dabei noch mal die alten Wahlkampfslogans raus.
  • Trumps Botschaft "Amerika zuerst" wird die kommenden Monate, wenn nicht Jahre, der US-Politik prägen.
  • In Indianapolis besucht Trump eine Firma, die ursprünglich 1100 Arbeitsplätze nach Mexiko verlagern wollte - und wo er im Wahlkampf persönlich einschritt.

Von Matthias Kolb, Washington, und Johannes Kuhn, New Orleans

An diesem Abend in Cincinnati ist noch einmal Wahlkampf, wo keiner mehr ist: Donald Trump hält eine Rede, wie er sie auch vor dem 8. November so oft gehalten hat. Das Versprechen amerikanischer Größe, die Rückkehr von Arbeitsplätzen, die Geißelung der Medien unter Buhrufen ("extrem unehrlich"), das Lob einer "Graswurzelbewegung, wie sie die Welt nicht erlebt hat": Der 70-Jährige hat seinen Anhängern alle Hits mitgebracht. Und die antworten ihm mit Sprechchören wie "Bau die Mauer" oder dem Anti-Clinton-Slogan "Sperr sie ein".

Doch es ist nicht mehr der Kandidat Trump, der hier vor Tausenden Anhängern spricht, sondern ein künftiger US-Präsident. Er wolle auch nach der Wahl gerne Kundgebungen halten, hatte Trump seinen Beratern gesagt. Nun organisieren sie eine "Dankestour" durch konservative und Wechselwähler-Staaten.

Der erste Auftritt ähnelt allerdings weniger einem Dankeschön als einem ausgiebigen Siegestanz - vor allem dann, wenn der Redner vom Teleprompter abweicht. "Breaking News: Donald Trump hat Florida gewonnen. Woah!", imitiert er die TV-Moderatoren der Wahlnacht. "Erinnert ihr euch daran, wie sie vorher gesagt haben, dass sogar Georgia auf dem Spiel stehen könnte?", fragt er seine Anhänger lachend.

Hatten nicht alle vorausgesagt, dass er die "blaue Mauer" von Staaten mit viel stillgelegter Industrie nicht durchbrechen könne, in denen ein Sieg der Demokraten ausgemachte Sache schien? "Wir haben die arme Mauer plattgemacht." Es bleibt der Vorstellungskraft überlassen, wie Republikaner reagiert hätten, hätte einst Barack Obama oder, im Falle eines Wahlsiegs, Hillary Clinton einen solchen Auftritt hingelegt.

"Amerika zuerst" - die Botschaft der nächsten Jahre

Nebenbei verkündet der nächste Präsident an diesem Abend die Nominierung von James Mattis zum Verteidigungsminister. "Ein kleines Geheimnis" sei das; tatsächlich ging der Name schon eine Woche vorher durch die Medien.

Trumps Rede, die wohl auf seinen Chefstrategen Steve Bannon zurückgeht, lässt vor allem einen Rückschluss auf seine künftige Politik zu: Trump wird den Nationalismus nochmal einen Tacken höherdrehen. Es gebe keine globale Hymne oder Währung, keine globale Staatsangehörigkeit, der man sich verpflichtet fühlen könne. Man halte nur "einer Flagge die Treue - das ist die amerikanische." Sollte, wer die verbrenne, nicht bestraft werden? Die euphorische Menge jubelt ihm zu.

Trumps Botschaft "Amerika zuerst" wird die kommenden Monate, wahrscheinlich Jahre, prägen. Am Abend gibt Trump den Volkstribun und Einheizer, am Vormittag spielt er den Retter: Der designierte Präsident reiste mit seinem Vize Mike Pence nach Indiana - ebenfalls Teil jenes "Heartlands", in dem viele Industriejobs verloren gegangen sind und wo ihn deshalb viele Menschen wählten.

In den Hallen einer Klimaanlagen-Fabrik von Carrier in Indianapolis steckt Trump die Daumen in die Höhe, lässt sich Geräte erklären, winkt den Arbeitern zu. Es ist eine andere Art Siegesfeier: 1100 Arbeitsplätze, die nach Mexiko verlagert werden sollten, bleiben erhalten - dank Donald Trump.

Carrier: Trump kann liefern - doch ist der Deal ein Erfolg?

Für den 45. Präsidenten ist dies ein enormer Erfolg - er zeigt seinen Anhängen, dass er für sie kämpft. Und dass er liefern kann. Monatelang diente ein Handy-Video aus jener Carrier-Fabrik als Beleg dafür, was falsch läuft in den USA: Ein profitables Unternehmen setzt sich nach Mexiko ab und Hunderte guter Jobs - mit Stundenlöhnen von 24 Dollar - verschwinden.

Trump erzählt: In den Abendnachrichten habe er einen Carrier-Arbeiter davon reden hören, dass der Republikaner versprochen habe, seinen Job zu retten. "Ich hatte das eigentlich gar nicht ernst gemeint", gibt der 70-Jährige freimütig zu, doch nach dem TV-Bericht ("ich nenne den Sender nicht, ich mag die Journalisten nicht besonders") habe er zum Telefon gegriffen und den Carrier-Chef angerufen. Das ist typisch Trump, so inszeniert er sich gern: als Dealmaker und genialer Verhandler, der die Firmen auch mit Drohungen dazu bringt, in den USA zu produzieren.

Trump bei Hannity

Donald Trump hat seit 127 Tagen keine Pressekonferenz gegeben, dafür trat er am Donnerstag mit seinem Vize Mike Pence in der Sendung des Fox-Moderators (und offenen Trump-Unterstützers) Sean Hannity auf. Zu den Fragen des konservativen TV-Mannes gehörten: "Sie haben keinen Tag frei genommen... brauchen Sie keinen Urlaub?" oder "Hat Sie das komplette Ausmaß der Sache überrascht?"

Wie erfolgreich die Rettung wirklich war, daran scheiden sich die Geister: Zehn Jahre lang erhält das Unternehmen einen Steuernachlass von insgesamt sieben Millionen Dollar (dass der Carrier-Mutterkonzern United Technologies viele Aufträge aus dem Verteidigungsministerium erhält, wird die Kooperationsbereitschaft erhöht haben). 600 Jobs wandern trotzdem nach Mexiko, eine weitere Fabrik mit 700 Mitarbeitern wird geschlossen.

Solche Zuschuss-Geschäfte schließen Politiker auf regionaler Ebene häufiger, weil sie ungern mit Nachrichten von Fabrik-Schließungen in Verbindung gebracht werden wollen und meist auch keine Lösung für die Strukturfragen dahinter haben. Doch ist solch PR-trächtiges Mikro-Management für den Präsidenten wirklich ein realistischer Weg? Oder motiviert es viel mehr Unternehmen, mit Abwanderungsdrohungen finanzielle Zuschüsse zu ergattern? Letzteres glauben Kritiker wie der linksprogressive Senator Bernie Sanders. Wird Trumps Drohung, abwandernde Firmen hart zu bestrafen, Wirkung zeigen? Die nächsten vier Jahre werden es zeigen.

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