Statistik:Nur eine Stichprobe

Australien schneidet in den Naturwissenschaften besser ab als Deutschland. Was Zufall und Messfehler damit zu tun haben.

Von Marlene Weiß

Was hat das Vereinigte Königreich, was Deutschland nicht hat, mal abgesehen vom Dauernieselregen? Warum schneidet Australien in der Pisa-Studie in Naturwissenschaften besser ab, warum Neuseeland? Sollte man sicherheitshalber dem Commonwealth beitreten, um die Länder einzuholen, die im Pisa-Schwerpunkt-Fach Naturwissenschaften knapp vor Deutschland liegen? Immerhin holte Neuseeland 513,3 Punkte, Australien 510,0 und die Briten 509,2. Deutschland schaffte nur 509,1 und steht damit in der Liste aller Pisa-Länder an 16. Stelle.

Aber wenn man die Zahlen genauer betrachtet, bleibt wenig Anlass für Neid übrig. Die Pisa-Ergebnisse sind keine absolute Wahrheit, sondern eine statistische Erhebung, mit Messfehlern, Ungenauigkeiten und Unsicherheiten. Das liegt schon daran, dass kein ganzer Schüler-Jahrgang getestet wird, sondern nur ein Bruchteil der 774 149 infrage kommenden 15-Jährigen. Knapp 260 Schulen wählten die Tester zufällig aus, wobei große Schulen bessere Chancen hatten als kleinere, um der größeren Schülerzahl Rechnung zu tragen. Anschließend wurden an jeder Schule bis zu 42 Schüler ausgelost. Am Ende nahmen 6522 Jugendliche an den Prüfungen teil, weniger als ein Prozent des Jahrgangs.

Das ist nur eine Stichprobe, wenn auch eine große. Würde man die Studie wiederholen, würden hier Physik-Asse, dort Chemie-Nieten hinzukommen oder herausfallen, und die Ergebnisse wären andere. Hinzu kommt der Messfehler: Kein Test ist perfekt. Würde man das ganze Prozedere 100 Mal wiederholen, wäre laut der Analyse der Tester damit zu rechnen, dass die Werte in 95 Fällen zwischen 504 und 514 Punkten lägen. Je nachdem, wie der Zufall spielt, käme Deutschland insgesamt meist auf einen Rang zwischen 12 und 19. Viel genauer lässt es sich nicht fassen; alles andere liegt im Bereich statistischer Schwankungen. Interessant ist ein Unterschied zwischen zwei Werten erst dann, wenn er wahrscheinlich nicht allein durch solche Schwankungen hervorgerufen wird. Dies berücksichtigen die Pisa-Autoren, eine Differenz ist für sie deshalb erst dann "signifikant", wenn sie in höchstens fünf Prozent der Fälle auch ohne einen realen Unterschied zu erwarten wäre, allein aufgrund der Tücken der Statistik.

Zum Beispiel sind in Deutschland die Werte in den Naturwissenschaften zwischen den beiden Schwerpunktjahrgängen 2006 und 2015 leicht zurückgegangen, aber dieser Rückgang ist so gering, dass er ebenso gut eine statistische Täuschung sein kann - de facto stagnieren die Leistungen. Höchstens könnte man nörgeln, dass es anders als etwa bei der Lesekompetenz keine Verbesserung gegeben hat - jedenfalls keine, die deutlich genug wäre, um sich in den Zahlen niederzuschlagen.

Und was ist nun mit den naturwissenschaftlichen Bildungserfolgen von Großbritannien, Australien und Neuseeland, warum lassen diese Länder Deutschland hinter sich? Tun sie gar nicht. Bezieht man die Unsicherheit mit ein, liegen alle drei in Naturwissenschaften gleichauf mit Deutschland, ebenso wie Irland, Korea, Slowenien, die Niederlande und die Schweiz - einen nachweisbaren Unterschied gibt es nicht, auch wenn es in der Rangliste zuerst anders aussieht.

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