Baumschutz-Initiative:Grüner Masterplan

Stadtviertel-Vertreter und Bund Naturschutz machen einen neuen Vorstoß, in München trotz massiver Bautätigkeit den Baumbestand zu erhöhen

Von Hubert Grundner

Baurecht bricht Baumrecht. So lautet, griffig formuliert, eine nach wie vor gültige Maxime bei Genehmigungsverfahren der Verwaltung. Doch während sich der Bauherr freut, dass er ans Ziel seiner Eigenheimträume gelangt, beklagen viele Menschen, dass mit dem Grün oft auch die Lebensqualität in ihrer Nachbarschaft verschwindet. Dabei prägen Bäume nicht nur den ästhetischen Charakter einer Stadt, sondern sie haben auch großen Einfluss auf das lokale Klima. Darauf weist der Bund Naturschutz (BN) in einem Antrag hin, den er an alle Münchner Bezirksausschüsse gerichtet hat.

Fällung vom Buchdrucker geschädigter Bäume im Münchner Osten, 2016

Schädlingsbefall führte an diesem Baum im Münchner Osten zur Fällung.

(Foto: Claus Schunk)

München als die am dichtesten bebaute Stadt in Deutschland bekomme den Klimawandel mit den Extrem-Sommern der vergangenen Jahre deutlich zu spüren. Die Klimaerwärmung im Verbund mit massiver Versiegelung des Bodens heize den Münchnern kräftig ein. Diese Entwicklung möchte der Bund Naturschutz durch eine stadtweite Baumschutz-Initiative bremsen.

Das entsprechende Positionspapier basiert auf einer Workshop-Reihe zum Thema "Baumschutz in der Stadt", die der Münchner Ableger des BN 2015 für alle Bezirksausschüsse ins Leben gerufen hatte. Primäre Ziele waren Vernetzung und Informationsaustausch. "Schnell wurde jedoch klar, dass es im allgemeinen Interesse darum gehen muss, konkret zu handeln", schreibt BN-Vorsitzender Christian Hierneis. Deshalb hätten Workshop-Teilnehmer aus mehreren Stadtviertel-Vertretungen in einem überparteilichen Gremium ein Antragspapier erarbeitet. Das beinhalte nun, so Hierneis weiter, konkrete Maßnahmen zu Baumerhalt, Baumschutz und zum Management des Baumbestandes.

Baumschutz-Initiative: Am Gärtnerplatz musste ein alter Baum weichen, weil er morsch und gefährlich wurde.

Am Gärtnerplatz musste ein alter Baum weichen, weil er morsch und gefährlich wurde.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im Einzelnen besteht das Paket aus 21 Einzelanträgen, die, aufgeteilt in zwei Abschnitte, auf die "Stärkung des Baumschutzes" beziehungsweise auf "Ersatz und Ausgleichszahlungen" abzielen. So lautet etwa die erste Forderung, dass die Stadt einen Masterplan zum Schutz, Erhalt und Aufbau des Münchner Baumbestands entwickeln soll. Ein umfassender Baumkataster wäre ein weiterer Wunsch. Vorgeschlagen wird auch, bei Neubauten analog zur Stellplatzvorgabe für Kfz eine Pflanzvorgabe für Bäume einzuführen. Zudem wirbt der BN für Erhaltungssatzungen, um vorhandene private Grünflächen vor der Überbauung zu schützen. Baumerhaltung geht vor Ersatzpflanzung, müsste ein weiterer Leitsatz lauten. Nicht zuletzt wollen die Verfasser des Antrags die Ausgleichszahlungen in Höhe von 750 Euro, mit denen man sich bislang von der Pflicht zur Ersatzpflanzung freikaufen kann, "drastisch" erhöhen. Der BN und seine Mitstreiter sollten jedenfalls mit ihrer Initiative zur Stärkung des Baumschutzes genügend Stoff für eine notwendige Diskussion geliefert haben.

Baumschutz-Initiative: An der Josephstraße stand das Gewächs einem Haus im Weg.

An der Josephstraße stand das Gewächs einem Haus im Weg.

(Foto: Catherina Hess)

Der Bund Naturschutz hegt nun zwar die Hoffnung, dass möglichst alle Bezirksausschüsse die Initiative unterstützen und ihr somit zu größerer Wirkung verhelfen - im Stadtrat wie in der gesamten Bürgerschaft. Die Bitte um möglichst schnelle Zustimmung könnte sich aber zerschlagen. So entschieden die Mitglieder des Bezirksausschusses (BA) Obergiesing-Fasangarten, über das Bündel von 21 Einzelanträgen nicht als Ganzes abzustimmen. Stattdessen sollte jeder einzelne Punkt einzeln behandelt werden. Abgestimmt soll schließlich erst werden, sobald sich fünf betroffene Unterausschüsse damit befasst haben. An diesem Procedere wollen die Lokalpolitiker festhalten, auch wenn sie generell den Forderungen des BN zustimmten. Auf äußerst fruchtbaren Boden fällt der BN-Vorstoß im Bezirk Schwabing-Freimann; der Bezirksausschuss will sich mit dem Forderungspaket bald in einer Sondersitzung beschäftigen, Moosach will sich ebenfalls noch eingehender mit der Initiative beschäftigen. Auch alle Haidhauser BA-Mitglieder unterstützten den Antrag - obwohl sie "nicht in allen Punkten komplett einverstanden" waren, wie SPD-Fraktionsvorsitzende Nina Reitz sagte. Werner Walter (Grüne) ist nun, wie die anderen Stadtteilpolitiker, gespannt, "was da jetzt rauskommt".

Denn dass es sich beim Schutz der Bäume um keinen Luxus, sondern um pure Notwendigkeit handelt, verdeutlicht das Positionspapier überdeutlich. So seien Bäume ein unverzichtbarer Teil des Stadtbildes. Ihr Grün habe eine positive Wirkung auf die Psyche und das Wohlbefinden der Menschen. Sie produzieren Sauerstoff, filtern Staub und Schadstoffe aus der Luft, regulieren das Stadtklima durch ihre kühlende Verdunstungsleistung, schützen den Boden und sorgen für sauberes Wasser. Aber sie seien eben auch gefährdet, warnen die Verfasser des Antrags. Wegen des starken Zuzugs in den Großraum sowie die dadurch ausgelöste Bautätigkeit und Nachverdichtung verschwänden jedes Jahr Tausende Bäume im Stadtgebiet. Die Initiatoren konstatieren eine "fortschreitende Entgrünung Münchens" mit weitreichenden negativen Folgen für die Lebensqualität. Im Antrag wird deshalb nicht nur die Erhaltung, sondern sogar eine Ausweitung von Grünflächen mit Baumbestand gefordert.

Schon jetzt müsste nach Vorstellung des BN öffentlichen und privaten Grünflächen bei der Genehmigung von Bauvorhaben ein höherer Stellenwert eingeräumt werden: "In der gegenwärtigen Phase der Nachverdichtung werden bei Neubauten in der Regel Grünflächen und Bäume unwiederbringlich vernichtet." Dabei seien Bäume ein elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge einer Stadt - ebenso wie Wasser- und Stromversorgung.

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