Hartz IV:Jobcenter müssen PC und Abi-Feier bezahlen

Bundesagentur für Arbeit

Was muss das Jobcenter zahlen? Diese Frage beschäftigt regelmäßig Gerichte.

(Foto: Jens Kalaene/dpa)
  • Regelmäßig landen Fälle vor Gericht, in denen entschieden werden muss, für welche Leistungen Jobcenter zahlen.
  • Nun gibt es zwei brisante neue Urteile: Schüler aus Hartz-IV-Familien haben Anspruch auf einen PC. Außerdem müssen sie an gemeinsamen Schulveranstaltungen teilnehmen dürfen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Als die rot-grüne Bundesregierung mit der Agenda 2010 Hartz IV einführte, wollte sie den Sozialstaat moderner machen. Es sollte endlich Schluss sein mit dem komplizierten Berechnen von Leistungen für diejenigen, die zum Überleben Geld vom Staat brauchen. In einer Pauschale, derzeit 409 Euro im Monat für einen Alleinstehenden, sollte möglichst alles drin sein.

Tatsächlich deckt die Hartz-IV-Regelleistung aber nicht alles ab: Es kann für alles mögliche Extrageld vom Staat geben - für warmes Wasser (wenn dies elektrisch über einen Boiler erwärmt wird), für orthopädische Schuhe (falls ein ärztliches Attest vorliegt) und sogar für Kleister (sofern ein Hartz-IV-Bezieher die Wohnung selbst tapeziert). Wann die mehr als 400 Jobcenter in Deutschland zahlen müssen und wann nicht, führt aber immer wieder zu Streit vor Gericht. Nun gibt es zwei neue brisante Grundsatzurteile, die bundesweit für das Hartz-IV-System bedeutsam sind.

Im ersten Fall lehnte das Jobcenter Cottbus es ab, die Kosten für den Kauf eines Computers einer Gymnasiastin in Höhe von 350 Euro zu übernehmen. Die Mutter, die seit Jahren Hartz IV bezieht, zog deshalb vor Gericht. Dort machte sie geltend, dass ihre Tochter wie alle Schüler Hausaufgaben über das Internet herunterladen und das Ergebnis wieder auf den Seiten der Schule hochladen müsste. Die Abgabe einer handschriftlichen Arbeit anstelle einer geforderten Computer-Präsentation würde zu einer erheblich schlechteren Benotung führen. Ein PC sei für das Erreichen des Abiturs deshalb extrem wichtig.

Berufung ließen die Gerichte nicht zu

Das Sozialgericht Cottbus gab der Klägerin recht und erinnerte an das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Danach seien mit der pauschalierten Regelleistung nicht alle "vorkommenden Bedarfslagen und Sondersituationen erfasst". Dies gelte auch für den Kauf des Computers. Hier handele es sich um einen "Mehrbedarf" im Sinne des Sozialgesetzbuches II. Dieser falle nicht unter den Schulbedarf, für den es vom Staat 100 Euro im Jahr extra gibt (Az.: S 42 AS 1914/13).

Im zweiten Fall klagte die Mutter eines Abiturienten, weil das Jobcenter die Kosten für die von der Schule ausgerichtete Abi-Feier in Höhe von 100 Euro nicht übernehmen wollte. Auch hier gab das Sozialgericht Saarland der von Hartz IV abhängigen Mutter recht. Es handele sich um eine Leistung, die aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zu bezahlen sei. Der Gesetzgeber habe zwar versäumt, solche Abi-Feiern beim Bildungspaket zu berücksichtigen. In diesem Fall seien die einschlägigen Artikel aber extensiv auszulegen, da "das Fernbleiben von schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen Jugendliche in ihrer Entwicklung negativ beeinflussen kann" (Az: S 12 AS 421/14). In beiden Fällen ließen die Gerichte keine Berufung zu.

Ein weiterer Fall hätte ebenfalls guten Stoff für ein Sozialgericht geboten: Eine Mutter verlangte vom Jobcenter Mönchengladbach, die Kosten für ein Konfirmanden-Wochenende ihres Sohnes in Höhe von 65 Euro zu übernehmen. Das Jobcenter lehnte dies zunächst ab, "da es sich nicht um eine Leistung für Bildung und Teilhabe handelt". Dazu zählen zum Beispiel Kosten für Klassenfahrten oder Musikunterricht oder Vereinsbeiträge. Die Mutter legte Widerspruch ein - mit Erfolg. Nun will das Jobcenter doch die 65 Euro zahlen. Schließlich sind für andere begründete Ausnahmefälle auch Zuschüsse möglich. Alles andere hätte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, sehr überrascht: "Man wird ja nicht regelmäßig konfirmiert", sagt er.

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