Unterfranken:Arnstein trauert um die sechs toten Teenager

Lesezeit: 3 min

  • Der Tod der sechs Jugendlichen, die am Sonntag in einem Gartenhaus in Arnstein bei Würzburg entdeckt wurden, macht die Menschen in der kleinen Stadt fassungslos.
  • Woran sie starben, ist auch am Tag danach unklar. Hinweise auf ein Gewaltverbrechen in dem Gartenhaus gibt es nicht.
  • In der Stadtkirche ist für Montagabend eine Trauerstunde geplant.

Von Claudia Henzler, Arnstein

Als er am Sonntagmorgen immer noch nichts von seinen Kindern gehört hat, macht sich ein Vater auf zu seinem Gartenhäuschen. Dort wollten seine Tochter und sein Sohn zusammen mit vier Freunden eine Party feiern. In der Hütte findet der Vater alle sechs jungen Leute leblos vor. Verzweifelt ruft er den Notarzt, doch der kann nur noch feststellen, dass alle sechs wirklich tot sind. Woran die 18- und 19-Jährigen starben, ist auch am Tag danach unklar. In sozialen Netzwerken und manchen Medien wird derweil spekuliert. War es eine Kohlenmonoxidvergiftung, waren Drogen im Spiel oder sind die Jugendlichen womöglich freiwillig in den Tod gegangen?

Die Polizei betont, dass sie sich erst äußern werde, wenn sie sich sicher ist. "Wir wollen uns an überhaupt keinen Spekulationen beteiligen", sagt Björn Schmitt, Sprecher des Polizeipräsidiums Unterfranken. Das gebiete auch der Respekt den Angehörigen gegenüber. Für ein Gewaltverbrechen gibt es den Ermittlern zufolge jedenfalls keine Hinweise. Sie hoffen, durch eine Obduktion und "umfangreiche rechtsmedizinische Untersuchungen" Antworten zu bekommen.

Unterfranken
:Sechs Teenager tot in Gartenhaus bei Würzburg gefunden

Was bei der Party im Gartenhaus passierte, stellt die Polizei vor ein Rätsel. Für Familien und Freunde ist am Abend eine Trauerfeier geplant.

Was auch immer die Ursache war: Das Unglück, das sich in der Nacht auf Sonntag in Arnstein ereignete, etwa 25 Kilometer von Würzburg entfernt, macht die Menschen in der kleinen Stadt fassungslos. Es sind wenig mehr als 8000 Einwohner, fast jeder weiß hier, wer die Toten sind. Drei der Opfer kommen direkt aus Arnstein, drei aus Nachbargemeinden. Viele Arnsteiner kennen die Familien, manche waren am Sonntag selbst für den Rettungsdienst, die Freiwillige Feuerwehr oder die Kirche im Einsatz.

Im Rathaus hat am Montag der Zweite Bürgermeister Franz-Josef Sauer (CSU) Dienst und darf schon von Amts wegen nicht sprachlos sein. "Es ist für uns ein schwerer Schicksalsschlag, so viele junge Menschen zu verlieren", sagt er. "Es sind viele Bilder im Kopf, es fehlen oft die richtigen Worte." Auch ihm, der am Sonntag zum Unglücksort fuhr. "Dem betroffenen Vater in die Augen zu sehen - das kann man in keiner Schule lernen", sagt Sauer.

Arnsteins Altstadt ist denkmalgeschützt, die Kirche thront über den Häusern und Gassen. Das Rathaus, vor dem am Montag Trauerflor hängt, findet sich gleich unterhalb der Kirche, in direkter Nachbarschaft zu drei Lokalen. "Schrecklich" ist das Wort, das immer wieder fällt. Und oft bleibt es bei diesem einen Wort. "Ich habe selbst Kinder in dem Alter", erklärt ein Mann noch, dann eilt er davon.

"An so einem Abend will man nicht allein zu Hause sitzen"

Manch einer hat sich überlegt, ob er überhaupt rausgehen will, an so einem Tag. Weil man dann darüber reden muss. So erzählt es am Sonntagabend eine Frau, die sich dann doch entschlossen hat, mit ihrer Familie zum Italiener zu gehen. Zur Tragödie möchte sie nichts weiter sagen. Andere wiederum suchen den Austausch. Vor dem Jugendzentren, gleich oberhalb vom Rathaus, lehnt ein Heranwachsender am Geländer und wartet, ob sich noch was tut. Er habe gehofft, hier jemanden zu finden, mit dem er über die Ereignisse reden kann, sagt er. "An so einem Abend will man nicht allein zu Hause sitzen." Doch die Fenster sind dunkel, die Tür geschlossen.

Die Hütte, in der die Jugendlichen gestorben sind, liegt etwas außerhalb von Arnstein, auf dem Sommerberg. Vom Ort sind es nur ein paar hundert Meter den Berg hinauf. Dort oben, umgeben von Feldern und etwa einen Kilometer von der Straße entfernt, finden sich ein paar private Areale, viele sind bewaldet. Es ist recht einsam hier, auf dem Nachbargrundstück wird Holz gelagert.

Der Unglücksort selbst ist dicht eingewachsen, der Zugang gesperrt. Vom Eingang aus kann man nur das Ziegeldach über dem Mauerwerk sehen. Weil das Gartenhäuschen mit einem Holzofen beheizt wurde, wird eine Kohlenmonoxidvergiftung als eine von mehreren möglichen Todesursachen genannt. Eine Lokalzeitung hatte in einer ihrer ersten Meldungen zu dem Fall vom "Verdacht auf Gasaustritt" geschrieben und sich dabei auf einen Feuerwehr-Kommandanten berufen. Der aber wollte das später nicht bestätigen.

Polizeisprecher Björn Schmitt betont, dass die Ermittler auch andere Möglichkeiten untersuchen. "Inwiefern der Ofen mit dem Tod in Zusammenhang steht, ist reine Spekulation", sagt er. Staatsanwaltschaft und Polizei wollen, dass alle sechs Toten sofort obduziert werden. Trotzdem könne es "einige Zeit" dauern, bis Ergebnisse vorliegen. Außerdem lassen die Ermittler das Blut der Jugendlichen daraufhin untersuchen, ob es "körperfremde Stoffe" enthält.

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In Arnstein ist die Rede davon, dass auf dem Sommerberg ein Geburtstag gefeiert wurde. Die Polizei bestätigt das nicht. Sie hält so viele Informationen wie nur möglich über die Opfer zurück, um die Angehörigen zu schützen. So gut das in einer so kleinen Stadt überhaupt geht.

Bei der schwierigen Aufgabe, die Angehörigen vom Tod ihrer Kinder zu verständigen, wurden die Polizeibeamten am Sonntag von den Pfarrern der örtlichen Kirchen und von Helfern der Notfallseelsorge unterstützt. Noch am Montagabend haben die örtlichen Seelsorger die Angehörigen und Freunde der Opfer zu einer ökumenischen Gebetsstunde in die Stadtkirche eingeladen. Und sie werden auch da sein, wenn die Familien noch längere Zeit Trauerbegleitung benötigen.

© SZ vom 31.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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