Drama:Revolution am Rechner

"Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen" erzählt von drei schwarzen Mathematikerinnen, die im weißen Jungs-Club der Nasa das Raumschiffprogramm geprägt haben.

Von Doris Kuhn

Theodore Melfis Film "Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen" erzählt, wie Afroamerikanerinnen bei der Nasa dazu beitrugen, die ersten Astronauten ins All zu schicken, und wie schwer sie es dabei hatten.

Ernährung der Familie? Männersache. Verantwortung? Männersache. Mathematik? Ha! Wenn es etwas gibt, das an Frauen vorübergeht, dann doch die höhere Bedeutung von Zahlen. So etwa ist die Geisteshaltung im Jahr 1961, in Virginia, bei der "National Aeronautics and Space Administration". Und um das Konfliktpotenzial noch ein wenig in die Höhe zu treiben, erzählt der Regisseur nicht bloß von den unterschiedlichen Facetten der Geschlechterdiskriminierung. Die Frauen, die hier die Männerdomäne infiltrieren, sind Afroamerikanerinnen, und schon hat man noch eine zusätzliche Ebene der Diskriminierung.

Der Filmemacher hat sich diese Geschichte nicht ausgedacht. Von Anfang an arbeiteten Frauen für die Nasa, tatsächlich befassten sie sich mit Zahlen im großen Stil. Sie galten als menschliche Rechenmaschinen, 1961 nannte man sie "Computer". Aber auf die üblichen Vorurteile hatte das wenig Einfluss. Melfis Film erzählt also ein Stück Zeitgeschichte, und zwar eines, das bisher keinen sonderlichen Bekanntheitsgrad hatte. Die drei Frauen, um die es ihm geht, sind Dorothy Vaughan, Katherine Johnson und Mary Jackson.

Hidden Figures Day 40

Eine schwarze Frau soll Raketen ins All schicken können? Die Mathematiker halten Katherine (Taraji P. Henson) automatisch für die Putzfrau.

(Foto: Hopper Stone/AP)

Wenn man über deren Tätigkeit bei der Nasa mehr wissen will, kann man das Sachbuch von Margot Lee Shetterly lesen, auf dem der Film beruht, das aber auch erst 2014 erschienen ist, lange nach den tatsächlichen Ereignissen.

Das Drama wurde für drei Oscars nominiert, auch als bester Film

Was es bedeutet, beladen mit den Attributen schwarz, weiblich, begabt, bei der Bundesbehörde für Raumfahrt zu arbeiten, in einem Staat, in dem die Rassentrennung noch weitgehend verankert ist, zeigt Theodore Melfi gleich zu Beginn. Katherine Johnson, bisher Teil einer Gruppe afroamerikanischer Mathematikerinnen, wechselt die Abteilung. Ihre Brillanz soll der "Space Task Group" helfen, den ersten bemannten Raumflug vorzubereiten, sie kommt also ins seinerzeit wichtigste Programm der Nasa. Katherine wird im schicken Teil des Geländes vor ihrem neuen Büro abgeliefert, wird schnell noch einmal abgemahnt, dann tritt sie durch die Tür, hinter der die Oberrechner sitzen. Der große Raum ist voller Schreibtische, und an jedem hockt ein Mann. Katherine, verschüchtert, Unterlagen im Arm, steht da wie ein Gefahrensucher, der das Risiko unterschätzt hat. Alle schauen sie an - dann schauen alle achtlos wieder weg. Nur einer geht hin und drückt ihr einen Papierkorb in die Hand. Es ist schwer, den weißen Herren zu erklären, dass Katherine nicht die Putzfrau ist. An ein mathematisches Talent glaubt sowieso niemand, aber schließlich wendet sich der neue Boss ihr zu und gibt ihr einen Arbeitsplatz. Alle anderen wenden sich ab.

Das klingt jetzt etwas düster, aber der Film ist das Gegenteil. Katherine und ihre Freundinnen Dorothy und Mary setzen sich zumindest über einen Teil der Hindernisse hinweg, die ihnen mal böswillig, mal aus bloßer Gewohnheit in den Weg gelegt werden. Sie tun das ziemlich scharfzüngig, und den Darstellerinnen Taraji Henson, Octavia Spencer und Janelle Monáe kann man hervorragend dabei zuschauen, wie sie aufsässig werden. Es ist nicht so, dass die drei Heldinnen die Rebellion strategisch suchen, sie sind keine Bürgerrechtsaktivistinnen. Aber sie stoßen auf Konfrontationen innerhalb eines Jobs, den sie besser beherrschen, als man es ihnen zugestehen will, also verteidigen sie ihre Position.

Man sieht auch, wie der Widerstand sich mit der Notwendigkeit von Weiterbildung verbindet. Dorothy klaut ein Buch mit Programmiersprache aus der Leihbücherei. Sie muss es stehlen, weil es in dem Teil der Bibliothek steht, den nur Weiße benutzen dürfen. Aber sie hat begriffen, dass die Zukunft bei den riesigen IBM-Rechenmaschinen liegt, die in den Büros der Nasa bislang von niemandem bedient werden können. Mary erstreitet sich ein Ingenieursstudium. Sie ist die Einzige, die an die Öffentlichkeit geht, bis vor Gericht, um dort gegen die Mischung aus Intoleranz und Furcht anzutreten, die sie an einer Karriere hindert.

Bei aller Politik ist "Hidden Figures" ein altmodischer Film. Er nutzt die Mechanismen des Unterhaltungskinos, macht die Zuschauer zornig, traurig, bringt sie zum Lachen. Theodore Melfi beweist außerdem, dass man Mathematik auf die Leinwand bringen kann, ohne langweilig zu sein. Er zeigt, was Mathematik kann, oder besser, was passiert, wenn sie versagt: Hitzeschilde fliegen durch Labore, Raketen explodieren, Astronauten sitzen in brennenden Raumkapseln. Das ist, als Kontrast zur Enge bei der Nasa, groß und beeindruckend, es ist das Filmemacher-Kunststück, Zahlen in Bilder zu verwandeln.

Die Geschichte dieser "Hidden Figures" liegt über fünf Jahrzehnte zurück, ihre Ziele sind trotzdem auch die Ziele der Gegenwart. Noch im Dezember lud Michelle Obama das Filmteam ins Weiße Haus, um mit dieser Geste Frauen in der Wissenschaft zu unterstützen. Und bei den Oscars ist das Werk in drei Kategorien nominiert, unter anderem als bester Film, was auch ein Zeichen der Veränderung bei dieser immer noch recht weißen Veranstaltung setzt.

Hidden Figures, USA 2016 - Regie: Theodore Melfi. Musik: Pharrell Williams. Mit Taraji P. Henson, Octavia Spencer, Janelle Monáe, Kevin Costner, Kirsten Dunst, Jim Parsons. Fox, 127 Minuten.

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