Grüne mit Drang ins Kanzleramt:Einmal nur wie Angie werben

Angela Merkel ließ sich für einen CDU-Wahlwerbespot im Kanzleramt filmen - jetzt pochen die Grünen auf Gleichberechtigung. Die Geschichte eines absurden Briefwechsels.

Michael König, Berlin

So einfach geht es nicht. Man kann nicht am Zaun rütteln, und schwupps, öffnen sich die Tore des Bundeskanzleramts. Das hat Gerhard Schröder (SPD) lernen müssen, der erst Jahre später Einlass erhielt. Die gleiche Erfahrung machen jetzt die Grünen.

Die Öko-Partei will nicht ins Kanzleramt einziehen, ein Besuch würde ihr schon reichen. Sie würde dort gerne einen Wahlwerbespot drehen. Das hat die CDU schließlich auch gemacht. Für die Parteien muss Gleichberechtigung herrschen, so steht es im Parteiengesetz.

Also schreibt der Wahlkampfmanager der Grünen, Rudi Hoogvliet, ein Fax an die Bundeskanzlerin. Er bittet um einen Termin in "geeigneten Räumlichkeiten mit Blick auf Reichstag und Paul-Löbe-Haus" und entschuldigt sich für das kurzfristige Anliegen: "Auf die - sehr überraschende - Möglichkeit, das Kanzleramt zu Wahlwerbezwecken zu nutzen, sind wir jedoch erst durch den neuen Wahlwerbespot der CDU aufmerksam geworden."

In besagtem Video ist Merkel zu sehen, wie sie durch die Fenster ihres Büros auf den Reichstag blickt - und ihre Karriere Revue passieren lässt. "Gemeinsam können wir viel erreichen", sagt die Kanzlerin zum Schluss.

Hoogvliet erreicht mit seinem Fax Beate Baumann, die Büroleiterin der Kanzlerin. Es ist der Beginn eines regen Briefwechsels, der inzwischen zwölf DIN-A4-Seiten umfasst - und viele Giftpfeile, verpackt in höfliches Beamtendeutsch.

Baumann antwortet, die Kanzlerin habe "natürlich großes Verständnis für die so kurzfristige Äußerung" des Wunsches nach einem Drehtermin und "nimmt deshalb selbstverständlich auch Ihre Entschuldigung" an. Allerdings sei es noch nicht sicher, "ob bzw. ggf. wann und in welchem Rahmen Ihrer Bitte entsprochen werden kann. Zu viele Fragen sind dazu leider noch offen."

Die Büroleiterin will wissen, ob die Grünen eine "ähnlich gelagerte Bitte" in den Wahlkämpfen 2002 und 2005 auch schon an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gerichtet hätten: "Hier dürfte sicher eine Art Präzedenzfall vorliegen, an dem wir uns zumindest grundsätzlich orientieren können."

Und sie äußert weitere Bedenken: Die Kanzlerin müsse in dem Grünen-Wahlspot mitspielen, schreibt Baumann. Das sei "kaum zu umgehen", weil Merkel "beruflich mit den Räumlichkeiten verbunden" sei. Das wiederum berühre "natürlich ganz zwangsläufig konzeptionell-inhaltliche Fragen, die abzustimmen wären". Grundsätzlich gibt sich Baumann aber "überzeugt, dass die Terminfindung völlig unkompliziert vorgenommen werden könnte, falls sich eine positive Entscheidung Ihres Antrages grundsätzlich als möglich erweisen sollte".

Auf der nächsten Seite: Baumann verlangt eine Rolle für Angela Merkel in dem Grünen-Spot. Hoogvliet lehnt dankend ab.

Zur bloßen Hülle degradiert

Hoogvliet gibt sich daraufhin "hocherfreut, dass Sie unseren Gleichbehandlungsanspruch nunmehr auch mit Ihrem Hinweis unterstützen, dass bereits andere Parteien, konkret die SPD, das Kanzleramt zum Drehen von Wahlwerbespots in der Vergangenheit nutzen konnten". Der Grünen-Wahlkampfmanager muss zugeben, dass ihm das "tatsächlich nicht mehr präsent" gewesen sei.

Warum die damalige Opposition - also auch die Union - nicht auf die Idee gekommen sei, auf ihr "Gleichbehandlungsrecht" und einen Spot im Kanzleramt zu pochen, vermag er nicht zu sagen: "Ob sie etwa ein wenig verschlafen war und es deshalb versäumt hat, entsprechend unserem jetzigen Anliegen vorzugehen, entzieht sich unserer Kenntnis. Sie sollten dieses in der Bundesgeschäftsstelle der CDU erfragen."

Für Baumanns "freundliche Andeutung", die Bundeskanzlerin persönlich könne in dem Grünen-Werbespot mitspielen, bedankt sich Hoogvliet - lehnt aber ab: Es gebe "die begründete Vermutung, dass sie nicht für die Inhalte steht, die Bündnis 90/Die Grünen vertreten. Deshalb kommt sie als Werbeträgerin für uns nicht in Frage. Damit erübrigt sich aus unserer Sicht auch die Abstimmung konzeptionell-inhaltlicher Fragen."

Damit wähnt sich Hoogvliet am Ziel und bittet Baumann erneut um einen Drehtermin. Doch die Büroleiterin lässt nicht locker, der Schriftverkehr geht weiter. Ein Werbespot ohne die Mitwirkung der Kanzlerin, "oder zumindest eines Vertreters der Leitung des Bundeskanzleramtes" würde das Kanzleramt zu einer "bloßen 'Hülle', jedenfalls aber zu einer Kulisse degradieren", schreibt Baumann. Hoogvliet lenkt daraufhin ein: "Wenn Sie, sehr verehrte Frau Baumann, aber unbedingt mitspielen möchten, ließe sich das sicher machen."

In einem anderen Punkt ist hingegen keine Einigung in Sicht: Sie verweist auf ein Youtube-Video, das die Grünen produziert haben. Es zeigt den Merkel-Spot der CDU - mit einer veränderten Tonspur.

Baumann schreibt: "In Ihren Schreiben haben Sie betont, dass sie erstens inhaltlich einen Spot drehen möchten, der die Programmatik der Partei Bündnis 90/Die Grünen wiedergibt, ihr zumindest nicht entgegensteht, und dass Ihnen dabei zweitens insbesondere Bilder mit Blick auf den Reichstag und das Paul-Löbe-Haus wichtig sind." Beide Ziele scheinen ihr "unzweifelhaft mit dem von Ihnen bearbeiteten Spot erfüllt zu sein".

In dem manipulierten Spot legen die Grünen der Kanzlerin unter anderem in den Mund: "Ich sehe mich gerne als Kanzlerin. Dann muss ich nur hier sein und alles aussitzen. Gemeinsam können wir viel verhindern." Der Spot endet mit dem Slogan "Wir haben die Atomkraft", einer Verballhornung des Original-CDU-Spruchs "Wir haben die Kraft."

"Vor diesem Hintergrund", schreibt Baumann, "bitte ich um Verständnis, dass ich die hohe Dringlichkeit Ihres Antrages nicht erkennen kann." Die Tore des Kanzleramts bleiben für die Grünen vorerst geschlossen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: