Europäische Union:Europas Christdemokraten erteilen der Türkei eine Absage

A European Union and Turkish flag fly outside a hotel in Istanbul

Die Christdemokraten im Europaparlament erteilen einer EU-Mitgliedschaft der Türkei eine Absage.

(Foto: REUTERS)
  • Die Christdemokraten im Europäischen Parlament wollen eine Union ohne die Türkei. Statt vollwertiges Mitglied soll das Land "Teil eines Rings von Partnern" sein.
  • In einem Grundsatzpapier fordern sie zudem eine kleinere Kommission und die Beibehaltung von zentralen Errungenschaften.
  • Nicht mehr oder weniger Europa, sondern eine bessere Zusammenarbeit zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten müsse die Antwort auf den Brexit sein.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Die Aussichten sind düster. In wenigen Wochen erklärt Großbritanniens Premierministerin Theresa May in Brüssel offiziell den Austrittswunsch ihres Landes. Hinzu kommt eine enorme Unsicherheit, ausgelöst von einer US-Regierung, die auf den Zusammenbruch der Europäischen Union hinzuarbeiten scheint. Beides verleiht allerdings der Diskussion über die Zukunft der EU Auftrieb. Europa sei "unsere Lebensversicherung in einer sich dramatisch veränderten Welt", heißt es im Entwurf eines Fünf-Punkte-Papiers der Christdemokraten im EU-Parlament, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Er sieht die deutliche Stärkung einer verkleinerten EU-Kommission vor und erteilt einer EU-Mitgliedschaft der Türkei eine Absage.

Der freie Verkehr von Waren, Kapital und Menschen ist nicht verhandelbar

Die Christdemokraten, die im EU-Parlament die stärkste Fraktion stellen, fordern wesentliche Umbauten im EU-Gefüge. So soll der Ministerrat, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind, ähnlich dem Bundesrat in Deutschland zu einer zweiten Parlamentskammer werden. Die EU-Kommission soll "aktiver als Hüter der Verträge und der korrekten Umsetzung der EU-Regeln handeln". Die im Lissabon-Vertrag vorgesehene Verkleinerung der EU-Kommission soll verwirklicht werden. Das würde dazu führen, dass nicht mehr alle EU-Staaten einen eigenen Kommissar stellen.

Keinerlei Hoffnung mehr auf Mitgliedschaft wollen die Christdemokraten der Türkei machen. "Nur Länder, die geografisch größtenteils zu Europa gehören, können die EU-Mitgliedschaft erhalten", heißt es in dem Papier. Die Türkei könne "keine volle EU-Mitgliedschaft erhalten, weil das heikel sowohl für die Europäische Union als auch für die Türkei selbst wäre". Vielmehr solle das Land "Teil eines Rings von Partnern" um die EU herum werden, zusammen mit anderen Staaten ohne Aussicht auf einen EU-Beitritt.

Nicht mehr oder weniger Europa, sondern ein besseres Europa

Im Inneren wollen die in der Europäischen Volkspartei (EVP) zusammengeschlossenen Christdemokraten und Konservativen keine Abstriche an den zentralen Errungenschaften der EU dulden. Der freie Verkehr von Waren, Kapital, Dienstleistungen und Menschen sei "nicht verhandelbar" und Voraussetzung für den Zusammenhalt Europas. "Wir akzeptieren keine Rosinenpickerei eines Landes auf Kosten eines anderen", heißt es. Die Antwort auf den Brexit sei "nicht mehr oder weniger Europa, sondern eine bessere Zusammenarbeit der Europäischen Union mit ihren Mitgliedstaaten". Durch konsequente Mehrheitsentscheidungen müssten Blockaden vermieden werden.

Das Papier ist Teil zahlreicher Überlegungen im Vorfeld der Feier zum 60-jährigen Jubiläum der Unterzeichnung der Römischen Verträge Ende März. Das EU-Parlament stimmt kommende Woche über drei Berichte zur Zukunft der EU ab. Einer der Berichterstatter, der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, warnte davor, in der jetzigen skeptischen Stimmung Vertragsänderungen und die Einberufung eines Konvents zu fordern. "Wir müssen den Vertrag von Lissabon bis zum letzten Punkt ausschöpfen", sagte er.

Ein Vorstoß von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für ein Europa der "mehreren Geschwindigkeiten" stieß auf Kritik der Sozialdemokraten im EU-Parlament. Nicht alle müssten an den gleichen Integrationsstufen teilnehmen, hatte Merkel gesagt. Fraktionschef Gianni Pittella sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei "absolut inakzeptabel", wenn so "eine Art Luxusklub der leistungsstärksten nordeuropäischen Länder gegen die nicht so wohlhabenden Länder im Süden" geschaffen werden solle.

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