Untergiesing:Nur Zeit zum Durchwinken

Lokalpolitiker wollen in aller Ruhe "Wohnen für alle"-Projekt beraten

Von Julian Raff, Untergiesing

Von einer "Untergiesing first!"-Initiative spricht der Bezirksausschuss-Vorsitzende Clemens Baumgärtner (CSU) natürlich nur inoffiziell und ironisch. Die Belastbarkeitsgrenze des Viertels will er den Stadtoberen aber ganz im Ernst aufzeigen, auch wenn das Gremium Untergiesing-Harlaching im Fall eines Sozialprojekts an der Wilhelm-Kuhnert-Straße nun eine etwas verbindlichere Gangart gewählt hat als die von ihm vorgeschlagene. Auf einem 900 Quadratmeter großen Areal will die Stadt im Programm "Wohnen für alle" per Erbbaurecht ein vierstöckiges Gebäude errichten, je zur Hälfte reserviert für einkommensschwache Mieter und anerkannte Flüchtlinge.

Die Nachbarschaft besteht aus vergleichbar hohen Mehrfamilienhäusern und liegt ruhig zwischen der relativ stark befahrenen Schönstraße und den Isarauen. Baumgärtner sieht das städtische Grundstück indes als ideale Alternative für den Kindergarten St. Franziskus, der aus seinem maroden Containerbau auf dem Candidplatz dorthin ziehen könnte. Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im September 2016 eine in erster Instanz erfolgreiche Klage gegen die Betriebsgenehmigung abgewiesen hatte, wäre ein erneuerter Kita-Bau dort zwar rechtlich möglich, zum Idealstandort wird der graue, vom Verkehr umbrandete Platz damit aber noch lange nicht.

Ohnehin rasch umziehen müsste der Kindergarten, falls der Candidplatz während des anstehenden Gasteig-Umbaus den Ausweichbau für die Philharmonie beherbergen sollte. Anstatt weiteren, womöglich schwerer integrierbaren Zuzug ins Viertel zu fördern, solle die Stadt freie Grundstücke lieber dem Bedarf der jetzigen Bewohner widmen, fordert Baumgärtner, der einen "Wohnen für alle"-Bau dort rundweg ablehnt. Mit CSU-Sprecher Andreas Babor hatte er einen entsprechenden Antrag eingebracht, ohne jedoch die übrigen Fraktionen informiert zu haben.

Die von Christa Knappik (SPD) vermisste schriftliche Vorlage habe er den Kollegen gar nicht vorenthalten können, erklärte dazu Baumgärtner, da die BA-Vorsitzenden im Zuge eines neuen "Kommunikationskonzeptes" über solche Vorhaben nur noch telefonisch informiert würden. Ungeachtet des von ihr als unfair kritisierten Vorsprungs für die CSU-Fraktion brachte Knappik alternativ eine gemischte Nutzung ins Gespräch, mit Kita im Erdgeschoss und "Wohnen für alle" darüber. Ein Vorschlag, den Sebastian Weisenburger auch im Namen seiner Grünen-Kollegen ausdrücklich guthieß. Babor warnte dagegen, der BA müsse dem aktuellen Plan ohne Kita so oder so widersprechen, da er "zum Durchwinken konzipiert" sei und ohne Einspruch rasch umgesetzt werde. Auf Vorschlag von Wilhelm Hanseder (SPD) fordern die Stadtteilpolitiker die Referate nun einstimmig auf, das Projekt solange ruhen zu lassen, bis der BA über ein Alternativkonzept beraten hat.

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