Fehlende Aushilfskräfte:Die große Leere an Münchner Schulen

Bavarian International School in München, 2016

Kinder laufen durch das Treppenhaus einer Münchner Grundschule.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Langsam gehen in der Landeshauptstadt die Lehrer aus: "Die mobile Reserve ist leer", sagt Schulamtsleiterin Alexandra Brumann.
  • Viele Lehrer seien in Pension gegangen, andere werden krank.
  • Gravierender wirkt sich aber die höhere Geburtenrate auf die Personalsituation aus: Immer mehr Kinder gehen zur Schule - und Lehrerinnen und Lehrer bekommen selbst Kinder und nehmen Elternzeit.

Von Melanie Staudinger

Faschingsferien - für die Leiter der Münchner Grund- und Mittelschulen sind sie in diesem Jahr ein besonders willkommener Segen, eine einwöchige Verschnaufpause von all dem Ärger und dem Improvisieren der zurückliegenden Monate. In diesem Jahr, da sind sich alle Beteiligten einig, ist der Personalmangel an den Schulen besonders eklatant. Schwangerschaften, Langzeiterkrankte, Grippewelle und nun auch noch zahlreiche Pensionierungen: Langsam gehen in der Landeshauptstadt die Lehrer aus. "Die mobile Reserve ist leer", sagt Schulamtsleiterin Alexandra Brumann. Fällt eine Lehrkraft aus, müssen sich die Rektoren selbst um Ersatz kümmern, denn die Aushilfskräfte sind längst verplant.

Heuer ist die Situation an Münchens Schulen besonders gravierend. An der Grundschule Berg am Laim zum Beispiel fällt die Lehrerin der Übergangsklasse, in der Kinder unterrichtet werden, die kein Deutsch können, wegen ihrer Schwangerschaft noch bis Pfingsten aus. Rektor Michael Hoderlein blieb nichts anderes übrig, als die betroffenen Schüler auf die übrigen Klassen zu verteilen. "Das ist nicht schön, weil die Kinder eine enge Betreuung bräuchten", sagt er. Aber es ist machbar, und damit müssen Schulleiter in diesen Tagen schon zufrieden sein. Einen einzigen Ausfall könnte Hoderlein in seiner großen Schule, die mehrere Parallelklassen pro Jahrgang hat, noch verschmerzen. "Aber was passiert, wenn mir noch jemand krank wird oder schwanger?", fragt er.

400 Lehrkräfte in ganz Bayern seien zum Halbjahr in den Ruhestand gegangen, prangerte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unlängst an und fing sich damit prompt Kritik vom Kultusministerium ein. Die vielen Flüchtlinge hätten den Bedarf an Lehrern erhöht, dennoch sei die Unterrichtsversorgung sichergestellt, rechtfertigt sich das Ministerium.

In München gingen aktuell lediglich 21 Lehrer in Ruhestand, wie das Schulamt bestätigte. "Das alleine wäre nicht das Problem", sagt Brumann. Schließlich seien Pensionierungen weit im Voraus bekannt, in ihrem letzten Jahr unterrichteten diese Lehrer aus organisatorischen Gründen keine ersten oder Abschlussklassen mehr.

Wesentlich dramatischer wirke sich jedoch die hohe Geburtenrate in München aus, sagt Brumann. Die hat nämlich zweierlei zur Folge: Es gibt nicht nur immer mehr Kinder, die in die Schule kommen. Lehrerinnen bekommen auch selbst Babys und bleiben eine Zeit lang zu Hause. Oder Lehrer werden Vater und nehmen Elternzeit. Dazu kommen besondere Schutzbestimmungen für Schwangere: Um den Fötus zu schützen, bekommen sie oftmals ein Beschäftigungsverbot - entweder weil sie gegen bestimmte Krankheiten nicht immun oder nicht geimpft sind oder weil es zum Beispiel Grippe-Fälle an der Schule gab.

Wie viele Pädagogen derzeit an den 134 Grund- und 44 Mittelschulen in München konkret wegen Mutterschutz, Elternzeit oder Krankheit fehlen, darüber führt das Schulamt nicht Buch. Dass es aber zu Engpässen kommen würde, sei schon zu Schuljahresbeginn absehbar gewesen, sagt Brumann.

Alexandra Brumann, 2014

Schulamtsleiterin Alexandra Brumann muss den Mangel verwalten.

(Foto: R. Haas)

"Alle Bewerber wurden eingestellt." Das sei gut für den Lehrernachwuchs, der sich nicht länger um seine Zukunft sorgen müsse. Allerdings führe eine solche Situation in der Praxis zu erheblichen Problemen - weil es dann niemanden mehr gibt, den man im Notfall während des laufenden Jahres verpflichten kann.

In Grund- und Mittelschulen gilt, anders als in Realschulen und Gymnasien, das Klassleiterprinzip: Ein Lehrer betreut eine Klasse. Erkrankt er, fallen konsequenterweise alle Stunden aus. "Im Idealfall kommt jemand aus der mobilen Reserve", sagt Brumann. Das ist ein Pool von Aushilfslehrern, doch der ist mittlerweile leer. Also werden die jeweiligen Schüler erst einmal auf Parallelklassen aufgeteilt. Dort sitzen dann statt 20 auch mal 25 Kinder.

Das Schulamt kann zwar Quereinsteiger befristet beschäftigen, doch auch hier hält sich der Andrang in Grenzen. Entweder bewerben sich Kandidaten aus anderen Bundesländern von selbst. Oder Grundschullehrer, die das erste, aber noch nicht das zweite Staatsexamen abgelegt haben, werden eingestellt - das geht für maximal ein halbes Jahr. In der Mittelschule können Gymnasiallehrer unterrichten, dafür könnten theoretisch Mittelschullehrer in vierte Klassen der Grundschule geschickt werden - ein Stühlerücken, bis es irgendwie passt.

Nachdem das bayerische Kultusministerium in den vergangenen Jahren bereits großzügig Teilzeit-Verträge wieder aufgestockt hat, sucht es heuer Hilfe bei Lehrern, die bereits Vollzeit arbeiten. Bis Schuljahresende könnten diese drei Stunden pro Woche mehr arbeiten und diese dann im kommenden Schuljahr wieder abbauen, so lautet der Vorschlag, der an alle Schulämter verschickt worden ist und der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Bis Ende vergangener Woche sollten die Schulämter ihre Kandidaten melden. Dem Vernehmen nach haben sich in München nicht viele gemeldet. Die Schulen müssen also weiter improvisieren und hoffen, dass bald wieder alle Lehrer an Bord sind.

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