Demonstration in Petershausen:Verzweifelter Appell

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Fast alle afghanischen Asylsuchenden müssen in diesen Wochen mit Ablehnungsbescheiden rechnen. 100 Helfer und Flüchtlinge protestieren in Petershausen gegen die drohende Abschiebung in Krieg, Terror und Angst

Von Viktoria Großmann, Petershausen/Dachau

Etwa 100 Menschen haben sich am Sonntagnachmittag bei Sonnenschein auf dem Platz vor der Sparkasse in Petershausen eingefunden. Darunter etwa 40 Flüchtlinge, die in Petershausen und in Weichs leben und zum größten Teil aus Afghanistan stammen. "Keine Abschiebung nach Afghanistan!", steht auf Tafeln, die sie in die Höhe recken. In diesen Wochen erhalten viele Flüchtlinge im Landkreis Ablehnungsbescheide auf ihre Asylanträge. Sie betreffen fast alle Afghanen; die Bundesregierung hat im Oktober ein Abkommen mit dem Land geschlossen. Seither breitet sich unter den Asylsuchenden im Landkreis Angst aus. Und die Helferkreise beziehen eindeutig Stellung: "Afghanistan ist kein sicheres Land."

Alle Helferkreise im Landkreis bekennen sich zur sogenannten Tutzinger Resolution, die Ehrenamtliche aus ganz Oberbayern auf einem Treffen im Januar formuliert haben. Sie sprechen sich gegen Abschiebungen nach Afghanistan aus und fordern, dass abgelehnten Asylsuchenden nicht sofort die Arbeitserlaubnis entzogen wird. Zudem dürfe die Arbeitserlaubnis nicht an der Anerkennungsquote festgemacht werden. Dieser "bayerische Sonderweg" sei "völlig inakzeptabel". Auch der Zugang zu Bildungsangeboten und Ausbildung dürfe nicht begrenzt werden. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, beteiligten sich Helfer aus Petershausen, Dachau, Karlsfeld, Markt Indersdorf und Bergkirchen am Samstag an einer Sternfahrt nach München. Etwa 1000 Ehrenamtliche fanden an der Bavaria auf der Theresienwiese zusammen. Ein Gruppenbild sollte ihre Stärke veranschaulichen. "Die Treppe reichte nicht aus für die vielen Menschen", berichtet eine Ehrenamtliche aus Karlsfeld. Die Tutzinger Resolution soll zusammen mit dem Foto Innenminister Joachim Herrmann (CSU) überreicht werden.

Auf Deutsch, Englisch und Dari tragen die afghanischen Flüchtlinge in Petershausen ihre Bitten vor. Sie gelten unter den Helfern als eine der am besten integrierten Flüchtlingsgruppen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Sein Studienplatz schützt den 27-jährigen Ahmad nicht vor der Abschiebung

Die Demonstration in Petershausen haben die Flüchtlinge selbst organisiert. Angeführt von Ahmad Navid. Der 27-Jährige beginnt im Frühjahr das dritte Semester seines Masterstudiengangs zum Bauingenieur an der Hochschule München. Den Bachelor hat er dank eines Stipendiums in Kasachstan gemacht. Innerhalb von sieben Monaten habe er fließend Deutsch gelernt, lobt ihn Bärbel Jacob vom Helferkreis auf der Kundgebung. Doch weder sein Studienplatz noch sein Job als Werkstudent schützen Navid derzeit vor einer Abschiebung. Noch hat er keinen Bescheid erhalten. Auch der 28-jährige Sohrab wartet nervös auf eine Nachricht. Er hat einen Bachelor in Mathematik, berichtet er in fließendem Englisch. Derzeit jobbt er als Reinigungskraft, täglich fährt er dafür nach München. Sein Deutsch ist noch nicht gut genug, um weiter zu studieren.

"In Afghanistan herrschen Krieg, Bedrohung, Gewaltherrschaft, Terror und Angst", ruft indessen Murat der Menge zu. Er hat sich auf Deutsch Stichpunkte auf einem Zettel gemacht und liest aufgeregt vor. "Wir konnten entweder für die Taliban kämpfen oder wir konnten fliehen." Jene, die behaupten, dass Afghanistan sicher sei, fragt er: "Wo denn? Sagt bitte, wo ist es sicher?" Auf ihren Plakaten haben die Flüchtlinge Fakten über Afghanistan aufgeschrieben. Mit ihren Bitten und Forderungen wenden sie sich an Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). "Wir können nicht zurück. Wir wollen auch nicht in ein anderes Land. Wir sind freundliche Leute", sagt Murat. Die Petershausener Helfer sind entschlossen, gegen jeden ablehnenden Bescheid Rechtsmittel einzulegen.

Der Student Ahmad Navid (Mitte) hat die Demonstration organisiert. Joachim und Bärbel Jacob vom Helferkreis sind entschlossen, gegen Abschiebungen vorzugehen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Obwohl nur einer der in Markt Indersdorf lebenden Flüchtlinge Afghane ist, schreiben sich auch die Helfer dort die Forderungen der Resolution auf die Fahnen. Georg Weigl war an dem Treffen in Tutzing beteiligt. Hoffnung hat er für den einzigen Afghanen unter seinen Flüchtlingen: Der junge Mann soll zurückkehren, doch ein Bäcker möchte ihn als Lehrling anstellen. Wenn das Bamf das erlaubt, hätte er Aussicht, die drei Lehrjahre und zwei Arbeitsjahre bleiben zu dürfen. Ein Hoffnungsschimmer.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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