Aktionstag gegen Raserei:Das müssen Sie über den Blitzmarathon wissen

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Geschwindigkeitskontrolle an der A 95 in München: Bayern ist beim diesjährigen Blitzmarathon besonders eifrig dabei. (Foto: Hartmut Pöstges)
  • Am Mittwoch, 19. April, findet der nächste Blitzmarathon statt.
  • Diesmal sind nur noch acht Bundesländer dabei. Die acht anderen verzichten, darunter mit Nordrhein-Westfalen sogar der einstige Initiator.
  • Dafür schickt Bayern diesmal etwa 1900 Polizisten auf die Jagd nach Temposündern.

Von Thomas Harloff

60 statt 50, 120 statt erlaubter 100 km/h? An diesem Mittwoch sollten Auto-, Motorrad- und Lastwagenfahrer ihren Tacho besonders streng im Blick behalten. Und zwar nicht nur wegen des zurückgekehrten Winters. Am 19. April findet der diesjährige Blitzmarathon statt. Dabei kommt der einst bundesweite Aktionstag diesmal sehr abgespeckt daher.

Welche Bundesländer sind dabei, welche nicht?

Nachdem vor zwei Jahren noch 15 Länder teilgenommen hatten, sind es diesmal nur noch acht. Hessen, Bayern, Sachsen, Thüringen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Bremen und das Saarland kontrollieren am Mittwoch in größerem Umfang als sonst die Geschwindigkeit auf ihren Straßen. Alle anderen verzichten darauf, ihre Polizisten und kommunalen Mitarbeiter mitmachen zu lassen. Fast alle begründen das mit der angespannten Personallage in den Polizeidienststellen.

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Kommentar von Thomas Harloff

Nicht einmal Nordrhein-Westfalen, dessen Innenminister Ralf Jäger den Blitzmarathon 2012 initiierte, ist dabei. Die NRW-Polizei erklärt das mit dem Bundesparteitag der AfD am 22. und 23. April in Köln, bei dem zwischen 30 000 und 50 000 Demonstranten erwartet werden und auf den sie sich intensiv vorbereiten müsse.

Wann startet und endet der Blitzmarathon?

In den meisten teilnehmenden Bundesländern fängt der Blitzmarathon um sechs Uhr morgens an. Nur in Bremen und Sachsen sind die Polizisten bereits von Mitternacht an im Einsatz. Wann er endet, variiert von Land zu Land: Hessen stellt seine Kontrollen bereits um 22 Uhr ein, Sachsen und Bremen bauen ihre Messstellen erst um 0 Uhr ab. Während Thüringen keine konkreten Zeiten nennen möchte und lediglich verlauten lässt, dass dort "ganztägig" geblitzt wird, bleiben die Polizisten in Bayern, Brandenburg und im Saarland bis Donnerstag, 6 Uhr, im Einsatz.

Gibt die Polizei die Messstellen wieder vorab bekannt?

Manche ja, andere nein. Während Sachsen, Bremen und das Saarland mauern, gehen Bayern, Hessen, Brandenburg und Thüringen transparent mit dem Blitzmarathon um. Auf diesen Internetseiten steht, wo und zu welchen Zeiten verstärkt das Tempo kontrolliert wird:

Bayern: www.stmi.bayern.de

Hessen: www.polizei.hessen.de

Brandenburg: www.polizei.brandenburg.de

Thüringen: www.thueringen.de/th3/polizei

Wer den Aufwand der jeweiligen Bundesländer vergleicht, könnte auf den Gedanken kommen, dass nur Bayern den Blitzmarathon in diesem Jahr ernst nimmt. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) schickt etwa 1900 Polizisten an ebenso viele Messstellen. Zum Vergleich: Die Brandenburger Polizei wird nur ungefähr 200 Kontrollpunkte einrichten. Thüringen will den Blitzmarathon sogar "ohne zusätzlichen Kräfteaufwand" stemmen. Auch Bremen führt im Vergleich zu den Vorjahren eine abgespeckte Variante durch.

Was soll der Blitzmarathon bezwecken?

"Es geht uns nicht darum, möglichst viele Autofahrer zur Kasse zu bitten", sagt Herrmann. Stattdessen wolle die Polizei das Problembewusstsein der Autofahrer für zu hohe Geschwindigkeit schärfen. Denn noch immer ist diese hierzulande die Unfallursache Nummer eins. In Bayern stieg die Zahl der dadurch getöteten Verkehrsteilnehmer von 2015 zu 2016 sogar signifikant um 21,5 Prozent an (von 177 auf 215). "Offenbar sind immer noch zu viele Unbelehrbare unterwegs", beklagt Herrmann. Sein Ministerium hat vor allem Bayerns Landstraßen als Problemzonen ausgemacht, weshalb dort besonders stark kontrolliert werden soll.

Hat der Blitzmarathon einen positiven Effekt?

Wer auf die Statistiken blickt, muss mit "nein" antworten - siehe Bayern. In Brandenburg ist zwar die Zahl der Verkehrstoten durch geschwindigkeitsbedingte Unfälle zurückgegangen (von 75 auf 35), dafür stieg die Zahl der Verletzten und Schwerverletzten teils deutlich. Nachhaltig sensibilisiert sind die notorischen Temposünder für das Thema also nicht. Um diese zu erreichen und bestenfalls zu bekehren, helfe keine konzertierte Aktion im PR-Gewand, sondern nur ständiger Kontrolldruck, sagen Verkehrspsychologen. Der sei wegen der angespannten Personalsituation bei der Polizei und in der Verkehrsüberwachung der Kommunen aber nicht aufrechtzuerhalten.

Auch die Tatsache, dass die Zahl der Verkehrstoten (3214) in ganz Deutschland im vergangenen Jahr so niedrig war wie noch nie, hat für Experten andere Gründe - nämlich das schlechte Wetter im Frühjahr. Bei widrigen Bedingungen wird vorsichtiger und langsamer gefahren, weshalb Unfälle meist glimpflicher ausgehen. Außerdem bleiben dann die Motorräder in der Garage.

Was halten die Automobilclubs vom Blitzmarathon?

Der ADAC befürwortet die Aktion grundsätzlich, würde sich aber wünschen, das Hauptaugenmerk auf gewohnheitsmäßige Raser statt gestresste Berufspendler zu legen. "Dazu sollte vor allem nachts, an Wochenenden und auf Motorradstrecken kontrolliert werden", heißt es in einer Mitteilung. Die massenhafte Ahndung geringfügiger Überschreitungen im Berufsverkehr fülle zwar die Staatskassen, würde jedoch nur wenig zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen. Der Autofahrer-fokussierte Club "Mobil in Deutschland" fordert dagegen, den Blitzmarathon abzusagen. Die Polizei fehle an Stellen, "wo man sie eigentlich dringender braucht", sagt Präsident Michael Haberland. Ob der hohe Personaleinsatz den gewünschten Umdenkungseffekt und die angepriesene Nachhaltigkeit bringe, sei äußerst fraglich.

2016 gab es den Blitzmarathon europaweit. Und diesmal?

Während Deutschland die Lust am Blitzmarathon zu verlieren scheint, wird er europaweit sogar intensiviert. Auf Initiative des europäischen Verkehrspolizei-Netzwerks Tispol findet seit dem 17. und noch bis zum 23. April in 22 Ländern der "Speed-Marathon" statt. Daran nehmen auch viele jener deutschen Landesbehörden teil, die auf den deutschen Blitzmarathon verzichten - allerdings in überschaubarem Ausmaß. Die Kontrollstellen stehen vor allem an Unfallschwerpunkten und anderen neuralgischen Stellen.

Wie fällt die Bilanz des Blitzmarathons 2016 aus?

Im vergangenen Jahr wurden am 21. April etwa zwei Millionen Fahrzeuge kontrolliert - davon fuhren ungefähr 72 000 zu schnell. Die Raser-Quote betrug demnach 3,6 Prozent; im Jahr zuvor waren es nur 2,8 Prozent gewesen. An normalen Tagen sind der Polizei zufolge etwa sechs Prozent aller Auto-, Motorrad- und Lastwagenfahrer zu schnell unterwegs. Auch das zeigt: Für den Tag des Blitzmarathons funktioniert die Sensibilisierung der Raser ganz gut. Den Rest des Jahres leider nicht.

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