Kickboxen:Demut und Kampf

Der neue französische Präsident Emmanuel Macron folgt mit seinem Fitnessprogramm einem Trend.

Von David Pfeifer

Neben seiner politischen Kompetenz liefert Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron einiges Futter für die Klatschblätter. Quasi als erweiterte Berufsbezeichnung wird in Macron-Beschreibungen gerne erwähnt, dass er Kickboxen betreibt. In Deutschland gilt das als abseitiges Hobby für Türsteher. Zum Aufbau eines positiven Images hat sicher nicht beigetragen, dass der weltweit berühmteste Kickboxer, Jean-Claude van Damme, in seinem Filmhit "Bloodsport" von 1988 die Zuschauer glauben machte, dass man beim Kickboxen die Fäuste in Klebstoff tunken und dann in Scherben tauchen darf, bevor man damit das Gesicht des Gegners bearbeitet.

In Frankreich ist Kickboxen deutlich populärer als in den meisten anderen europäischen Ländern. In den Anfängen des modernen Faustkampfs, Ende des 18. Jahrhunderts, wurde es zur Unterscheidung schlicht als "French Boxing" bezeichnet. In Frankreich ist es bis heute auch als "Savate" bekannt, was so viel wie "abgelatschter Schuh" bedeutet (durchaus passend, weil man Fuß- und Schienbeinschoner beim Kickboxen trägt). Wie in allen Kampfsportarten ist die verlangte Mischung aus Demut und Selbstüberschätzung nicht nur Grundlage für eine halbwegs erfolgreiche Wettkampf-Bilanz. Aggressions-Kontrolle, Dominanz, Leidensfähigkeit, Durchhaltewillen - all diese Dinge werden dabei geschult.

Und natürlich sollte man die körperlichen Aspekte nicht unterschätzen, die das Kickboxen auch in Deutschland populärer machen. Vor allem für Jungs, die nach 40 Jahren Emanzipation in ähnlichen Körperstress geraten, wie ihn Frauen seit Jahrhunderten kennen, ist Kickboxen gewinnbringend, weil es im Gegensatz zu Fußball nicht vorwiegend die Beine, sondern eben alles trainiert. Die mächtigen Schenkelmuskeln verbrauchen viel Sauerstoff, wenn sie auf Kopfhöhe geworfen werden wollen. Der Bizeps wird dick, die Bauchdecke schwillt zu einem Muskelpanzer. Dazu kommen Dehnbarkeit und Geschmeidigkeit, wie man sie sonst nur vom Yoga und Tanzen kennt. Wer "Bloodsport" gesehen hat, wird sich daran erinnern, wie ein straff trainierter Jean-Claude Van Damme im Spagat zwischen den Ringseilen saß und seinen kanonenkugelrunden Bizeps anspannte, was dem Belgier den Beinamen "The Muscles From Brussels" einbrachte.

Deswegen ist Kickboxen, im Gegensatz zu anderen Kampfkünsten, auch in den vielen Tausend Fitness-Centern in Deutschland sehr verbreitet. Dort wird es oft als "Taeboo", "Kick Fit" oder "Fit-Kick" angeboten - die Techniken sind etwa dieselben. Das Halbwelt-Image verliert sich dabei, wenn die Trainingseinheit zwischen "Bauch-Beine-Po" und "Zumba" im Stundenplan steht. Von Emmanuel Macron ist nicht überliefert, ob er sich tatsächlich Vollkontakt-Wettkämpfen gestellt hat. Vermutlich scheint er aber die charakterbildenden Effekte des Sports zu schätzen. "Ich stecke Schläge ein, ich teile auch aus. Boxen ist ein Sport, der einen demütig macht", dieser Satz stammt allerdings nicht von Macron, sondern von seinem eben erst berufenen Premier, Édouard Philippe - einem leidenschaftlichen Boxer.

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