Umweltschutz:Klare Seeluft in Sicht

Flüssiggas soll Schiffsmotoren sauberer machen. Auch Naturschützer sehen dies als möglichen Weg für die Zukunft.

Von Frank Behling

Es war einer dieser Tage, an denen man in Hamburg mächtig stolz auf den Hafen ist. Am 15. Mai schob sich der Containerfrachter MOL Triumph die Elbe hoch. Der Jubel war groß, als das größte Containerschiff der Welt im Waltershofer Hafen anlegte. Ganz anders ein paar Tage zuvor. Zum Hafengeburtstag stand die Kreuzfahrt in Hamburg am Pranger. Im Fokus die Aidaprima , das größte und modernste Kreuzfahrtschiff auf dem deutschen Markt. Besonders wegen der Schadstoffemissionen wurde viel über die Aidaprima berichtet. Wer die Meldungen verfolgte, musste den Eindruck bekommen, dass für Hamburgs schlechte Luft allein die Kreuzfahrtschiffe die Schuld tragen.

"Dem ist aber nicht so", sagt Helge Grammerstorf vom internationalen Kreuzverband Clia. Luftmessungen und Modellrechnungen der Hamburger Umweltbehörde haben ergeben, dass die gesamte Schifffahrt zwar einen großen Anteil an der aktuell sehr hohen Stickoxid- und Feinstaubbelastung im Hafen hat. Die rund 160 Kreuzfahrtschiffe haben im Hafen jedoch nur einen Anteil von 2,5 Prozent an den Emissionen. Einsehbar im neuen Luftreinhalteplan der Hansestadt. Ganz anders die Containerfrachter: Mehr als 6000 Anläufe von Containerschiffen, darunter fast 1000 vom Kaliber der MOL Triumph, hatte der Hafen Hamburg 2016. Die Folge: Auf die Containerschiffe entfallen 68 Prozent der Stickoxidemissionen im Hafen. Der blaue MOL-Riese aus Japan hat mit 82 Megawatt mehr als doppelt so viel Maschinenleistung wie eine Aidaprima und nur einen Schwefel-Katalysator.

Während die MOL Triumph nur eine Möglichkeit der Nachrüstung auf verflüssigtes Erdgas (LNG) besitzt, ist dieser Treibstoff bei Aida bereits Alltag. "In fünf Häfen auf der Nordeuropa-Route wird die Aidaprima mit LNG betrieben", sagt Reederei-Sprecher Hansjörg Kunze. Außerdem ist man in Hamburg mit der Aidasol seit April am Landstrom. Ergebnis: Fast 90 Prozent der Aida-Anläufe in Hamburg verursachen während der Liegezeit weder Feinstaub, Schwefeldioxid noch Stickoxide. Zusätzlich wird eine mit LNG betriebene Powerbarge in Hamburg eingesetzt.

Umweltschutz: Schwimmendes Kraftwerk: Die Powerbarge Hummel liefert der Aidacara Strom im Hamburger Hafen.

Schwimmendes Kraftwerk: Die Powerbarge Hummel liefert der Aidacara Strom im Hamburger Hafen.

(Foto: Frank Behling)

Die Hybrid-Powerbarge Hummel ist ein schwimmendes Kraftwerk. Herzstück sind fünf Caterpillar-Gasaggregate mit einer Gesamtleistung von 7,5 Megawatt. Als Treibstoff kommt hier bereits LNG zum Einsatz, das in Tankcontainern an Bord gelangt. Das 76 Meter lange Spezialschiff wurde mit der Hamburger Firma Becker Marine und der Reederei Aida entwickelt und für die Versorgung von Kreuzfahrtschiffen mit Strom während der Liegezeit optimiert. Seit der Sommersaison 2015 bekommt in Hamburg die Aidasol am Grasbrook über eine Kabelverbindung Strom von der Hummel. Im Winter dient die Hummel als Blockheizkraftwerk für Industriebetriebe im Hamburger Hafen. Der Vorteil des Schiffes ist die Flexibilität. Mit einem Schlepper kann die Hummel auch über Nacht nach Kiel oder Warnemünde gefahren werden. Erste Probeanläufe in den Ostseehäfen gab es 2016. Für die Stromversorgung gilt die Hybrid-Powerbarge als Alternative zum Landstromanschluss, da der Strom an Bord gleich in der richtigen Frequenz von 60 Hertz und der erforderlichen Spannung von elf Kilovolt erzeugt wird. Der Landstrom wird in Deutschland mit zehn Kilovolt und 50 Hertz am Terminal angeliefert und muss dort erst umgewandelt werden.

Doch wie sieht es mit der Gesundheit an Bord der Kreuzfahrtschiffe aus? Nach verdeckten Messungen fällten verschiedene Fernsehteams mit Hilfe des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) über die schwimmenden Urlaubsinseln ein vernichtendes Urteil beim Feinstaub. "Unabhängig davon, ob jemand eine Seereise auf Nord- und Ostsee, im Mittelmeer oder im Atlantik plant, ist davon auszugehen, dass man erhebliche Feinstaubmengen an Deck der Schiffe einatmen muss", sagt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Die Reedereien bewerten die heimlichen Messungen kritisch. "Wenn gemessen wird, dann muss das über einen längeren Zeitraum geschehen. Außerdem muss die Messung unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen", so Helge Grammerstorf von dem Branchenverband Clia. So ist es völlig unklar, ob die vom Nabu an Deck und in den Kabinen gemessenen Partikel aus der Abluft der Maschinen, der Klimatechnik oder gar natürlichen Ursprungs sind. Als Feinstaub mit unterschiedlichen Partikelgrößen gelten heute selbst Farb- und Backpulver, Pollen, Sandstaub oder auch Seesalzkristalle. Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub, so das Argument der Reedereien.

Die Kreuzfahrtbranche sucht mit Nachdruck nach umweltfreundlichen Antrieben. "Wir wollen bis 2020 die sauberste Kreuzfahrtflotte in Deutschland haben", kündigte Tui-Cruises-Chefin Wybcke Meier an. Gigantische Filteranlagen sollen die Schwefelemissionen um bis zu 99 Prozent, die Stickoxidemissionen um bis zu 75 Prozent und den Partikelausstoß um bis zu 60 Prozent bei den Tui-Schiffen reduzieren. Während internationale Abkommen zur Reduzierung der Emissionen für die gesamte Schifffahrt vermutlich noch Jahrzehnte brauchen, wollen die Kreuzfahrtreeder beim sauberen Image vorneweg fahren.

Einige Reedereien wie Aida und Tui Cruises gehen voran beim Umweltschutz

Der Marktführer Aida setzt auf Flüssig-Erdgas. In spätestens zwölf Jahren sollen 80 Prozent aller Aida-Passagiere auf Schiffen mit LNG-Antrieb über die Meere schippern. "Wir glauben fest an LNG als Treibstoff der Zukunft", sagt Aida-Präsident Felix Eichhorn. Dieser Treibstoff wird inzwischen auch vom Nabu als Zukunftslösung anerkannt. "Wir sind wirklich sehr froh, dass die Reederei Aida den Schritt gewagt hat. Das gibt auch uns als Werft die Möglichkeit, diesen Weg zu gehen und Schiffe mit neuer Technologie zu bauen", sagt Bernard Meyer, Chef der Meyer Werft. Im November nächsten Jahres kommt das neue Flaggschiff aus Papenburg.

Hinweis der Redaktion

Die Recherchereisen für diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

Aida hat den Umweltschutz bereits 2007 zu einem der Unternehmensschwerpunkte gemacht. 2011 entschieden sich die Rostocker für den LNG-Motor MaK M46C von Caterpillar für die neue Schiffsgeneration. Das Problem: Die Kussmundreederei war den internationalen Regelwerken voraus. Erst seit 2014 darf LNG auch in Tanks im Rumpf von Kreuzfahrtschiffen befördert werden. Die Folge: Die 2013 auf Kiel gelegte Aidaprima kann nur während der Hafenliegezeiten mit dem Flüssigerdgas aus Lkw-Containern versorgt werden. "Wenn man bedenkt, dass ein Kreuzfahrtschiff etwa 40 Prozent der Zeit im Hafen liegt, ist dies schon ein enormer Beitrag zur Senkung der Emissionen", sagt Helge Grammerstorf von Clia.

Und was passiert mit den Kreuzfahrtschiffen, die bereits fahren? Ein Weg zu mehr Umweltschutz ist die Routenplanung. "Die beste Tonne Treibstoff ist die, die ein Schiff gar nicht erst benötigt", sagt Grammerstorf. Routenpläne werden so angepasst, dass die Schiffe nicht mehr mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind. Außerdem sollen die älteren Aida-Schiffe bis 2020 mit Filtern nachgerüstet werden. Die Firma, die diese Filter baut, hat der Aida-Mutterkonzern Carnival 2012 in Italien kurzerhand gekauft, da es auf dem Markt an geeigneten Unternehmen für den Bau großer Filteranlagen für Schiffe bislang fehlte.

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