"Tatort" aus Berlin:Endlich ein klassischer Krimi

Tatort: Amour fou; Tatort Berlin Karow Rubin

Jens Harzer alias Armin Berlow (links) reimt immer mal wieder. Es spricht für den Tatort, dass nicht klar wird, ob das Absicht ist oder Zufall.

(Foto: rbb/Andrea Hansen)

Zuletzt waren die Fälle aus Berlin vor allem kompliziert und verworren. Jetzt wird alles auf null gestellt. Das tut den Kommissaren gut - und dem Publikum auch.

Von Holger Gertz

In ihren bisherigen vier Fällen, die auf angestrengte Weise ineinander verschachtelt waren, haben die Berliner Kommissare das Publikum erst verschreckt und am Ende schwer gelangweilt. Erkenntnis: Man verlangt den Zuschauern zu viel ab, wenn man innerhalb der fortlaufenden Reihe Tatort einen komplizierten Fall und das Beziehungswirrwarr zweier Ermittler über zwei Jahre weitererzählt.

Mit diesem fünften Abenteuer stellen sie jetzt alles auf null, Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) haben zu klären, warum ein schwuler Lehrer umgebracht und verbrannt worden ist, sie klingeln zu diesem Zweck an Türen und stellen Ermittlerfragen. Es ist ein klassischer Krimi, in sich abgeschlossen. Das tut den Kommissaren gut, dem Publikum auch.

Die Geschichte wird von Regisseurin Vanessa Jopp und Autor Christoph Darnstädt mit bemerkenswertem Dialogniveau erzählt. Der Mann des Toten heißt Armin Berlow, gespielt von Jens Harzer. Harzer ist zerbrechlich und bedrohlich, er ist theatralisch und echt, er ist immer das eine und das andere, und wenn er auf recht schwebende Weise redet, hört es sich so an, als trüge er Gedichte vor. Manchmal sagt er wirklich Verse auf, "der Peugeot brannte lichterloh" zum Beispiel, und es spricht für die Qualität dieses Tatorts, dass man nicht weiß, ob sich das absichtlich reimt oder rein zufällig.

Die beiden Männer haben einen Jungen aus schwierigen Verhältnissen bei sich aufgenommen, Duran Bolic, und natürlich ist das Ganze auch ein Lehrstück, das das Publikum dazu bringen soll, über eigene Vorurteile nachzudenken und auch über die eigene Anfälligkeit für die Wirkung von Gerüchten. Trotzdem - oder deshalb - bleibt die Geschichte zuallererst eine ziemlich spannende Geschichte. Hohes Tempo: Einerseits sprintet das junge Mädchen Jasna Nemec - im Stil von Lola rennt und von Christiane F. - durchs Panorama, andererseits kriegt die Story immer wieder einen neuen Twist.

Und sogar die Übersexualisiertheit der Kommissare im angeblich so dauergeilen Moloch Berlin nervt diesmal ein kleines bisschen weniger als sonst. Was auch an Harzer liegt, der einerseits alles Flirrende und Pochende feiert, es andererseits aber auch charmant ironisiert. Dem Ermittler Karow begegnet er, als dieser gerade einen unvorteilhaften Spurensicherungsganzkörperanzug trägt. Sagt Harzer, als Berlow: "Wenn Sie jetzt noch die Kapuze aufsetzen, sehen Sie aus wie so'n Woody-Allen-Spermium."

ARD, Pfingstmontag, 20.15 Uhr.

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