DFB-Sieg gegen San Marino:Wagner-Festspiele in Nürnberg

DFB-Sieg gegen San Marino: Traf dreimal gegen San Marino: Sandro Wagner

Traf dreimal gegen San Marino: Sandro Wagner

(Foto: Christof Stache/AFP)
  • Sandro Wagner ist 29 Jahre alt, spielte aber gegen San Marino erst sein zweites Länderspiel.
  • Der Hoffenheimer Stürmer traf dreimal - und überraschte auch nach Spielschluss. Mit klaren Worten.

Von Martin Schneider, Nürnberg

Es gibt viele Zeitpunkte in der Karriere des Sandro Wagner, zu denen drei Länderspieltore so wahrscheinlich waren wie ein blondierter Joachim Löw. Als er zum Beispiel 2012 mit Kaiserslautern in die zweite Liga abstieg, in elf Spielen kein Tor schoss und über diese Phase seines Lebens dem kicker sagte. "Ich hatte ein Scheißjahr." Oder kurz darauf, als er in die zweite Liga zu Hertha BSC wechselte, dort in einer Saison fünf Tore schoss, dann in der nächsten Saison wieder zwei Tore schoss und schließlich gar kein Saisontor mehr schoss.

Fußballer mit dieser Vita machen normalerweise keine drei Treffer mehr mit dem Adler auf der Brust. Auch wenn der Gegner am Samstag in Nürnberg San Marino war und somit nachweislich eine Abwehr mit sehr geringer Widerstandskraft auf dem Feld stand, hatten die Tore für Sandro Wagner eine Bedeutung. Sein erstes Länderspieltor - ein Kopfball nach einer Flanke von Joshua Kimmich - bejubelte der 29-Jährige nicht wie ein Tor gegen Amateurkicker. Er stand im Sechzehner, hob die Handflächen nach oben und schrie mit dem Kopf im Nacken in den sommerlichen Abendhimmel. Er feierte das Länderspiel-Tor wie eine Erlösung, wie die Erfüllung eines Wunsches, der jahrelang in ihm schlief und den er vermutlich spätestens bei seinen Ausflügen zu Bremen II oder Hertha II insgeheim begraben hatte.

"Der Kimmich, muss ich sagen, der ist unglaublich"

Nachdem Wagner zwei weitere Tore (ein Stocherball zum 3:0 und ein weiterer Kopfball zum 7:0 Endstand) geschossen hatte, stand er sehr aufgeräumt vor den TV-Kameras und Mikrofonen. "Ich kann das schon einschätzen, es war jetzt nicht gegen England oder Italien", sagte Wagner zu seinem Dreierpack. Um dann aber sofort die "Sportsmänner" aus San Marino zu loben. Für so ein kleines Land sei der Fußball beeindruckend.

Eine der ungewöhnlichen Eigenschaften von Sandro Wagner ist es, dass er in Interviews nach dem Spiel echte Antworten gibt statt sich aus dem Floskel-Baukasten für Fußballprofis zu bedienen. Als ihn jemand zum Beispiel auf die Torvorlagen von Joshua Kimmich ansprach, meinte Wagner. "Also, der Kimmich, muss ich sagen, der ist unglaublich, auch im Training. Wenn der flankt, da kann sich der Lewandowski nächstes Jahr echt freuen, wenn der spielt. Dann macht er nochmal zehn Tore mehr." Die Flanken hätten Zug und wenn sie aus dem Halbfeld kommen, das liebe er. "Ich hab ja auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel und selten jemanden gesehen, der so gut flankt. Vielleicht können wir den nach Hoffenheim holen." Sagte er und lachte.

Vor dem Spiel hatte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Interview gegeben und dort bei Fans einen Verfall der Sitten thematisiert. "Der Niveauverfall ist verrückt", sagte er dort. Ihn selbst träfen Beschimpfungen nicht. "Ich kann das einschätzen, ich weiß, wie dumm manche Menschen sind." Aber mancher junge Spieler, der würde damit nicht so gut klarkommen. Passend dazu verteidigte er nach dem Spiel gegen San Marino Timo Werner, den einige deutsche Fans bei seiner Einwechslung zuvor ausgepfiffen hatten. Eben jener Timo Werner erklärte dann auch, dass Sandro Wagner im täglichen Umgang ein sehr angenehmer Typ sei und er gar nicht dem Klischee entspreche, das man von ihm habe, weil er manchmal polarisierende Interviews gibt. Unter anderem hatte Wagner mal per Sportbild die These vertreten, Fußballer würden teilweise zu wenig verdienen.

Es muss noch lange nicht heißen, dass er jetzt immer spielt

Bei der Nationalmannschaft scheint sich Wagner gut zurecht zu finden, er sei sehr beeindruckt von Joachim Löw, erzählte er. "Ich mag sowas gerne, Menschen kennen zu lernen, die was ausstrahlen. Man merkt das, wenn er in einen Raum kommt ... das hat man ja nicht so oft." Der von Wagner gelobte Löw lobte ihn zwar zurück ("Hat einen Schritt nach vorne gemacht"), wollte sich aber in der Stürmerfrage überhaupt nicht festlegen - nicht mal für den Confed Cup.

Nur weil Wagner die einzige richtige Nummer neun im Kader ist, muss das noch lange nicht heißen, dass er immer spielt. Je nach Spiel könne er auf ganz unterschiedliche Spielertypen zurückgreifen, sagte Löw. Und langfristig? "Es stehen bis zur WM noch viele Bundesliga-Spiele an. Er spielt ja vielleicht mit Hoffenheim, wenn sie die Qualifikation schaffen, Champions League. Das wäre für ihn gut, auf dem Niveau zu agieren." Das kann man schon als Jahres-Hausaufgabe verstehen.

Dass der Stürmer Wagner, der Teil der U21-Nationalmannschaft um Manuel Neuer, Mats Hummels, Jérôme Boateng, Sami Khedira und Mesut Özil war, die 2009 in Schweden Europameister wurde, gegen einen Gegner wie San Marino drei Tore schießen kann, die Erkenntnis dürfte für Joachim Löw nicht neu sein. Das Gefühl, dass der Mensch Wagner aber auch begriffen hat, welche Chance er da auf der Zielgerade seiner Karriere nochmal bekommt hat, das ist vermutlich ein ebenso wichtiger Faktor für den Bundestrainer. In Nürnberg deutete alles darauf hin, dass Sandro Wagner das sehr wohl begriffen hat.

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