Confed Cup in Russland:Wegschauen ist auch doof

Russland - Neuseeland

Russlands Präsident Wladimir Putin (r.) und Fifa-Präsident Gianni Infantino (l.) vor der Partie zwischen Russland und Neuseeland.

(Foto: dpa)

Der Confed Cup ist sportlich bedeutungslos - doch immerhin lenkt er Aufmerksamkeit auf die Probleme in Russland. Und plötzlich beweist selbst der DFB so etwas wie Haltung.

Kommentar von Sebastian Fischer

Der 44 Jahre alte frühere mexikanische Stürmer Cuauthémoc, genannt "Temo" Blanco Bravo hat der Fußballwelt ein schönes Erbe hinterlassen. Dazu gehört ein Trick: Blanco pflegte den Ball zwischen seinen Füßen einzuklemmen und in die Luft zu springen, über Verteidigerbeine hinweg. Cuauhtemiña wurde die Bewegung genannt. Zu Blancos Erbe gehören außerdem neun Tore: Gemeinsam mit dem Brasilianer Ronaldinho ist Blanco Rekordtorschütze des Confed Cups. Und das sagt schon einiges über dieses Turnier.

Freunde des mexikanischen Fußballs werden wohl protestieren, doch zählt Blanco nicht zu den Größen des Sports, trotz der Cuauhtemiña. Und der Confed Cup zählt nicht zu den wichtigen Turnieren des Sports, trotz einer Eröffnungsfeier vor dem Eröffnungsspiel in St. Petersburg an diesem Samstag, die vor weitgehend leeren Rängen eine andere Geschichte zu erzählen versuchte. "Ein großes Ereignis", nannte Russlands Präsident Wladimir Putin das Turnier in seiner Rede, dann sagte auch Fifa-Präsident Gianni Infantino noch irgendwas. Doch wird der Cup ja nicht umsonst voraussichtlich demnächst abgeschafft.

Was bedeutet das nun? Sollte man wegschauen, wenn in den kommenden zwei Wochen in Russland eine deutsche B-Mannschaft gegen die vermeintlich besten Teams aller Kontinente antritt und die Fifa daran verdient? Viele Fans reagieren so, nach Auskunft der Organisatoren gingen nur fünf Prozent der Tickets an ausländische Fans, insgesamt waren vor Turnierstart erst 70 Prozent der Karten verkauft. Hinschauen kann aber gerade dann nützlich sein, wenn die Spiele unwichtig sind.

Beim Confed Cup 2013 demonstrierte das Volk auf den Straßen, weil es sich gegen die milliardenschwere Finanzierung des Großevents wehrte. Auch in Russland regt sich der Unmut. Selbst die von der Regierung erwirkten Einschränkungen des Demonstrationsrechts für die Dauer des Turniers können nicht verhindern, dass immer, wenn es um den Confed Cup 2017 geht, auch die die höchst korruptionsverdächtige Vergabe der WM 2018 thematisiert wird, außerdem absurd teuer errichtete Stadien, Tote auf den Baustellen, menschenverachtende Arbeitsbedingungen für nordkoreanische Gastarbeiter, Verhaftungen von Regime-Gegnern, die Hooligan-Problematik.

Die Mauls und Gerbers heißen jetzt Plattenhardt oder Stindl

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) macht gerade durchaus ein paar Dinge richtig. Zunächst mal sportlich: Es ist der konsequente Ansatz von Bundestrainer Joachim Löw, Spiele gegen Australien, Kamerun und Chile, an deren Ausgang am Ende niemand gemessen wird, nicht allzu ernst zu nehmen. Er führt die Tradition der Einmal-Nationalspieler Ronald Maul und Heiko Gerber fort, die beim Confed Cup 1999 unter Erich Ribbeck aufliefen.

Die Mauls und Gerbers heißen jetzt Marvin Plattenhardt oder Lars Stindl. Das freut die beiden sicher, sie haben es verdient. Das freut auch die Anhänger von Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach, das freut die etablierten Spieler im Urlaub. Und wer weiß? Vielleicht lassen sich ja doch ein paar wertvolle Erkenntnisse sammeln, über das Verhalten junger (und, im Falle Stindls, nicht mehr ganz so junger) Fußballer in Drucksituationen.

Der DFB macht sogar politisch gar nicht so viel falsch. Zwar distanziert sich Präsident Reinhard Grindel von Boykottandrohungen, die am Ende die einzig wirklich wirksame Maßnahme wären - dafür ist sein sportpolitisches Korsett als Mitglied im Fifa-Rat zu eng. Doch immerhin kritisiert er die Arbeitsbedingungen und Beschränkungen für Demonstranten und Journalisten. Ja, selbst der gut gelaunte Sandro Wagner, bislang nicht als übermäßig politischer Geist aufgefallen, hat angekündigt, einen vom Verband an die Spieler ausgeteilten Handzettel mit Informationen über Russland schon auch mal durchzulesen. Es ist zur Abwechslung erfreulich, wenn der Fußball seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird und Haltung zeigt. Deutschlands Nationalspieler Antonio Rüdger hat sich am Samstag gegen Rassismus positioniert und die scheinheilige Haltung der Fifa kritisiert.

Cuauthémoc Blanco, der alte Stürmer, ist allerdings eher ein Beispiel dafür, dass Sportler nicht unbedingt gute Politiker sind. Blanco ist seit 2015 Bürgermeister der mexikanischen Stadt Cuernacava. Es vergeht selten eine Woche, in der er keinen Skandal erklärt. Neulich musste er sich gegen den Vorwurf wehren, einen Auftragskiller angeheuert zu haben. Dass er der Confed-Cup-Rekordtorschütze ist - das könnte egaler kaum sein.

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