Fürstenfeldbruck:Dreiecksbeziehung

Fürstenfeldbruck: Erich Raff (v.li.) ist dankbar für die Leihgabe, Ingo Glass zufrieden über den Standort für sein "Dreieck" und Klaus Wollenberg voll der Freude über diese "Bereicherung des öffentlichen Raums".

Erich Raff (v.li.) ist dankbar für die Leihgabe, Ingo Glass zufrieden über den Standort für sein "Dreieck" und Klaus Wollenberg voll der Freude über diese "Bereicherung des öffentlichen Raums".

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Mit einem Werk von Ingo Glass krönt der Skulpturenpfad seine Hommage an den Stil der konkreten Kunst. Das Werk schafft ein Spannungsfeld zwischen Mensch, Natur und Materie

Von Christian Hufnagel, Fürstenfeldbruck

Was hätte an diesem lauschigen Ort nicht alles platziert werden können. Die Figur eines Anglers vielleicht, die einen niedlichen Bezug zu Ufer und Amper herstellt; oder eine familiäre Sitzgruppe, die unter der mächtigen Eiche diesen idyllischen Flecken als Rastplatz im Fluss des Lebens künstlerisch überhöht zum Ausdruck bringt. An derartigen Skulpturen wäre der Spaziergänger vermutlich vorbeigegangen - gemütlich, im Anblick zufrieden, aber letztlich unberührt. Was aber stattdessen in Bruck auf der Kneip-Insel beim altehrwürdigen Silbersteg nun steht, wird ihn zweifelsfrei zum Halten bringen und irgendwie zum Nachdenken nötigen. Denn dieses Kunstwerk ist in jedem Fall beziehungsfrei zu seiner natürlichen Umgebung - "ist ganz der Gegensatz zur Natur", wie es Kulturstifter Gerhard Derriks, der die Aufstellung initiierte, auf den Punkt bringt. Und Bürgermeister Erich Raff trifft es nicht weniger, wenn er bei der offiziellen "Übergabe an die Öffentlichkeit" an das Publikum appelliert, "die Bereitschaft mitzubringen, sich einzulassen".

Was sich also auf der grünen Wiese vor dichten Büschen da so gegensätzlich abhebt, ist ein Werk von Ingo Glass, einem internationalen sehr renommierten Vertreter und Fortentwickler der konstruktiv konkreten Kunstrichtung. Deren Ursprünge reichen bald ein Jahrhundert zurück. Sie beruht auf mathematisch-geometrischen Grundlagen und ist im Grunde nicht abstrakt zu nennen, "weil sie nichts in der Realität Vorhandenes abstrahiert, sondern im Gegenteil Geistiges materialisiert", wie es das Lexikon definiert. Der 76-jährige Künstler hat für Fürstenfeldbruck in diesem Sinne eine Idee materialisiert, die drei geometrische Grundformen und Grundfarben in eine ebenso harmonische wie konträre, sich ergänzende wie zerstörende Beziehung zueinander setzt: In einem blauen Quadrat ist ein Dreieck ausgeschnitten. Ein solches in Gelb wiederum durchschneidet diese Rückwand und wird dabei auf die Spitze gestellt. Ein kreisrundes Loch im Dreieck eröffnet eine weitere Blickdimension, der Rand des Ausschnitts in Rot eingefärbt, während die dreieckige Durchsicht im Quadrat gelb umrandet ist. Farbgebung wie geometrische Anordnung von Positiv- und Negativformen verleihen einer fast tonnenschweren Stahlkonstruktion eine beinahe leichte Aura und einen geradezu spielerischen Ausdruck.

Besonders die Wirkungsweise der Farbgebung von Glass erläuterte Kulturreferent Klaus Wollenberg in seiner mustergültig zu nennenden verständigen wie bedeutungsvollen Laudatio dem Publikum der Freiluft-Vernissage, die immerhin gut 70 Menschen anzog. Die Farbe Rot ordne der Künstler als Träger einer kreisenden Bewegung nur dem Kreis zu; das Blau als ruhige Farbe dem ausgeglichenen Quadrat und Gelb als aggressive Farbe dem aggressiven Dreieck. Letzgenannter Form konnte der Redner wahrlich sinn- und augenfällig diese Eigenschaft zuschreiben, "frisst sich das Dreieck doch geradezu in das Quadrat hinein".

Dieses markante Beispiel der konkreten Kunst ist freilich kein Ausreißer, sondern nunmehr der sechste Bestandteil eines Skulpturenpfades im Stile dieser Kunstrichtung, der sich zwischen Kloster und Amper erstreckt und der auf das Engagement der "Gerhard und Anneliese Derriks Stiftung" zurückgeht. Dass diese das Kunstwerk bezahlt hat und der Stadt als Leihgabe zur Verfügung stellt, machte alle Redner dankbar, schließlich handelt es sich bei dem vielfach ausgezeichneten Künstler um jemanden, "der sich weltweit mit zahlreichen Ausstellungen einen Namen gemacht hat", so Wollenberg.

Der Gewürdigte selbst war extra von seinem Wohnort Budapest angereist und zeigte sich "sehr zufrieden" mit dem Standort seines Werkes. Eine Anregung hätte er allerdings noch für die Stadt: "Man könnte eine Bank aufstellen, dann können die Leute in Ruhe streiten über meine freche Skulptur", meinte er schmunzelnd. Was nach Ironie klingt, wird in der Realität sicherlich nicht selten vorkommen, wenn ein lauschiger Spaziergang plötzlich an einer kühl-geometrischen Erscheinung endet. Und deren passender Titel wird zur angeregten Debatte sicherlich seinen Teil beitragen: "Aggressives Dreieck".

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