USA:Trump findet seine Worte perfekt

  • Bei einer Rede vor Anhängern verteidigt US-Präsident Trump nochmals seine Reaktion auf die Gewalt in Charlottesville, wo ein Rechtsextremer eine Frau mit einem Auto totgefahren hatte: Seine Worte seien "perfekt gewesen".
  • Die "unehrlichen Medien" hätten dies aber falsch dargestellt. Deshalb fordert er seine Anhänger auf, die anwesenden Journalisten auszubuhen.
  • Trump zitiert einzelne Sätze, in denen er die Gewalt verurteilt hat. Die Äußerungen, mit denen er einen Aufschrei provoziert hat, lässt er weg.

Von Thorsten Denkler, New York

Es ist schwer, den Kaffee nicht zu verschütten, als US-Präsident Donald Trump sagt: "Meine Worte waren perfekt." Perfekt? Ja, das hat er gesagt am Dienstagabend in Phoenix Arizona. Trump hält dort mal wieder einen seiner wahlkampfähnlichen Auftritte ab. Zu diesen Events kommen etwa einmal im Monat Tausende Menschen zusammen. Wahre Hardcore-Fans sind das.

Diesmal hatte Trump einiges zu erklären. Sein großes Thema: Charlottesville. 45 Minuten verwendet er darauf, weit über die Hälfte seiner Redezeit. Charlottesville ist zum Symbol für das Versagen von Trump geworden, das Land in einer schwierigen Lage moralisch zu führen und zu einen.

Am Samstag vor eineinhalb Wochen ist Heather Heyer dort von einem Auto überfahren worden, das in eine Gruppe von Demonstranten raste. Sie protestierten gegen einen Aufmarsch von Rechtsradikalen. Am Steuer saß ein als Rechtsextremist bekannter Mann.

Trump schaffte es danach nicht, die Gewalt von rechts als solche zu benennen. Erst zwei Tage später verurteilt er sie unter öffentlichem Druck in einem vorbereiteten Statement. Einen Tag später nahm er während eines furiosen Auftritts in seinem New Yorker Trump Tower alles wieder zurück.

Trump lässt seine Anhänger die anwesenden Journalisten ausbuhen

In Phoenix versucht sich Trump nicht einmal an der Frage, wie das Land die tiefe Spaltung überwinden kann, wie Wunden geheilt werden können. Wie die Menschen wieder zusammenfinden und lernen können, sich gegenseitig zu respektieren. Nein, er spricht vor allem darüber, wie unfair die Medien ihn behandelt hätten. Allen voran die New York Times, die Washington Post und der Sender CNN.

Trump zeigt auf die Kameras, die einige Dutzend Meter vor ihm aufgebaut sind. Sein Finger zeigt am ausgestreckten Arm von rechts nach links und wieder zurück. Er kneift die Augen zusammen wie ein Scharfschütze, der sein Ziel anvisiert. Da stehen sie alle, die "dishonest media", sagt er, die unehrlichen Medien, wörtlich übersetzt. Wäre Trump in der AfD, er würde wohl "Lügenpresse" brüllen.

Und sofort schwillt ein einziger, langer, dröhnender Buuuuh-Ruf aus tausenden grollender Kehlen an. Trump genießt den Augenblick. Zwei Worte, und er hat die Menschen da, wo er sie haben will. Trump tritt zurück von seinem Pult und lässt die Menge grölen, lässt sie mit ihren Fingern auf die Pressevertreter zeigen und sie ausbuhen. Immer weiter. Ein Wunder, dass da keiner über die Gitter steigt und jeden verprügelt, der auch nur Notizblock und Bleistift in der Hand hält. Trump grinst, klatscht in die Hände.

Was dann kommt, ist eine einzige Anklage. Dass sie ihm die Worte im Mund verdrehen, dass sie ihn falsch verstehen wollen, ihm keine Chance geben. "Das sind unehrliche Menschen, das sind schlechte Menschen", sagt Trump. Und wieder pfeifen und johlen seine Anhänger. Es ist Trumps altes Spiel: Er, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, mächtigster Mann der Welt, er ist das arme Opfer dieser Medien.

Seine Rede gleicht einer Gehirnwäsche

Er nämlich habe genau richtig auf Charlottesville reagiert. Er hat nichts zurückzunehmen. Seine Worte waren "perfekt". Aber die Medien, die hätten nicht berichtet, was er gesagt habe. Dass er nämlich alle Amerikaner liebe. Und nicht nur "Dich weil Du schwarz bist. Oder dich, weil Du aus Jäpäään! kommst. Oder dich, weil Du aus Tschaina! kommst."

Er sagt das wirklich so verächtlich, "Jäpäään" und "Tschainaa!" Wie jemand, der einem lächelnd die freundlichsten Dinge sagt und ihm gleichzeitig beide Mittelfinger entgegenreckt. Aus dem Publikum sind Lacher zu hören.

Wer denkt, der Abgang des rechten Verschwörungstheoretikers Steve Bannon als Chef-Stratege im Weißen Haus würde Trump in irgendeiner Form moderater auftreten lassen, der irrt.

Seine Botschaft: Schaut und lest keine vermeintliche Lügenpresse. Schaut und lest, was ich schaue und lese. Und das sind, er nennt sie beim Namen: der konservative Sender Fox, dort speziell die Trump ergebenen Frühstücks-Moderatoren der Sendung "Fox and Friends". Sowie den Trump-Fan Sean Hannity mit seiner gleichnamigen Sendung "Hannity", ebenfalls auf Fox, genauer Fox News.

Hannity hat mal über sich gesagt, er sei erstens kein Journalist und zweitens werde er alles tun, um Trump zum Erfolg zu verhelfen. Genau so ist auch seine Sendung. Der Mann lässt gar nichts auf seinen Präsidenten kommen. So mag es Trump.

Trump forciert an diesem Abend seinen Krieg gegen die klassischen Medien. Auf Twitter hat er sie "Feinde des amerikanischen Volkes" genannt. Hier sagt er, er glaube nicht, dass diese Journalisten ihr Land lieben. Jeder ihrer Angriffe auf ihn sei ein Angriff auf "euch", sagt er. Dabei zeigt er mit seinem Finger in das Rund der Arena. "Auf euch hart arbeitende Menschen".

Es sind die Methoden einer Gehirnwäsche: Zerstöre das Vertrauen in jene, die nicht ausschließlich gut über dich berichten. Und die Leute kaufen dir alles ab.

Trump lügt seinen Anhängern ins Gesicht

Trump lügt seinen Anhängern tatsächlich mitten ins Gesicht an diesem Abend. Und die jubeln. Einmal zeigt er auf die Kameras und behauptet, CNN hätte gerade die Live-Übertragung abgebrochen, weil die seine Wahrheit nicht ertragen könnten. Nein, CNN hat nichts abgebrochen.

Ja, es sind Lügen. Er übertreibt nicht einfach, lässt Erfolge etwas strahlender erscheinen als sie sind. Oder redet Niederlagen etwas kleiner als sie sind. Er lügt. Über die Zahl der Jobs, die er angeblich geschaffen hat, die Zahl der Unternehmen, die er in die USA zurückgeholt habe. Oder auch nur darüber, dass vor den Türen der Halle in Phoenix nur einige wenige Gegendemonstranten seien. Unbedeutende "Antifaaa!", sagt er und verdreht die Augen, als wäre er irre. Es sind zu dem Zeitpunkt in Wahrheit Tausende. Das berichtet zumindest Trumps Lieblingssender Fox News. Auf Bildern ist zu sehen, wie die Polizei Tränengas gegen sie einsetzt.

Vor allem aber lügt Trump über seine verschiedenen Äußerungen zu Charlottesville. Trump holt einen Zettel aus der Innentasche seines Jacketts. Der Zettel soll seinen Fans Akkuratesse vorgaukeln. Er zitiert sich selbst von diesem Zettel. Zitiert, was er an jenem Samstag gesagt hat, nachdem Heather Heyer von einem Rechtextremen getötet wurde. Dass er etwa "Hass, Bigotterie und Gewalt" verurteile. - "Das bin ich, der das sagt!" - Und dass alle Amerikaner ein Recht hätten, sicher zu leben. Wieder: "Das bin ich, der da spricht!" - als ob er es selbst kaum glauben könne.

Er spielt dieses Spiel weiter. Er zitiert sich selbst aus seiner Stellungnahme zwei Tage später, in dem er es endlich schafft, die Gewalt der "Neonazis, des Ku-Klux-Klan und der Weißen Nationalisten" zu verurteilen.

Die entscheidenden Sätze lässt er weg

Trump tut so, als wären es die von ihm hier vorgetragenen Sätze gewesen, die eine große Mehrheit im Land - in seinen Augen allein die Medien - gegen ihn aufgebracht hätten. Dabei gibt es an diesen Sätzen objektiv nichts auszusetzen. Aber er zitiert eben nur die Stellen, in denen er von Liebe spricht, von Einigkeit, von Respekt. Die entscheidenden Sätze lässt er weg: die, die für einen Aufschrei in weiten Teilen der US-amerikanischen Gesellschaft gesorgt haben.

Er lässt vor seinen Anhängern weg, dass er im ersten Anlauf erklärte, die Gewalt sei "von vielen Seiten, von vielen Seiten" gekommen - womit er völlig ausgeblendet hat, dass Heather Heyer von einem Rechten getötet wurde. Und er zitiert nicht, wie er im verheerenden dritten Versuch insistiert, auf Seiten der Neonazis und weißen Nationalisten seien auch ein paar "sehr feine Menschen" mitmarschiert.

Diese Sätze standen wohl nicht auf seinem Zettel.

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