"Wenn's zu teuer ist, will ich die Katze nimmer":Flauschige Wegwerfartikel

"Wenn's zu teuer ist, will ich die Katze nimmer": Wirklich süß, diese Angorameerschweinchen. Aber man muss sich kümmern, und sie verursachen Arbeit und Kosten. Das gefällt vielen Haltern nicht.

Wirklich süß, diese Angorameerschweinchen. Aber man muss sich kümmern, und sie verursachen Arbeit und Kosten. Das gefällt vielen Haltern nicht.

(Foto: Toni Heigl)

Das Dachauer Tierheim kümmert sich nicht nur um entlaufene Hunde und Katzen, oft wollen die Halter ihre einstigen Lieblinge hier einfach nur loswerden

Von Christiane Bracht, Dachau

Der Urlaub steht wieder vor der Tür, die Koffer sind schon gepackt. Doch wohin mit dem Hund? Eine Pension ist zu teuer, der Nachbar hat was anderes vor, und die Eltern fürchten sich vor dem Tier. Vielleicht heimlich einfach aussetzen? Oder ins Tierheim bringen, nicht als Herrchen, sondern als generöser Finder natürlich, der das Tier später gerne aufnimmt, wenn es in drei Wochen noch da ist. Das passiert leider oft, weiß die Vorsitzende des Dachauer Tierschutzvereins Silvia Gruber. Nachweisen kann man es natürlich nie. "Tiere dürfen nichts kosten." Diese Mentalität habe sich in den vergangenen Jahren durchgesetzt und zwar nicht nur zur Ferienzeit, sondern generell. Deshalb ist es inzwischen auch nicht mehr so, dass der Sommer für die Pfleger im Tierheim am stressigsten ist. "Ein paar mehr Tiere haben wir momentan schon", sagt Gruber. Aber eigentlich werden das ganze Jahr über schwer kranke oder verwahrloste Tiere in der Einrichtung abgegeben - und jedes Jahr werden es mehr. Meistens sind es allerdings keine Hunde, sondern Katzen.

Das zeigt auch der Bestand: Zehn Hunde sind derzeit in den Zwingern des Tierheims untergebracht, in den beiden Katzenhäusern schnurren dagegen 53 Samtpfötchen vor sich hin. "Wenn die nächsten Jungen kommen, kann die Zahl noch auf 80 ansteigen", sagt Gruber. "Wir sind einfach ein Katzenlandkreis." Das klingt so, als ob die Schmuser hier hoch im Kurs stünden, aber offenbar ist genau das Gegenteil der Fall. Die Tiere kommen in erbärmlichem Zustand im Tierheim an: gebrochenes Beinchen, heftiger Schnupfen mit Augenentzündungen und hohem Fieber, verlaust, voller Flöhe und abgemagert bis auf 1,6 Kilogramm. "Viele schweben zwischen Leben und Tod und müssen erst einmal in der Tierklinik aufgepäppelt werden", sagt Gruber. "Ob sie entlaufen sind oder herausgeschmissen wurden, das wissen wir nicht. Man merkt nur, dass manche Katzen extrem zutraulich sind, also bei Menschen gelebt haben, und dass sie sich schon länger in diesem schlechten Zustand befinden müssen."

Die Tiere wieder gesund zu pflegen, ist für die Ehrenamtlichen meist sehr zeit- und arbeitsintensiv. Für das Heim bedeutet es enorm hohe Kosten, was die Einrichtung schon einmal in finanzielle Schieflage gebracht hat. Aber was das Erschreckendste ist: Wenn die Tiere wieder fit sind, will sie oft keiner haben. "Für Katzen suchen wir lange", erklärt die Leiterin des Heims. Kleine Hunde sind dagegen sehr beliebt und sofort weg. Meist vermittelt Gruber die Katzen nach München weiter. Dort herrscht eine andere Einstellung.

Hier im Landkreis höre sie oft Sätze, die sie fassungslos und wütend machen, sagt Gruber: "Neulich hat die Polizei mich zu einer angefahrenen Katze gerufen. Als der Besitzer ausfindig gemacht war, sagte er: ,Was kostet denn das? Wenn's zu teuer ist, will ich die Katze nimmer.'" Oder: "Rentiert sich das überhaupt noch?" Da muss die Tierschützerin schon schwer schlucken. Auch wenn sie mitbekommt, dass auf den Höfen im Hinterland kleine Katzen ertränkt, erschlagen oder, wenn sie krank sind, einfach auf den Misthaufen geworfen werden. Und so gibt es auch Katzenbesitzer, die ihre Tiere abgeben, weil sie eine Operation nicht zahlen wollen, sagt Gruber. Das sei bedauerlicherweise sogar gar nicht so selten.

Die meisten Katzen im Landkreis sind nicht kastriert, und so vermehren sie sich drei Mal im Jahr, und jeder Wurf bringt durchschnittlich vier neue Kätzchen, erklärt Gruber das Problem in Dachau und vor allem im Hinterland. Eine Kastration koste Geld, das kaum jemand ausgeben will. Und im Freistaat besteht auch kein Kastrationsgebot, bedauert die Tierheimleiterin.

Mit Hilfe von Facebook habe sie und ihr Team in letzter Zeit aber große Erfolge erzielt: Sogar alte und kranke Katzen konnten vermittelt werden, die sonst nie ein neues Zuhause gefunden hätten: zum Beispiel ein Kater mit drei Beinen oder der Kater Alto, der schwer krebskrank ist und nur noch ein paar Wochen hat. Seither ist Gruber von diesem Medium begeistert.

Aber nicht nur Katzen wird manchmal die Liebe entzogen, auch Vögel, Reptilien, Hasen und Meerschweinchen werden ausgesetzt und landen im Tierheim am östlichen Stadtrand von Dachau. "Neulich hat wohl jemand seine Zucht aufgelöst, indem er seine Käfige geöffnet hat", sagt Gruber. Fünf Kanarienvögel in allen Farbschattierungen hätten die Tierpfleger innerhalb von kurzer Zeit einfangen müssen. Die Tiere seien schon sehr geschwächt gewesen, sonst wäre die Aktion wohl nicht geglückt. Für die vielen Wasserschildkröten, um die sich Tierschützer inzwischen kümmern, musste sogar ein extra Teich angelegt werden.

Zu acht bis zehn Einsätzen pro Woche müssen die Pfleger derzeit ausrücken. Für sie ist es kein leichter Job. Jedes Mal gehen sie das Risiko ein, gebissen zu werden, denn kranke Tiere sind meist verängstigt und angriffslustig. Ehrenamtliche zu finden, ist schon deshalb nicht leicht, sagt Gruber.

Aber wer sich darauf einlässt, zeigt Einsatz, manchmal müssen Tiere mit dem Fläschchen groß gezogen werden. Das bedeutet alle zwei Stunden füttern - auch nachts.

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