Kommentar:Eine Episode, mehr nicht

Trumps Einigung mit den Demokraten über eine höhere Grenze für die Staatsverschuldung ist keine Blaupause für die politische Zukunft der USA.

Von Claus Hulverscheidt

Zwischen all dem Geschrei und Getöse, das jeden Tag von Washington aus in die Welt schallt, geschah in dieser Woche etwas, das man schon gar nicht mehr für möglich gehalten hatte. Präsident Donald Trump einigte sich mit den oppositionellen Demokraten auf Hilfen für die Opfer des Hurrikans Harvey und auf eine höhere Staatsschuldengrenze. Die Gefahr, dass Behörden aus Geldmangel schließen müssen, ist damit vorerst abgewendet. In der Krise, so die Botschaft des stolzen Präsidenten, steht das vermeintlich geteilte Land zusammen.

Trump schließt also Kompromisse. Mit den Demokraten. Und plötzlich bewegt sich etwas im politischen Betrieb, der seit der Präsidentschaftswahl im vergangenen November wie schockgefroren wirkt. Tut sich hier ein Weg auf, die Lähmung in Washington zu überwinden?

Trumps Kompromiss mit den Demokraten kann keine Blaupause für die Zukunft sein

Rein wirtschaftspolitisch gesehen wäre eine punktuelle Zusammenarbeit des Präsidenten mit den Demokraten tatsächlich denkbar. Denn nicht nur beim Thema Schulden, auch bei vielen anderen Vorhaben steht Trump Chuck Schumer und Nancy Pelosi, seinen demokratischen Gegenspielern im Kongress, in Wahrheit näher als den Parteifreunden Mitch McConnell und Paul Ryan. Das gilt etwa für den Vorschlag eines kreditfinanzierten Infrastrukturprogramms. Für die Idee niedriger Leitzinsen zur Steigerung des Wachstums. Oder für das Konzept einer nationalistischen, allein auf die Stärkung amerikanischer Jobs zielenden Handelspolitik, das den Freihandelsfreunden unter den Republikanern immer noch so aufstößt.

Selbst das republikanische Lieblingsthema einer Steuerreform wäre für die Demokraten kein Tabu. Dazu müsste der Präsident lediglich bereit sein, die geplanten Steuersenkungen für Firmen und Arbeitnehmer um Steuererhöhungen für besonders betuchte Bürger zu ergänzen - eine Idee, die im Weißen Haus ausgiebig diskutiert wurde, wie Äußerungen des früheren Chefstrategen Stephen Bannon belegen. Die Grand Old Party hingegen, wie sie in Amerika genannt wird, lehnt jedwede Steuererhöhung prinzipiell ab, egal in welchem Kontext sie präsentiert wird.

Überhaupt: die Grand Old Party. Bei allen Gedankenspielen, an welchen Stellen Staatschef und Opposition zusammenarbeiten könnten, wird vergessen, dass kein Präsident auf Dauer gegen seine eigenen Truppen regieren kann. Wenn man den vielen Republikanern glaubt, die sich unmittelbar nach Trumps Schulden-Deal mit den Demokraten anonym in US-Medien äußerten, dann waren McConnell und Ryan nicht nur ungehalten über das Vorgehen des Präsidenten. Sie waren stinksauer, denn sie fühlten sich bei der Runde der republikanischen und demokratischen Kongressspitzen im Weißen Haus übergangen und gedemütigt - und das unter den Augen des politischen Gegners.

Trump braucht McConnell und Ryan jedoch, denn sie müssen ihm im Kongress die Mehrheiten besorgen, ohne die er kein einziges Gesetzesvorhaben wird durchbringen können. Schließlich fehlen den Demokraten in beiden Parlamentskammern die nötigen Sitze. Und - schlimmer noch - auch wenn der Präsident das vielleicht noch gar nicht realisiert hat: Schumer und Pelosi spielten bei dem Deal am Mittwoch ja kein sauberes Spiel. Statt das Thema durch eine großzügige Anhebung des Schuldenlimits für mindestens 18 Monate abzuräumen, wie die Republikaner es wollten, stimmten sie nur einer Vertagung bis Dezember zu. Das zeigt, dass es ihnen weniger darum ging, das Land zu einen. Im Gegenteil: Sie wollen das Schuldenproblem am Köcheln halten, um die Republikaner weiter der Regierungsunfähigkeit bezichtigen zu können, um Zwietracht zwischen dem Präsidenten und seinen Truppen zu säen, und um sich selbst einen taktischen Vorteil für die Kongresswahlen im Herbst 2018 zu sichern.

Eine dauerhafte Kooperation Trumps mit den Demokraten ist keine Option - für beide Seiten nicht. Das gilt schon deshalb, weil die Wirtschaftspolitik ja nicht der einzige Streitpunkt ist: In der Innen-, der Rechts- und der Gesellschaftspolitik etwa ist der ideologische Graben zwischen beiden Seiten tiefer denn je. Vor allem aber ist da Trumps Persönlichkeit, sind da sein Rassismus und Sexismus, sein Mangel an Mitgefühl und seine Unfähigkeit zur moralischen Führung, die in den Augen der meisten Demokraten-Anhänger jeden Pragmatismus im Umgang mit ihm zur Prinzipienlosigkeit degradieren. Selbst wenn ein alter Haudegen und Zyniker wie Schumer zur Zusammenarbeit bereit wäre - seine Parteibasis würde ihm das auf Dauer nicht durchgehen lassen. Beide Seiten dürften sich deshalb schon bald wieder in ihren jeweiligen Lagern verschanzen. Das Geschrei und Getöse in Washington - es wird weitergehen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: