Agrarpolitik:Gülle in Hülle und Fülle

Die Länder bremsen den Bund kurzfristig bei geplanten neuen Dünge-Regeln aus. Gerade die von den Grünen mitregierten Länder fürchten, dass Bauern in Zukunft - anders als geplant - sogar noch mehr Dünger auf den Feldern ausbringen könnten.

Von Markus Balser, Berlin

Kurz vor der Wahl erleidet die Bundesregierung eine herbe Schlappe in der Agrarpolitik. Mehrere Bundesländer fühlen sich vom Bund bei neuen Dünge-Regeln zum Schutz der Umwelt getäuscht und haben die für Freitag im Bundesrat geplante Verabschiedung einer neuen Verordnung in letzter Minute platzen lassen. Kurz vor der entscheidenden Sitzung wurde das Thema nach Angaben aus Regierungskreisen von der Tagesordnung genommen und an die Fachausschüsse überwiesen. Damit ist offen, ob das Vorhaben vor Ende der Legislaturperiode in Kraft tritt oder wie alle offenen Gesetzgebungsverfahren verfällt.

Bei dem Streit geht es um den Kampf gegen wachsende Umweltbelastungen durch zu viel Gülle auf deutschen Feldern. Die Bundesregierung habe versucht, die Verordnung durch Tricksen und Schönrechnen aufzuweichen, warnte Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer. Große Höfe können damit sogar mehr düngen als vorher. Die von den Grünen mitregierten Bundesländer wollten die Verabschiedung am Freitag verhindern, kündigt Meyer an. Minister aus Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Berlin, Niedersachsen, Hessen und Bremen warfen der Bundesregierung vor, die Verordnung über "betriebliche Stoffstrombilanzen" im Nachhinein entschärft zu haben. Änderungen bedeuteten, dass vor allem große Betriebe nicht weniger, sondern mehr Gülle ausbringen könnten. Dabei drängt die Zeit für strengere Düngegesetze: Die EU-Kommission hatte Deutschland wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser verklagt. Millionenschwere Strafzahlungen könnten die Folge sein. Bundesbehörden warnten zudem kürzlich vor stark steigenden Wasserpreisen durch die nötige Aufbereitung. In beiden Fällen müssten die Bürger zahlen. Der Verband Kommunaler unternehmen (VKU), der die Wasserwirtschaft vertritt, forderte eine schnelle Lösung im verfahrenen Streit. "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Jeder verlorene Tag ist ein schlechter Tag für den Gewässerschutz", warnte der Verband. Bund und Länder müssen sich schnell einigen, um die Nitrateinträge zu reduzieren. Gelingt das nicht, drohen Wasserversorgern und Verbrauchern in Gegenden mit zu hoher Nitratkonzentrationen höhere Kosten.

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