Bundestagswahl:Warum die AfD so gut abgeschnitten hat

Demonstration gegen Asylpolitik

Demonstration von AfD-Anhängern im Jahr 2016: Der Erfolg der Partei hängt eng mit der Flüchtlingsfrage zusammen.

(Foto: dpa)

Das starke Ergebnis der Rechtspopulisten bei der Bundestagswahl ist keine Überraschung. Fünf Faktoren, die zum Aufstieg der Partei maßgeblich beigetragen haben.

Von Benedikt Peters, Berlin

Den Hochrechnungen zufolge bekommt die AfD 13,2 Prozent. Im Detail kann sich das Ergebnis noch ändern, klar ist aber jetzt schon: Die 2013 gegründete Partei zieht mit mehreren Dutzend Abgeordneten in den Bundestag ein. Für die deutsche Politik ist das eine Zäsur: Zum ersten Mal seit dem Ausscheiden der Deutschen Partei aus dem Bundestag 1961 sitzt wieder eine offen rechte Partei im Parlament. Diese Faktoren haben beim Aufstieg der AfD eine Rolle gespielt:

Angst vor Flüchtlingen

Anfang September 2015 entschied die Bundesregierung, Flüchtlinge, die in Ungarn festsaßen, nach Deutschland weiterreisen zu lassen. In den folgenden Monaten stellten etwa 890 000 Menschen Asylanträge. Die AfD übte heftige Kritik an dieser Einwanderungspolitik, wodurch es ihr gelang, sich als Stimme der Empörten zu positionieren. Wie eng der Aufstieg der AfD mit der Flüchtlingsfrage verknüpft ist, zeigen Umfrageergebnisse: Vor September 2015 lagen die Rechtspopulisten lange Zeit bei Werten zwischen zwei und sechs Prozent. Ab September beginnt ein steiler Anstieg auf zeitweise bis zu 16 Prozent bundesweit. Genutzt haben der AfD dabei immer wieder auch Terroranschläge, die in einigen Fällen von Menschen begangen worden waren, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt hatten. AfD-Politiker beschuldigten mitunter die Bundeskanzlerin persönlich, für diese Anschläge verantwortlich zu sein. Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, den Erfolg der AfD ausschließlich auf die Migrationspolitik zu beziehen.

Ein Programm gegen die "Political Correctness"

Kurz nachdem sie zur AfD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl gekürt worden war, sagte Alice Weidel auf dem Kölner Parteitag folgende Sätze: "Als Demokraten und Patrioten werden wir uns nicht den Mund verbieten lassen. Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte." In dieser Äußerung steckt ein weiterer Grund für den Erfolg der AfD. Die Partei hat die Kritik an einer in den Augen mancher Bürger übertriebenen "Political Correctness" in ihr Programm aufgenommen. Auf Wahlkampfveranstaltungen geißeln AfD-Funktionäre immer wieder den angeblichen "Genderwahn", sie mokieren sich über die Verwendung einer geschlechtersensiblen Sprache oder kritisieren Studiengänge, die sich mit Geschlechterrollen befassen. Und sie fordern, dass man Nationalstolz endlich wieder offen artikulieren können müsse - als sei dies bisher verboten gewesen. Zum Programm gegen die "Political Correctness" gehört auch das Eintreten für ein traditionelles Familienbild und die Kritik an der Einführung der Homo-Ehe.

Der Online-Wahlkampf

Keine der deutschen Parteien ist im Internet so aktiv wie die AfD. Seit ihrer Gründung 2013 setzen die Parteistrategen sehr stark auf Facebook, um ihre Botschaften zu verbreiten. Das sei ein "schneller, direkter und preiswerter Zugang zu den Menschen", sagte AfD-Sprecher Christan Lüth vor Kurzem der SZ. Im Bundestagswahlkampf hat die Partei ihre Online-Methoden verschärft. Für die Wochen vor der Bundestagswahl engagierte sie die US-Agentur Harris Media, die den Ruf hat, Internetkampagnen extrem zuspitzen zu können. Im Auftrag der AfD betrieb Harris sogenanntes "Negative Campaigning" - eine Art des Wahlkampfes, die in Deutschland verpönt ist. Sie setzt auf starke Verzerrungen der Wahrheit und auf persönliche Angriffe auf Mitbewerber. Eine Studie der Universität Oxford hat unterdessen ergeben, dass die AfD auch auf Twitter die mit Abstand aktivste deutsche Partei ist. Über die sozialen Medien dürfte sie so mehr Menschen erreicht haben als ihre Mitbewerber.

Das Einnehmen der Opferrolle

Manche mögen in der AfD eine Bedrohung der Demokratie sehen. Deren Parteistrategen haben diesen Gedanken schon früh umgekehrt: Die Art, wie mit der AfD umgegangen werde, zeige, dass die Demokratie hierzulande bedroht sei. Der AfD ist es gelungen, sich als Opfer eines Establishments zu stilisieren, welches die Parteimitglieder an der Ausübung ihrer demokratischen Rechte hindern wolle. Die Akte dieser Inszenierung waren manchmal plump, etwa, als Spitzenkandidatin Alice Weidel ohne Not eine ZDF-Wahlsendung verließ und hinterher angab, sie sei von Moderatorin Marietta Slomka ungerecht behandelt worden. Manchmal aber haben Politiker, Journalisten und andere der AfD auch unnötig geholfen. Etwa, als sich die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer vor der Landtagswahl 2016 weigerte, an einer TV-Diskussion mit einem AfD-Vertreter teilzunehmen, woraufhin der SWR auf die Einladung des AfD-Kandidaten verzichtete. Einen ähnlichen Effekt hatten auch die oft geäußerten Forderungen, der AfD keine Räumlichkeiten für ihre Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen - oder die Versuche von Demonstranten, solche Veranstaltungen von vorneherein zu blockieren.

Kalkulierte Provokation

Die AfD ist immer wieder mit rhetorischen Tabubrüchen aufgefallen. Die Bundesvorsitzende Frauke Petry forderte für Notfälle den Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge an der Grenze, ihre Stellvertreterin Beatrix von Storch schrieb, das müsse auch für Frauen und Kinder gelten. Petrys Lebensgefährte und NRW-AfD-Landeschef Marcus Pretzell sagte nach dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz, die dort Getöteten seien "Merkels Tote", und Parteirechtsaußen Björn Höcke verunglimpfte das Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande". Spätestens seit Anfang des Jahres weiß man, dass derartige Äußerungen kalkuliert sind. Sie sollen der Partei Aufmerksamkeit in den Medien bescheren, so steht es in einem internen Strategiepapier, das an die Öffentlichkeit gelangte. In den genannten und in vielen weiteren Fällen hat dies geklappt, da zahlreiche Medien - auch die SZ - die Tabubrüche der AfD-Politiker aufgegriffen haben. Das half der Partei dabei, im Gespräch zu bleiben.

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