Justiz:Schmähkritik bestrafen

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Ist die Justiz vor allem im Osten Deutschlands und in Berlin auf dem rechten Auge dauerblind? So mutet einem Leser die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin an, die Schmähkritik gegen Renate Künast nicht zu verfolgen.

"Von der Faulheit der Justiz" vom 12. September:

Es ist nicht einfach Faulheit der Justiz. Der Vorgang grenzt an Beihilfe zu Volksverhetzung und Rufmord oder unterlassene Hilfeleistung gegenüber gewählten Politikern. Sind die Justizbehörden im Osten unserer Republik einschließlich Berlin aufgrund der dortigen Häufigkeit solcher Vorfälle bereits so abgestumpft oder einfach nur auf dem rechten Auge dauerblind?

Es ist gut, dass sich die Grünen-Politikerin Renate Künast weiter gegen die Schmähungen im Netz zur Wehr setzt. In Bamberg wurde ein Facebook-Nutzer wegen Volksverhetzung aufgrund von Drohungen und Hassbotschaften gegen den Erzbischof zu 4000 Euro Geldstrafe verurteilt. Ist ein Repräsentant der Kirche schützenswerter als einer des Staates? Natürlich muss die Justiz unabhängig bleiben, jedoch sollten bundesweit einheitliche Rechtsvorgaben eingehalten werden. Wenn nicht, ist es an der Zeit, dass der Gesetzgeber, sprich die geschmähte Politik, Richtlinien schafft und gegen Hassprediger und Verunglimpfer konsequent vorgeht. Heinrich Schwab, Stockdorf

Worte schaffen Wirklichkeit

Als Sprachwissenschaftlerin erschrecke ich darüber, welcher Sprachgebrauch um sich greift und scheinbar auf Akzeptanz stößt. Sind wir nicht in den letzten Jahren aufgefordert, uns sensibler auszudrücken, etwa bei der Bezeichnung von Flüchtlingen? Ebenso ist es vielen in unserer Gesellschaft wichtig, "gendergerecht" zu formulieren und niemanden durch Sprache zu benachteiligen. Pädagogen müssen dafür sorgen, wie sie sich gegen Herabsetzungen im Netz schützen. Bloß keine Missachtung! Warum? Weil eine Bezeichnung etwas bewirkt. Worte schaffen Wirklichkeit. Und sie bedeuten etwas.

Was meint jemand wirklich, der offenbar fordert, eine bestimmte Person sollte geköpft werden? Dass dies von der Staatsanwaltschaft offenbar als nicht so schlimm eingestuft wird, muss einen zumindest befremden. Sprache erfüllt einen Zweck, nämlich sich zu verständigen. Wenn es absolut beliebig wird, wie wir uns ausdrücken, verkommt Sprache zum billigen Computerspiel. Man probiert etwas aus, ohne dass es Konsequenzen hat in der realen Welt.

Die Frage, die uns beschäftigen sollte, lautet: Wie drücken wir uns aus, um uns zu verständigen? Denn der nächste Schritt ist: So gehen wir miteinander um. Wenn wir es nicht schlimm finden, uns abfällig auszudrücken, brauchen wir Nachhilfe in unserer Muttersprache, und zwar auf einer sehr elementaren Ebene: der Wortbedeutung. Dr. Lioba Faust, Regensburg

© SZ vom 27.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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