Finanzpolitik:Schäuble blieb unter seinen Möglichkeiten

Finanzpolitik: Wolfgang Schäuble: Er hat Deutschland aus der Finanzkrise geführt und es sogar ertragen, als sparsamer Schwabe gepriesen zu werden - obwohl er in Wahrheit Badener ist.

Wolfgang Schäuble: Er hat Deutschland aus der Finanzkrise geführt und es sogar ertragen, als sparsamer Schwabe gepriesen zu werden - obwohl er in Wahrheit Badener ist.

(Foto: AP)

Herr der schwarzen Null, Retter des Euro: So stilisierte sich der deutsche Finanzminister. Aber die Realität sah anders aus.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Wolfgang Schäuble hat zum Auftakt seiner mutmaßlich letzten Woche als Bundesfinanzminister getan, was er schon lange tun wollte: Er hat dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron die deutsche Antwort auf seine Vision zur Neugründung der Europäischen Union gegeben.

Das ist recht ungewöhnlich: Schäuble greift damit der nächsten Regierung vor, der er nicht angehören wird. Der Veteran der Bundesregierung inszeniert sich zudem als die einzig wahre europapolitische Instanz in Berlin. Das spricht für gesundes Selbstvertrauen. Für mehr allerdings nicht.

Anspruch und Wirklichkeit fielen oft weit auseinander

Der CDU-Politiker Schäuble hat in seinem Leben schon viele Rollen gespielt. Aber in keiner wurde ihm so viel Macht, Einfluss und Erfolg zugeschrieben wie in der des Bundesfinanzministers. Ein Mann mit geradezu übermenschlicher Energie hat dieser Erzählung zufolge die deutsche DNA bereichert um die Schwarze Null; er hat den Euro gerettet, weil er den strengen Zuchtmeister gegenüber klammen Euro-Staaten gab.

Er hat Deutschland aus der Finanzkrise geführt und es sogar ertragen, als sparsamer Schwabe gepriesen zu werden - obwohl er in Wahrheit Badener ist. Lässt man allerdings die Erzählung einmal Erzählung sein, sprechen die Fakten der vergangenen acht Jahre eine andere Sprache. Ja, Schäuble hat Erfolge vorzuweisen. Er hat aber auch viele Niederlagen einstecken müssen. Vor allem aber fällt auf: Selbst gestaltet hat Schäuble nicht.

Anspruch und Wirklichkeit fallen beim scheidenden Finanzminister weit auseinander - was seine nationalen Pläne angeht, seine europäischen und internationalen Vorhaben. Schäuble predigte den Europäern Sparen, gab aber selbst die Milliarden mit beiden Händen aus.

Dass er über vier Jahre eine Schwarze Null, also einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen konnte, liegt an günstigen Umständen: der guten Konjunktur, den niedrigen Rohstoffpreisen und der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank; Schäuble sparte Milliarden an Zinsen. Hinter dem Glanz blieb verborgen, wie oft Schäuble klein beigeben musste. Er hielt die Pkw-Maut für falsch, ließ sie aber nicht scheitern. Er war dagegen, E-Autos zu fördern, füllte aber den entsprechenden Fördertopf. Er fand, dass die EU-Kommission viel zu lasch gegen Defizitländer vorging, trug aber im Ministerrat alle Beschlüsse mit. Der angebliche Herkules erwies sich bestenfalls als halber Herkules.

Pläne, die nicht durchgesetzt wurden

Es war immer das gleiche Prinzip: Der erfahrene Politiker verstand es bestens, dem Volk aufs Maul zu schauen und es zu beruhigen, mit klugen Worten und klugen Plänen. Nur durchsetzen konnte er sie nicht. Er stellte energische Maßnahmen gegen Steuerschlupflöcher in Aussicht, es gelang ihm aber nicht, Mehrheiten dafür zu organisieren. Stattdessen musste Schäuble später Entscheidungen wider besseres Wissen mittragen.

Hatte Schäuble am Ende gar nicht so viel Macht, wie ihm zugeschrieben wurde? Es fällt jedenfalls auf, dass der Finanzchef des Landes mit der stärksten Volkswirtschaft Europas seine Möglichkeiten nicht zu nutzen vermocht hat. Bei der europäischen Finanztransaktionssteuer zum Beispiel hätte Schäuble über seine Position als De-facto-Euro-Gruppen-Chef versuchen können, die Euro-Partner von dieser Steuer zu überzeugen. Stattdessen übergab er die Verantwortung an das kleine Österreich.

Erfahrung und Macht ließen sich auch national nicht in Erfolg umsetzen. Das zeigt die verpasste Steuerreform. Sie hätte schon im Koalitionsvertrag verankert werden müssen, was freilich nicht passierte. Stattdessen ließ Schäuble zu, dass vereinbart wurde, die Steuern weder zu erhöhen noch zu senken. Damit war der Finanzminister zum Nichtstun verdonnert.

Weder Strategie noch Finessen

Auch anderswo schaffte es Schäuble nicht, die Koalitionsarithmetik durch eine raffinierte Strategie oder taktische Finessen zu überwinden. Die Reform der Erbschaftsteuer verkam zu einem Formelkompromiss, weil Bayern sich stur stellte. Ein ähnliches Schicksal ereilte den Bund-Länder-Finanzausgleich. Schäuble verhandelte so schlecht, dass er allein den Ministerpräsidenten aus 16 Bundesländern gegenüberstand. Der CSU gelang es sogar, die Linke auf ihre Seite zu ziehen. Künftig werden nun nicht mehr die reichen Länder den schwachen helfen - es zahlt der Bund. Zur Bilanz Schäubles gehört auch, dass er die Gegebenheiten zu oft akzeptiert hat, statt zu kämpfen. Er hat das viele Geld im Bundeshaushalt genutzt, um Streit zu übertünchen. Das wird sein Nachfolger nicht mehr können.

All das mag der Machtpolitiker Schäuble bedacht haben, als er sich entschloss, künftig den Bundestag zu erziehen. Als dessen Präsident kann er dort seinem Hobby Europa nachgehen, ohne lästige Koalitionsdisziplin beachten zu müssen. Rederecht ist ihm sowieso garantiert.

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