Die blödesten Weihnachtsgeschenke:Dinge, die wir nie wollten

Lesezeit: 6 min

Frosch, Bierkrug oder Schlafanzug: Jeder hat schon mal ein Geschenk unterm Baum gefunden, auf das man lieber verzichtet hätte. Auch die Redakteure von sueddeutsche.de.

Für immer stumm

Noch grün und feucht: Ein Frosch als ungebetenes Weihnachtsgeschenk. (Foto: Foto: Photocase/iStock/ Montage sueddeutsche.de)

Einmal bekam ich kurz vorm Weihnachtsfest einen Frosch geschenkt. In einer Plastikbox mit wenig Wasser gefüllt, im Jutebeutel überreicht. Von einem Verehrer, der wohl nicht klar bei Sinnen wahr. Haustiere gab es in meiner Kindheit nicht - kein Tier könne im Haus artgerecht gehalten werden, pflegte mein Vater stets zu sagen. Und nun diese Quälerei.

Mit schlechtem Gewissen kaufte ich ein teures Terrarium. Als der Zoohändler das exotische Tier sah, trafen mich zusätzlich strafende Blicke. Auch mein Vater am Telefon war sauer, als er von dem Familienzuwachs erfuhr.

Mit Sand und Pflanzen versuchte ich, dem Frosch eine kleine Oase zu basteln. Auch eine Wärmelampe sollte er haben. Plastikboxen mit zweierlei Heuschrecken mussten her (die armen Viecher). Doch rein mit ihnen in den Glaskasten, der Frosch hatte Hunger.

Mein Mitbewohner war auch bald erbost: Der Frosch war nachtaktiv und quakte pünktlich ab Mitternacht bis in die Morgenstunden. Das Tier musste aus der WG. Es sollte bei der Mutter des Verehrers ein Zuhause finden. Schließlich hatte er mir die Kröte, Verzeihung, den Frosch eingebrockt.

Der Rest ist schnell erzählt. Eines nachts verließ der Frosch das Terrarium (wer die Klappe nicht verschlossen hatte, blieb ungeklärt) und ging auf Wanderschaft. Weit kam er nicht. Er quakte zwar die ganze Nacht hindurch, gemäß seiner Gewohnheit. Doch am nächsten Morgen war er für immer stumm: Er war auf der Fußbodenheizung kläglich vertrocknet.

Ins Hirn gebohrt

Was auf die Ohren: Eine Türharfe erfreut nicht jeden. (Foto: Foto: Photocase/Medirescue.com/ Montage sueddeutsche.de)

Es gibt für mich nichts Schlimmeres auf Erden als Töne, die in regelmäßiger Folge bei meinen Ohren anklopfen. Tropfende Wasserhähne, das leise Quietschen der halboffenen Gartentür eines Nachbarn, leises Tuscheln oder Popcorn-Gefingere im Kino, im Büro wahlweise das Kippeln, Klackern, Aufstöhnen von Kollegen. Ich kann nichts dagegen tun, es macht mich wahnsinnig. Wer mich etwas besser kennt, sollte das wissen.

Was ist bei so einem Menschen der größte anzunehmende Geschenke-Unfall? Ein Windspiel, dachte ich auch bisher.

Aber es geht noch schlimmer. Ich bekam eine Tür-Harfe geschenkt. Diese gibt nämlich nicht nur bei der leichtesten Luftbewegung ganz leise Töne ab. Wenn jemand die Tür bewegt, erklingt für fast eine Minute eine Tonfolge, die sich langsam aber sicher ins Hirn bohrt, immer und immer wieder.

Man sollte Tür-Harfen schon im Geschäft als Folterwerkzeuge kennzeichnen.

So einen Vogel wollt ich nicht

Es musste ja kein Pferdchen sein, wie im Lied von Heintje. Aber ein Papagei. Ein bunter Vogel, der mir irgendwann alles nachsprechen und mich wahrscheinlich am Ende überleben würde. Ein treuer munterer Spielgefährte sollte es schon sein, für mich als Einzelkind.

Das hatte ich den Großeltern, Onkeln und Tanten erzählt. Alle zeigten sich geheimnisvoll zuversichtlich. An meinem achten Weihnachtsfest packte ich das erste Geschenk aus: ein Plüschpapagei mit Spieluhr. Die Enttäuschung war groß. Schlimmer wurde es, als ich das zweite Päckchen auswickelte: ein Plüschpapagei mit Spieluhr. Im dritten: ein Plüschpapagei mit Spieluhr.

Nein, so einen Vogel wollt' ich nicht.

Aus dem fernen Bruderland

Zu einem Weihnachtsfest in den achtziger Jahren - zu tiefsten "Friedenszeiten" - hatte ich mir von meiner Oma einen "tollen Satz Briefmarken aus dem Westen" gewünscht, da sie kurz vorher der Verwandtschaft in der BRD einen Besuch abstatten durfte.

Wochenlang freute ich mich schon darauf und malte mir in Gedanken aus, wie toll sich doch die Briefmarken aus solch für DDR-Deutsche "exotischen" Ländern wie Südafrika, Israel, dem entferntesten Pazifikeiland oder selbst den USA in meinem Briefmarkenalbum machen - und wie erst meine Kumpels staunen würden. Die Bescherung kam - und meine Oma überreichte mir voller Stolz einen Hunderter-Pack mit Briefmarken aus: der VR Polen. Dziekuje!

Vorfreude ist halt doch ...

Mein blödestes Geschenk war eine Carrerabahn. Nicht, weil ich damals schon 25 Jahre alt gewesen wäre, als ich die Autorennbahn von meinen Eltern geschenkt bekommen habe, sondern weil ich einfach zu früh nachgeschaut habe. Damals, mit ungefähr acht Jahren, glaubte ich schon nicht mehr an den Weihnachtsmann. Umso stärker und vehementer hoffte ich auf eine Carrerabahn.

Der Wunsch danach wurde so stark, dass ich rund drei Wochen vor Heiligabend regelmäßig begann, vorab den Schrank meiner Eltern zu durchwühlen. Und tatsächlich: Eines Tages fand sich da ein großes Geschenk. Allerdings schon eingepackt. Was also tun? Nur an einer Ecke aufreißen und nachschauen?! Habe ich getan. Leider war das zu auffällig. Es gab einen Riesenkrach wegen Vetrauensmissbrauch und so. Und, vielleicht noch schlimmer, die Vorfreude war weg. Einfach so. Befriedigt. Dass die blöden Dinger dann nachher immer aus der Bahn gesprungen sind, hat mich nicht mehr so umgehauen.

Echter Hände Arbeit

Es gibt Weihnachtsgeschenke, die gehen einfach nicht. Schlafanzüge zum Beispiel. Die will keiner kriegen. Weder von Omi, noch von Mutti. Und schon gar nicht vom Schatzi. Nichts dagegen habe ich gegen Selbstgebasteltes. Da steckt echter Hände Arbeit drin. Ein Liebesbeweis ist so was. Mein Liebste hat also gebastelt für mich.

Über Wochen waren ganze Wohnbereiche hermetisch abgeriegelt. "RAAUUS HIIEEER", brüllte es mir entgegen, wenn ich auch nur in die Nähe einer Tür kam, die in die Sperrzone führte. Ich machte mir dann doch langsam Sorgen. Wie ich am Heiligabend erleben musste: berechtigte Sorgen.

Unterm Baum lag ein großes Paket. Eines ohne Ecken und Kanten. Weich fühlte es sich an. Verdächtig weich. Ich riss das Paket auf. Zwei Stücke Stoff, untereinandergelegt erkennbar dazu dienend, einen Körper mit vier Gliedmaßen die Blöße zu nehmen. Das untere Teil, nennen wir es Hose, schien geradezu zusammengezimmert zu sein aus schwerstem, blaugefärbtem Frotteestoff. Elefantenbeine hätten reichlich Platz darin gefunden. Ein schmales Gummiband schrumpfte das Bündchen auf den Hüftumfang eines durchschnittlich gewachsenen Mitteleuropäers, was das Kleidungsstück einem Ballon nicht unähnlich machte.

Das Oberteil war aus einem rotkarierten Holzfäller-Stoff gefertigt, wie man ihn von Biberbettwäsche kennt. Das Design: nun ja, grobschlächtig. Ein großes Stück Stoff in der Mitte geklappt. So zusammengenäht und zurechtgeschnibbelt, dass Arme und Oberkörper so gerade erkennbar waren. Erst mit einigen Schritten Abstand wurde mir Gewahr, was da vor mir lag: Ein Schlafanzug. Das Schlimme an solchen Geschenken ist, dass die enge Bandbreite an Reaktionsmöglichkeiten keinerlei Überraschungen zulässt. Ärger, Frust, Trauer über die vielen Geschenke, die man stattdessen hätte bekommen können, alles muss einem sinnlich-dankbarem Lächeln weichen.

Ich bin kein guter Schauspieler. Meine Liebste hat sofort gemerkt, dass was nicht stimmt. Ich hab das als Anlass genommen, ehrlich zu sein. Ein dummer, dummer, ein sehr dummer Fehler. Wir haben sechs Wochen nicht miteinander gesprochen. Und noch heute steht etwas zwischen uns, wenn ich am Abend in meine selbstgekaufte Schlafhose steige.

Was für die Identität

Der Bierkrug, so notiert es Wikipedia, würde in Japan und auch in Amerika als "typisch deutsch" verstanden. So ein Humpen ist demnach identitätsstiftend, so dachte wohl auch meine Großtante, als sie mir dieses Stück vermachte.

Es ist das scheußlichste Geschenk, das ich jemals erhalten habe. Und, jawohl, ich behalte es. Ein Stück, das einer Erklärung bedarf: Ein Teil meiner Familie war sich der Vergangenheit seines Teutonentums stets überbewusst. Es wimmelte vor puritanischen preußischen Pastoren, man war entschieden gegen Hitler, weil man entschieden für die Rückkehr des Kaisers war. Und die Taschenuhr des Ur-Ur-Großvaters wurde den Enkeln auch gerne gezeigt - schließlich hatte sie der Ahne 1870 bei der Schlacht von Sedan dabei.

Ich bin nicht ganz so nach den Vorvätern geraten, was meine schlohweiße Tante nicht zu stören scheint: Alle Jahre wieder erhalte ich Bodenständiges von der rüstigen Dame. Kurz vor Weihnachten im vorigen Jahr inspizierte sie meine Wohnung, so wie sie das jedes Mal tut. Diesmal hatte sie keine Hausschuhe oder einen Prachtband wie "Die Bibel in Bildern" dabei, sondern diesen Bierkrug. Freundestrahlende Übergabe: "Ja, so ein Humpen fehlt dir noch in deiner Bleibe, gell! Und dieser hier ist ja sogar noch aus meiner Geburtsstadt Erlagen."

Verzweifelte Konter des Juniors ("Ich mag kein Bier, ich mag nur Wein"), wischte Sie weg mit dem Hinweis: Der sei ja auch nicht zum daraus Trinken da! Sondern zum Anschauen. Oder für Blumen. Bei ihrem nächsten Besuch bringt sie welche mit, sagte sie. Bis dahin bleibt der Humpen mindestens hier, vielleicht auch noch länger. Als stille Mahnung, es bei meinen Kindern besser zu machen.

Doppelt hält besser

Ich bekam im Jahr 2002 von meinen Freunden das Computerspiel "Fifa 2003" geschenkt - das ich schon hatte. Das wussten meine Freunde, sie kauften es trotzdem und überreichten es mir mit der Begründung: "So wie wir dich kennen, zerstörst oder verlierst du das Spiel sowieso - also hast du in diesem Fall das Spiel noch mal."

Sie hatten recht. Nach vier Wochen hatte ich das erste verschlampt.

Ein hohler Zahn. Auch eine tolle Geschenkidee. (Foto: Foto: Photocase/ Montage sueddeutsche.de)

Vorsicht, bissig!

Interesse an einem "Dreisiebener"? Stattliche Wurzel, gelb angelaufen und ein tiefes schwarzes Loch in der Mitte. Nein? Hatte ich auch nicht, als ich ihn das erste Mal sah, gebettet auf dunkelviolettem Samt, kunstvoll drapiert in einem schwarzen Schmuckkästchen.

Das war an Weihnachten 2006. Alle Verwandten hatten sich um den reichlich gedeckten Gabentisch versammelt. Das Weihnachtsessen noch nicht ganz verdaut, die Torte schon wieder griffbereit. Das alljährliche Wichteln stand vor der Tür.

Die illustre Runde war voller Vorfreude auf die Reaktionen der scheußlich Beschenkten - und mein Onkel grinste über beide Ohren. Schon im letzten Jahr hatte er das große Los gezogen: Mich. Fortan muss er jeden Tag darüber nachgedacht haben, wie er mir im kommenden Jahr eine besondere Freude bereiten könnte.

Ein Besuch beim Zahnarzt brachte schließlich den erhofften Durchbruch. Angetan vom schmerzenden Backenzahn meines Onkels, verzichtete der Arzt lieber gleich auf den Bohrer und nahm die Zange. Das durchhöhlte Präsent überreichte er stolz seinem Patienten - und der letztendlich mir. Meine Oma würdigte das Geschenk ernsthaft mit den Worten: "Jemand anders könnte sich den doch noch als Ersatz einsetzen lassen." Wer will, kann sich bei mir melden.

(sueddeutsche.de/bre)

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