"Mit Rechten reden":Männer contra Schneeflöckchen

"Mit Rechten reden": Wenn mit Rechten geredet werden soll, kann man sie vielleicht auch malen - zumindest so, wie der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf den Kanzler eines vergangenen deutschen Reiches malte: als kubistisches Werk, beinahe signiert von Pablo Picasso.

Wenn mit Rechten geredet werden soll, kann man sie vielleicht auch malen - zumindest so, wie der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf den Kanzler eines vergangenen deutschen Reiches malte: als kubistisches Werk, beinahe signiert von Pablo Picasso.

(Foto: Wolfgang Herrndorf/VG Bild-Kunst, Bonn 2017)

Ein Werk zur rechten Zeit: Per Leo, Max Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn haben eine Handreichung für den argumentativen Umgang mit Rechten verfasst. Ein Streitgespräch über das Buch der Stunde.

Interview von Alex Rühle

Per Leo, Max Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn haben das Buch zur Stunde geschrieben: Ihr Leitfaden "Mit Rechten reden" (Klett-Cotta, Stuttgart 2017, 183 Seiten, 14 Euro) ist eine Streitschrift im doppelten Sinne: Zum einen plädieren sie dafür, den Streit im Sinne der argumentativen Auseinandersetzung wieder ins Zentrum der politischen Kultur zu holen. Zum anderen ist es ein Buch darüber, wie gelingender Streit überhaupt auszusehen hat. Ein Gespräch darüber, wie man richtig mit Rechten redet.

SZ: Ihr Buch setzt ein mit einem Zitat von Wolfgang Herrndorf: "Ich habe jahrelang mit Nazis Rollhockey gespielt, fraternisiert und was weiß ich, und was hat es meinem Charakter geschadet?"

Per Leo: Herrndorf und ich haben jahrelang gemeinsam Fußball gespielt. Einmal entspann sich innerhalb der Mannschaft eine heftige Diskussion darüber, ob wir an einem Turnier teilnehmen sollen, das rechte Fans von Dynamo Berlin ausrichteten. Irgendwann hat Herrndorf mit diesem einen Satz die ganze Diskussion entschieden. Wir haben teilgenommen, und es war ein gutes Turnier.

Ähnlich sportlich fordern Sie jetzt dazu auf, den argumentativen Wettstreit mit den Rechten zu suchen.

Steinbeis: Nicht, weil es solch großen Spaß macht. Sondern weil uns gar nichts Anderes übrig bleibt.

Leo: Die neue Rechte ist ein unangenehmer Gegner, weil der sich nicht so doof macht, wie man das hofft. Deren Stichwortgeber sind keine plumpen Nazis, sondern belesene, strategisch gewitzte Intellektuelle, die in den Siebzigern damit begannen, den Feind genau zu studieren. Wir wollten erst einmal zeigen, dass wir diesen neuen Rechten heute sehr oft in die Falle gehen. Dass sie mit uns spielen, wenn sie mit uns reden, weil sie unsere Reflexe so gut kennen.

Zu Beginn greifen Sie Ihre "linken Freunde" an. Was haben die Nicht-Rechten in den letzten Jahren falsch gemacht? Und wen meinen Sie damit?

Steinbeis: Der Diskurs, die Rechte bloß nicht salonfähig zu machen, sie außen vor zu halten, hat ja offenbar nicht gefruchtet. Unter anderem, weil er als Schlacht zwischen Mordor und Auenland inszeniert wurde. Hier die moralisch Guten, da die Widerlinge, die man mit moralischen Bekenntnissen und moralischer Zensur zu bekämpfen versucht.

Leo: Die Rechte profitiert von dem Antifa-Reflex, alles, was auch nur nach rechts riecht, sofort niederzuknüppeln. Da sie wissen, dass und wann dieser Reflex kommt, können sie so gut damit spielen. Sag was Provokantes, was als nazihaft gebrandmarkt wird, und schau dann zu, wie "die Linken" uns wieder missverstehen, wie sie nicht differenzieren, wie sie heucheln und ihre angeblichen Werte im eigenen Reden widerlegen. Und es gibt ihnen darüber hinaus den strategischen Vorzug, sich vor der inhaltlichen Auseinandersetzung drücken zu können.

Sie sagen, die Linke habe ihre argumentative Schärfe eingebüßt. Weil sie die Dialektik über Bord geworfen hat und stattdessen nur noch selbstherrlich-moralisch argumentiert. Sie werfen ihr aber auch vor, den ihr eigenen Humanismus verloren zu haben. Inwiefern?

Leo: Weil sie selbst immer wieder in enthumanisierender Weise über Rechte sprechen. Wenn ich sehe, wie in vielen Facebook-Blasen zivilisierte Rechte höflich ihre Standpunkte darstellen und dann Nichtrechte in herablassender, moralistischer Form mit Nazivorwürfen kommen - ist doch klar, dass sich viele Zuschauer irgendwann mit diesem Rechten solidarisieren, weil er als Gesprächspartner pauschal disqualifiziert wurde.

Steinbeis: Sich über Rechtschreibfehler lustig zu machen ist genauso kontraproduktiv wie die moralische Empörung über die Krassheit einer Formulierung oder die Ausgrenzung. Sie nehmen alle drei Strategien nur als Beleg dafür, dass sie recht haben: Wieder einmal wurde der Beweis erbracht, dass diese heuchlerischen, liberalen "Linken" wenn sie es mit jemanden zu tun haben, der sich nicht einschüchtern lässt, am Ende ihre Lateins sind und selbst mit Praktiken operieren, die zeigen, dass sie es so ernst gar nicht nehmen mit der Meinungsfreiheit.

Sie schreiben, die Rechten würden in der Diskussion permanent zwischen der Rolle des Ekels und der des Opfers hin und herpendeln. Wie soll man das verstehen?

Steinbeis: Sie halten sich selbst an keine Gesprächsstandards und lassen den Anderen nicht in seiner Andersartigkeit gelten, sondern operieren aus einer Freund-FeindLogik heraus. Wenn man auf diese Provokation wütend reagiert, können sie sich auf die Opferrolle zurückziehen: "Wir werden missverstanden." Oder: "Man denunziert uns als Nazis." Dann kommt der nächste Angriff. Mit diesem Pendelschlag kann man ziemlich lange erfolgreich operieren.

Das ist das zentrale Sprachspiel. Aber wie muss man denn reagieren, wenn jemand in diesem Modus auf einen zukommt?

Leo: Nicht auf die Provokation eingehen, sondern auf den Inhalt. Man kommt oft erstaunlich weit, wenn man fragt: Wieso? Wie meinen Sie das genau? Die Provokation als Behauptung ernst nehmen. Dann muss der Andere die ja begründen. Da kann er dann niemanden schuldig machen. Und da hakt's dann meistens aus.

Sie arbeiten dann vier Strategien heraus, mit denen die Rechten einer solchen inhaltlichen Auseinandersetzung immer wieder aus dem Weg gehen. Wie sehen die aus?

Steinbeis: Erst einmal behaupten sie, mit irgend etwas Recht zu haben und verabsolutieren dabei die eigene Position. So isses, ich hab Recht. Dann warten sie auf den empörten Aufschrei, das sei menschenverachtend! Daran weiden sie sich richtiggehend und können weiterprovozieren. Man muss mit einem inhaltlichen Argument kontern, etwa der Gegenfrage, wie sie so eine Behauptung mit dem historischen Islam zusammenbekommen. Dann gehen sie auf die skeptizistische Position: Wahrheit lässt sich ja nicht erkennen.

Wie hinterfrage ich diese skeptizistische Position?

Leo: Du kannst nicht kategorisch die Bezweifelbarkeit von allem Wissen behaupten und das als Wissen ausgeben. Wenn du sie auf diesen logischen Widersprich aufmerksam machst, kommen sie mit einer Vulgärvariante der Postmoderne. Sie behaupten ein Patt: Du hast deine Wahrheit, ich habe meine Wahrheit. So als seien das zwei gleichberechtigte Positionen.

Steinbeis: Damit einher geht die Behauptung eines Unentschieden. Letztlich wird das Leben entscheiden. Damit entziehen sie sich der Tatsache, dass sie eingangs etwas behauptet haben.

Von da springen die Rechten am Ende auf den von Ihnen sogenannten Männer- oder Kasernenpunkt. Was ist damit gemeint?

Leo: Bejahter Nihilismus. Wenn man ihnen sagt, das sei kein Unentschieden, sondern sie würden sich widersprechen, dann umarmen sie plötzlich den logischen Widerspruch. Sie geben zu, argumentativ unterlegen zu sein, drehen es aber ins Vitalistische: Scheiß auf den Logos, letztlich entscheidet das Leben. Der Bürgerkrieg, mit dem sie so gerne kokettieren, ist für sie wie das richtige Leben: Du gegen mich, am Ende gewinnt der Stärkere.

Steinbeis: Das argumentative Rumgeeiere wird als Ausweis von besonderer Manneskraft verkauft: Wir widersprechen uns? Na, wenn das mal kein Mut ist! Diese bürgerlichen Schneeflöckchen reden sich die Welt mit ihrer Theorie schön. Aber die Welt ist ein Chaos, das man umarmen muss. Wir trauen uns, der Grundwidersprüchlichkeit des Lebens männlich ins Auge zu schauen!

Wie reagieren Sie auf dieses letzte Manöver?

Leo: Mit Achselzucken. Diese Pose ist auf Dauer öde und schlichtweg pubertär. Und da werden die Rechten unruhig. Sie brauchen ja in ihrer Freund-Feind-Logik unbedingt unseren empörten Einspruch. Also springen sie zur nächsten Behauptung und versuchen dich erneut zu provozieren: "Der Nationalsozialismus war eine linke Bewegung." Bämm. "Wir sind die weiße Rose." Yeah. Wenn man darauf nicht empört reagiert, sondern sie bittet, zu erklären, wie sie zu solchen Behauptungen kommen, kann man ihnen dabei zusehen, wie sie auf ihrem Kreis herumspringen.

Oft kommen die Behauptungen ja in tautologischer Form daher, etwa wenn der Politologe Bernard Willms schreibt: "Unsere Identität ist objektiv die der Deutschen als Deutsche." Oder Carl Schmitts Definition, der Feind sei der Feind als Feind. Wie lässt sich das argumentativ knacken?

Steinbeis: Der Trick einer solchen tautologischen Behauptung ist, dass dabei das Kriterium für die Unterscheidung gleichzeitig die Unterscheidung selber ist. Die Unterscheidung, was genau der Feind ist, wird unterlaufen zugunsten der einfachen Entscheidung, dass er der Feind ist. Das reicht schon. Diese Denkbewegung findet man bei allen Fragen der Identität und Selbstbehauptung. Man kann ja gern über Deutschsein reden. Die Verabsolutierung ist das Problem.

Leo: Wie Max Steinbeis das einmal im Buch schön schreibt: Jeder von uns kann gern um seinen Ahnenstammbaum tanzen, er kann daraus aber keine politischen Forderungen herleiten. Das kann keine Verbindlichkeit für alle haben.

Gibt es bei Ihnen auch den Optimismus, die Rechten selbst zu überzeugen?

Steinbeis: Erst einmal geht es darum, den Zuschauern dieses permanente Kreisgehüpfe vorzuführen. Dadurch nimmt man den Rechten ihre schillernde Anziehung.

Ihr Buch hat eine solch heitere Kraft, weil Sie aus einer Haltung souveräner Ruhe heraus schreiben. Am Ende laden Sie die Rechten zum Streitgespräch ein. Wie stellen sie sich das vor?

Leo: Auf Facebook gibt's diesen Streit ohnehin täglich. Aber wir möchten das gern auch vor Zeugen ausfechten. Im Theater, auf Podien, mal bei euch, mal bei uns. Das Buch ist eher als Auftakt gedacht.

Steinbeis: Solange es sich um einen Kampf zwischen Gegnern und nicht zwischen Feinden handelt, kann ich nichts Furchterregendes daran erkennen, mich in diesen Kampf zu begeben.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: