Affäre Weinstein:Tarantino: "Ich habe genug gewusst, um mehr zu tun, als ich getan habe"

Tarantino admits he knew of Weinstein misconduct complaints

Ungewöhnlich offene Worte zur Affäre Weinstein: Regisseur Quentin Tarantino (hier neben Weinstein auf einer Veranstaltung in Hollywood)

(Foto: AFP)
  • Die Polizei von Los Angeles hat Ermittlungen gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein wegen sexueller Nötigung eingeleitet. Um welchen Vorfall es geht, gab die Behörde nicht bekannt.
  • Weinsteins Weggefährte und Freund Quentin Tarantino hat in einem Interview ungwöhnlich offen eingeräumt, falsch mit seinem Wissen zu Weinsteins Fehlverhalten umgegangen zu sein.
  • Der New York Times sagte er: "Ich wünschte, ich hätte Verantwortung übernommen für das, was ich gehört habe."

Am frühen Donnerstagabend bestätigt die Polizei von Los Angeles: Ja, sie habe Ermittlungen gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein wegen sexueller Nötigung eingeleitet. Ein mutmaßliches Opfer habe in einer Befragung entsprechende Vorwürfe erhoben, sagt ein Sprecher. Weitere Details werden mit Verweis auf die laufende Untersuchung nicht genannt. Weinsteins Sprecherin reagiert umgehend: "Mr. Weinstein (...) weist Vorwürfe von nicht einvernehmlichem Sex eindeutig zurück", heißt es in einem Statement. Auch in New York und London ermittelt die Polizei wegen mutmaßlicher sexueller Nötigung gegen Weinstein.

Fast zeitgleich zum Pressestatement des Los Angeles Police Department veröffentlicht die New York Times ein Interview mit einem einstigen Weggefährten von Weinstein. Im Gespräch mit der Zeitung räumt Regisseur Quentin Tarantino ein, aus erster Hand von einigen Vorfällen gewusst und trotzdem nichts unternommen zu haben. Dafür schäme er sich heute. Die New York Times und das Magazin New Yorker hatten die mutmaßlichen, systematischen Übergriffe des Hollywood-Bosses Anfang Oktober publik gemacht. Mittlerweile haben mehr als 40 Frauen Anschuldigungen erhoben, darunter prominente Schauspielerinnen wie Gwyneth Paltrow und Angelina Jolie.

"Ich habe genug gewusst, um mehr zu tun, als ich getan habe", sagte Tarantino der Zeitung. Die Vorwürfe gegen Weinstein seien immer mehr gewesen als Gerüchte, mehr als normaler Szene-Tratsch. "Ich wünschte, ich hätte Verantwortung übernommen für das, was ich gehört habe." Die richtige Konsequenz wäre gewesen, nicht weiter mit Weinstein zusammenzuarbeiten, so der 54-Jährige.

Weinstein richtete Tarantino eine Verlobungsparty aus

Das Duo Weinstein/Tarantino ist für zahlreiche Erfolgsproduktionen der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich, darunter die Filme "Reservoir Dogs", "Pulp Fiction", die "Kill Bill"-Reihe, "Inglourious Basterds" und "The Hateful Eight". Die beiden Männer soll aber mehr als eine berufliche Freundschaft verbunden haben: Der New York Times zufolge richtete Weinstein noch vor einigen Wochen eine Verlobungsparty für Tarantino aus.

Und das, obwohl Tarantino bereits 1995 von einem konkreten Übergriff erfuhr, wie er jetzt der Zeitung erzählte. Seine damalige Freundin, Schauspielerin Mira Sorvino, habe ihm erzählt, dass Weinstein sie ohne ihre Erlaubnis massiert und durch ein Hotelzimmer gejagt habe. Der Filmproduzent tauchte sogar vor der Wohnung der Schauspielerin auf. Er sei von diesen Erzählungen zwar schockiert gewesen, so Tarantino, aber er habe gedacht, dass Weinstein schlicht verknallt gewesen sei in Sorvino, die gerade mit dem Woody-Allen-Film "Geliebte Aphrodite" ihren Durchbruch hatte. "Ich dachte, (...) weil er in sie verliebt ist, hat er auf unverzeihliche Art und Weise eine Linie übertreten."

In den darauffolgenden Jahren hörte Tarantino nach eigenen Angaben eine weitere verstörende Geschichte dieser Art: Eine Schauspielerin vertraute sich ihm an, berichtete von unerwünschten Avancen des Produzenten. Er habe Weinstein daraufhin konfrontiert und dieser habe sich halbherzig entschuldigt. Die betroffene Schauspielerin hat der New York Times den Vorfall bestätigt, will aber anonym bleiben. Sorvino hatte den von Tarantino beschriebenen Zwischenfall jüngst selbst öffentlich gemacht..

"Alles, was ich jetzt sage, wird sich wie eine beschissene Entschuldigung anhören"

Auch von der außergerichtlichen Einigung zwischen Weinstein und der Schauspielerin Rose McGowan wusste der Kultregisseur Tarantino nach eigener Aussage. McGowan war eine der ersten Frauen, die sich öffentlich äußerten, sie spricht mittlerweile von Vergewaltigung. "Ich habe diese Vorfälle marginalisiert. Alles, was ich jetzt sage, wird sich wie eine beschissene Ausrede anhören."

Vor Tarantino hatten bereits andere männliche Filmschaffende Stellung bezogen zur Affäre Weinstein, darunter Schauspieler George Clooney. Tarantino ist allerdings der Erste, der offen ein eigenes Fehlverhalten im Umgang mit den Gerüchten um den Filmproduzenten einräumt. Der Regisseur appelliert an andere Männer in der Branche nicht so zu tun, als hätten sie von alledem nichts gewusst: "Veröffentlicht nicht einfach nur Statements. Gebt zu, dass da was faul war im Staate Dänemark. Versprecht, dass wir unseren Schwestern in Zukunft zur Seite stehen."

Ebenfalls zeitgleich mit dem Bekanntwerden der Ermittlungen und dem Erscheinen des Tarantino-Interviews hat nun auch die Oscar-prämierte Schauspielerin Lupita Nyong'o Vorwürfe gegen den Filmproduzenten erhoben. Weinstein habe sie zu sich nach Hause eingeladen, als sie noch die Schauspielschule besuchte, schreibt Nyong'o in der Times. Weinstein habe sie gefragt, ob er sie massieren dürfe, sie habe abgelehnt, aber ihn massiert. Er habe versucht, seine Hose auszuziehen. Nachdem sie mehrfach protestiert hatte, sei sie gegangen.

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