Russland:Moskau will Journalisten wie Agenten behandeln

NatWest bank to close bank accounts of Russian television channel

Der Sitz von Russia Today in Moskau.

(Foto: Sergei Ilnitsky/dpa)
  • Das russische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das es ermöglichen soll, Journalisten und Menschenrechtsorganisationen als ausländische Agenten zu brandmarken.
  • Auch deutsche Medienhäuser wie die Deutsche Welle könnten von dem Gesetz betroffen sein.
  • Russland reagiert damit darauf, dass Washington den russischen Sender RT gezwungen hatten, sich in den USA als "Foreign Agent" zu registrieren.

Von Julian Hans, Moskau

In ihrem Kampf gegen ausländische Einflüsse nimmt Russlands Regierung nun die Medien ins Visier. Das Parlament hat ein eilig zusammengestelltes Gesetzespaket verabschiedet, das es ermöglicht, im Ausland registrierte Zeitungen, Internet-Portale sowie Radio- und Fernsehsender zu ausländischen Agenten zu erklären. Sollten sich die Medien den neuen Vorschriften nicht beugen, müssten sie ihre Arbeit in Russland einstellen, sagte der Vize-Präsident der Staatsduma, Pjotr Tolstoi, im Vorfeld.

Wen die Maßnahmen betreffen und wie sie sich auf die Arbeit von Journalisten in Russland auswirken werden, blieb bis zuletzt unklar. Das könnte an der Eile liegen, mit der die Änderungen vorbereitet wurden. Die uneindeutigen Formulierungen eröffnen aber auch weiten Interpretationsspielraum, um gegen unliebsame Berichterstattung vorzugehen.

Die Gesetzesänderungen wurden schnell verabschiedet, um auf einen Schritt Washingtons zu reagieren. Die Amerikaner hatten den russischen Auslandssender RT dazu gezwungen, sich Anfang der Woche gemäß dem Foreign Agents Registration Act (Fara) zu registrieren. Das Gesetz von 1938 sollte ursprünglich verhindern, dass Nazis in den USA Propaganda betrieben, blieb aber nach 1945 in Kraft. Während des Kalten Kriegs war etwa das Korrespondentenbüro der staatlichen sowjetischen Nachrichtenagentur Tass registriert. Heute steht beispielsweise die Zeitung China Daily im US-Register, das staatlich finanzierte Sprachrohr der chinesischen Regierung in englischer Sprache.

2012 nahm sich der Kreml das US-Gesetz als Vorbild, um Nichtregierungsorganisationen als Agenten des Auslands zu brandmarken, wenn sie Mittel aus dem Ausland erhalten. Derzeit führt das Justizministerium 87 Organisationen als "ausländische Agenten", darunter fast alle namhaften Menschenrechtsorganisationen, aber auch Umweltschützer und den russischen Ableger der Korruptions-Kritiker von Transparency International.

Befürworter der Initiative hatten in den vergangenen Tagen die Sender Voice of America und Radio Liberty als mögliche Ziele genannt. Beide werden vom US-Kongress finanziert. Erwähnt wurde auch der privatwirtschaftlich betriebene Nachrichtenkanal CNN. Die Deutsche Welle, die mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt finanziert wird, könnte ebenfalls betroffen sein. Es spiele "keine Rolle, ob es sich um eine juristische Person mit ausländischer Beteiligung handle oder ob das Medium Geld von einem ausländischen Staat erhält", erklärte der Duma-Sprecher Tolstoi. Über die Aufnahme in die Agenten-Liste soll das Justizministerium entscheiden. Alle vier im Parlament vertretenen Fraktionen erklärten ihre Unterstützung für die Initiative.

Auf Kritik stößt die geplante Reform auch wegen der schwammigen Formulierungen

Im Visier stehen neben den US-finanzierten Sendern vor allem russische Medien, die in den vergangenen Jahren unter dem wachsenden Druck des Staates ins Ausland übersiedelt sind. So gründete etwa die Chefredakteurin der reichweitenstärksten Nachrichtenseite Lenta.ru 2014 in der lettischen Hauptstadt Riga die russischsprachige Seite Meduza.io. Sie war auf politischen Druck hin abgesetzt worden, viele Redakteure folgten ihr ins Exil oder arbeiten in Russland für Meduza.

Vor zwei Jahren erst hat ein Gesetz die Beteiligung von Ausländern an russischen Medien auf maximal 20 Prozent beschränkt. Internationale Medienhäuser mussten sich aus Russland zurückziehen, die Kontrolle ging an Kreml-freundliche Verleger über. So verkaufte etwa Axel Springer seine Anteile an der russischen Ausgabe des Magazin Forbes, das bis dato einen Ruf als Speerspitze des investigativen Journalismus in Russland hatte.

Die verbliebenen unabhängigen Medien in Russland kritisierten die geplante Reform vor allem wegen der schwammigen Formulierungen. Theoretisch könnte selbst der Staatssender RT unter das Gesetz fallen, schrieb dazu Ksenia Bolezkaja von der Tageszeitung Vedomosti, weil RT nach eigenem Bekunden Werbeeinnahmen von ausländischen Unternehmen erhalte. Dann wäre Moskaus Propaganda-Kanal der erste Sender, der zugleich in den USA und in Russland als Agent eingestuft wird.

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