Gastronomie:Köttbullar für Möbel-Muffel

Ikea meatballs return to IKEA's food menu in Netherlands

Darf's noch etwas mehr sein? Schwedische Fleischbällchen in einem Ikea-Restaurant in Amsterdam.

(Foto: Marcel Antonisse/picture alliance/dpa)

Ikea verdient Millionen mit dem Verkauf von schwedischen Lebensmitteln. Nun prüft das Einrichtungshaus den nächsten Schritt: eine Restaurantkette für die Innenstädte.

Von Michael Kläsgen

Bisher galt: Wer bei Ikea einkauft, isst oft auch dort. Künftig könnte es heißen: Wer bei Ikea essen möchte, muss nicht mehr zu einem der meist etwas abgelegenen Einrichtungshäuser fahren. Köttbullar-Fleischbällchen, Lachs und Zimtschnecken kriegt er auch in der Stadt, in einem der neuen Restaurants der schwedischen Kette. Ikea prüft derzeit die Eröffnung einer eigenen Restaurantkette weltweit - auch in deutschen Innenstädten. "Ikea Food denkt über neue Begegnungsmöglichkeiten mit den Kunden nach", sagt eine Unternehmenssprecherin. "Allerdings wurden keine Entscheidungen hinsichtlich eigenständiger Restaurants getroffen."

Noch nicht. Der Schritt will wohlüberlegt sein. McDonald's und Burger King, die führenden Fast-Food-Ketten, würden das als unfreundlichen Akt empfinden, ihnen die Kunden abspenstig zu machen. Tatsächlich ist das Einrichtungshaus aus Schweden still und leise in Deutschland zur Nummer eins in der Handelsgastronomie aufgestiegen. So nennt man das, wenn Möbel- oder Modehäuser ihren Kunden auch Essen und Trinken anbieten. Die Schweden verkaufen heute mehr als 15 Millionen Hauptgerichte pro Jahr. Damit machen sie nach Angaben des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI mehr Umsatz mit Essen als Edeka mit seinen Metzger- und Bäcker-Imbissen, mehr als Karstadt mit Le Buffet und mehr als XXX-Lutz und Tchibo an Snacks zusammen.

Ikea ist sogar in die Top-10 der sogenannten System-Gastronomen aufgerückt, allerdings noch mit großem Abstand zu McDonald's und Burger King.

System-Gastronomie heißt, es gibt standardisierte Produkte welt- oder landesweit. Dort befindet sich Ikea im Moment noch auf Rang acht, liegt aber schon vor Vapiano, hat die Deutsche Bahn abgehängt und macht mehr als dreimal so viel Umsatz mit Essen wie Kamps, Hans im Glück oder Maredo.

Dabei hat der Trend hin zum Essen beim Shoppen gerade erst richtig angefangen. "Seit 2016 hat die Handelsgastronomie ordentlich an Dynamik gewonnen", sagt Olaf Hohmann, Mitglied der Geschäftsführung am EHI. Immer mehr Einzelhändler bieten ihren Kunden im Laden Snacks, Gerichte oder Getränke an. Der H&M-Ableger Arket in der Münchner Altstadt serviert Kaffee, für Engelhorn in Mannheim kocht ein Sternekoch und das Osnabrücker Modehaus L&T widmet mehr als zehn Prozent seiner Verkaufsfläche der Gastronomie.

Möbelhäuser wie der neue Segmüller in Pulheim bei Köln kommen ohne Restaurant nicht mehr aus. In vielen Supermärkten werden heute Gerichte direkt vor dem Kunden zubereitet. Aldi testete vorübergehend, wie in Köln und München ein Bistro des Discounters ankommt.

Die Händler haben das Verkaufsfördernde an der Kulinarik entdeckt und probieren vieles aus. "Das Ziel ist, die Frequenz auf der Fläche zu erhöhen, die Verweildauer der Kunden zu verlängern und ein möglichst angenehmes Umfeld zu schaffen", sagt Hohmann.

Deutschland ist der größte Markt für Ikea-Lebensmittel

Den Deutschen scheint das Angebot zu gefallen. Auswärts essen liegt im Trend. 2017 geben sie voraussichtlich 26 Prozent mehr dafür aus als noch vor acht Jahren: insgesamt knapp 80 Milliarden Euro. Ikea-Kunden stehen beispielhaft dafür. Viele von ihnen fahren nicht wegen der Möbel zum Einrichtungshaus, sondern wegen des Essens, und zwar mit der ganzen Familie. Angeblich sollen es 30 Prozent der Kunden sein; die Zahl ist nicht bestätigt.

Die Idee, eine innerstädtische Restaurantkette aufzuziehen, wurde genau aus dem Grund geboren: Das Essensangebot bei Ikea ist ein ziemlicher Erfolg. Wie könnte das Unternehmen ihn ausbauen? Allein im vergangenen Jahr stieg der Umsatz in den deutschen Kundenrestaurants, Bistros und Schwedenshops um mehr als acht Prozent auf 221 Millionen Euro. Das sind zwar bislang nur etwa fünf Prozent des Gesamtumsatzes in Deutschland, entscheidend für das Management sind aber die enormen Zuwächse der vergangenen Jahre. Die Essenssparte Ikea Food wächst stark, das Möbelgeschäft läuft hingegen branchenweit nicht mehr so gut wie einst. "Wir verkaufen mehr Fleischbällchen als jedes andere Produkt im Ikea-Sortiment", sagt Michael la Cour, Managing Director von Ikea Food Services.

Längst steht auf der Speisekarte von Ikea auch Grönsaksbullar, die vegetarische Alternative zu Köttbullar. Lachs und Kaffee stammen aus zertifiziertem Handel. Der Konzern rühmt sich, die Kundenbedürfnisse ständig im Blick zu haben. Zu den "großen Trends" zähle Ikea auch die "Urbanisierung", sagt die Ikea-Food-Managerin Stavroula Ekoutsidou. Soll heißen: Neben dem wachsenden Bewusstsein für Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung beeinflusst auch der stetige Zuzug in die Metropolen die strategische Planung des Konzerns: Die logische Folge wären innerstädtische Restaurants mit einem Angebot, das sich gut vermarkten lässt: günstiges, unverwechselbar schwedisches "good food" für die ganze Familie.

Wie die Kette heißen könnte, ist noch nicht entschieden. Voraussichtlich werden die Schweden ihre Fleisch- und Veggie-Bällchen auch nicht gleich in den nächsten Monaten in den deutschen Innenstädten servieren. Bis dahin könnte noch ein gutes Jahr vergehen. Wichtig ist, dass beim Start alles passt.

Deutschland stünde auf jeden Fall auf der Liste der Länder, in denen die Kette ausgerollt wird. Die Bundesrepublik ist noch vor den USA, China und Schweden der größte Markt für die Food-Sparte von Ikea, Tendenz steigend. Der Umsatz von Handelsgastronomen wie Kaufhof oder Karstadt stagniert hingegen. Gleichzeitig sind die Warenhäuser auf der Suche nach attraktiven Mietern für ihre Flächen.

Ikea seinerseits hält Ausschau nach attraktiven Standorten in der Stadt. In Hamburg eröffnete 2014 der erste City-Ikea in einer deutschen Einkaufsstraße. Dort soll der Umsatz zwar unter den anderen 51 Einrichtungshäusern liegen, weil die Kunden hier weniger Möbel kaufen, dafür kommen sie dort aber zum Essen hin. Warum also nicht gleich Köttbullar ohne Möbel anbieten? Die neue Generation an der Spitze von Ikea probiert viel aus, warum nicht innerstädtische Restaurants? Im vergangenen Jahr testete Ikea bereits zeitweise sogenannte Pop-up-Restaurants in den Zentren von London, Paris und Toronto. Es heißt, die Reaktionen darauf seien "sehr positiv" gewesen.

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