Mietpreise:Der Münchner Wohnungsmarkt hat keine Moral

Mietpreise: Der Ärger über den Mietpreiswahnsinn in München zieht auch Schmierereien nach sich - wie hier im Glockenbachviertel.

Der Ärger über den Mietpreiswahnsinn in München zieht auch Schmierereien nach sich - wie hier im Glockenbachviertel.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Wegen der hohen Mietpreise warten in München bereits mehr als 13 000 Haushalte mit höchster Dringlichkeit auf eine Sozialwohnung.
  • Eigentlich können aber nur etwa 3000 der 71 000 Sozialwohnungen pro Jahr neu vergeben werden.
  • Die Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) fordert bessere Instrumente gegen den Mietpreisanstieg - die Mietpreisbremse reiche nicht.

Von Sven Loerzer

Monat für Monat steigt die Zahl derer, die sich das Wohnen in München nicht mehr leisten können. Nun warten bereits mehr als 13 000 Haushalte mit höchster Dringlichkeit auf eine Sozialwohnung. Dabei können durchschnittlich nur etwa 3000 der 71 000 Sozialwohnungen pro Jahr neu vergeben werden. Weil die Mietpreisspirale immer mehr Menschen in Not bringt, fordert Sozialreferentin Dorothee Schiwy (SPD) bessere Instrumente, "um unsere Bevölkerung zu schützen".

Der freie Markt kenne keine Moral, die Bodenpreise müssten gedeckelt werden, um zu verhindern, dass München "nur noch aus teuren Zweitwohnungen für Menschen aus Saudi-Arabien oder Dubai besteht".

Vehement tritt Schiwy auch den Angriffen des Haus- und Grundbesitzervereins auf den Münchner Mietspiegel entgegen. Es sei eine "unmoralische Forderung", in dieses Zahlenwerk nur noch Neuvermietungen aufzunehmen. Schon jetzt flössen Bestandsmieten überhaupt nicht ein, sondern nur die Neuvermietungen und die Mieterhöhungen der vergangenen vier Jahre. "Das ist eigentlich ein Mieterhöhungsspiegel", kritisiert Schiwy.

"Wie kann sich ein Erzieher, ein Angestellter in einer Bäckerei oder im Einzelhandel Wohnen noch leisten, wenn wir in Kürze bei 20 Euro pro Quadratmeter bei Neuvermietungen liegen?" Noch lebten viele Rentner in Wohnungen, die wegen der langen Mietdauer verhältnismäßig wenig zahlten. Künftige Rentner aber brächten die Mietpreise in Not, wenn für eine Wohnung mit 50 Quadratmetern 1000 bis 1100 Euro zu bezahlen seien. Bei einem Monatslohn von 2000 Euro seien nach 45 Arbeitsjahren 900 Euro Rente zu erwarten.

Die Mietpreisbremse habe keine Hilfe gebracht, klagt Schiwy. Kaum ein Mieter wolle, wenn er eine Zusage bekommen hat, mit dem Vermieter einen Konflikt riskieren und ihn nach der Höhe der Miete beim Vorgänger fragen. Deshalb tritt Schiwy dafür ein, den Vermieter gesetzlich dazu zu verpflichten, die Vormiete immer offenzulegen, was der Bund beschließen müsste. Zudem mache das Gesetz "gefühlte 100 Ausnahmen" für die Anwendung der Mietpreisbremse, etwa für den Fall umfassender Modernisierung.

"Es muss etwas passieren, weil wir sonst aus der Spirale nicht mehr herauskommen", betont Schiwy. Auch den Freistaat sieht sie in der Pflicht. Das Ende 2004 abgeschaffte Wohnraumaufsichtsgesetz müsste nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens wieder eingeführt werden. "Dann könnten wir Vermietern auf die Pelle rücken, wenn sie überbelegte Wohnungen oder Wohnungen mit schwarzem Schimmel an den Wänden vermieten." So ließe sich auch die Praxis unterbinden, Betten einzeln in einer viel zu kleinen Wohnung zu vermieten.

Nach dem alten Gesetz musste es mindestens zehn Quadratmeter Wohnraum pro Person geben. Für unbedingt erforderlich hält es Schiwy, über die Deckelung von Bodenpreisen bei der Baulandentwicklung nachzudenken, auch das ein Bundesthema. Die explodierenden Marktwerte führten zu krassen Kauf- und Mietpreisen, sagt Schiwy. Sie denkt an Veränderungen bei der Grunderwerbssteuer und die Einführung einer progressiven Bodensteuer. "Wir müssen Bremsen einziehen bei der Bodenpreisentwicklung."

Das gelte gerade auch mit Blick auf den starken Zuzug mit einem jährlichen Zuwachs von 29 000 Einwohnern. Dieser Trend werde befördert durch große Firmen. So wolle etwa BMW in seinem neuen Innovationszentrum 15 000 Arbeitsplätze schaffen. "Wer Menschen nach München zieht, sollte sich auch Gedanken machen, wo die Menschen wohnen können", sagt Schiwy und denkt dabei an Werkswohnungen. Nicht voran kommt der Vorstoß, Parkplätze von Lebensmittelketten mit Wohnungen zu überbauen. Die Immobilieneigentümer zeigten daran kaum Interesse, sagt Schiwy.

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