Digitalisierung:Kein Smartphone unter zehn Jahren

Digitalisierung: "Je jünger das Kind, desto unwichtiger sollten digitale Geräte sein", findet Christian Montag.

"Je jünger das Kind, desto unwichtiger sollten digitale Geräte sein", findet Christian Montag.

(Foto: Elvira Eberhardt)

Psychologe Christian Montag erklärt, warum Kinder am besten ohne Smartphone aufwachsen sollten und wie Eltern ein gutes Vorbild sein können.

Interview von Jasmin Siebert

SZ: Für benachteiligte Kinder aus ärmeren Ländern kann ein Handy mit Internet der Schlüssel zu Bildung sein. Gilt das auch für Kinder in Deutschland?

Christian Montag: Ich halte es für eine steile These, dass man in Deutschland durch Handys Kinder aus bildungsferneren Schichten besser an Bildung heranführt. In Deutschland haben wir zum Glück andere Möglichkeiten, öffentliche Bibliotheken zum Beispiel. Dass gezielt Bildungsangebote über Smartphones aufgesucht werden, ist unklar und müsste durch Studien erst einmal belegt werden.

Trotzdem hängen selbst Kinder inzwischen regelmäßig am Handy.

Ich habe eine klare Haltung: Je jünger das Kind, desto unwichtiger sollten digitale Geräte sein. Bei Kindern unter zehn Jahren sollten sie im Alltag nur eine geringe Rolle spielen. Kinder haben in diesem Alter andere Bedürfnisse. Kinder müssen "analog" direkt miteinander spielen.

Der Experte

Christian Montag, 40, ist Professor für Molekulare Psychologie an der Universität Ulm. Er erforscht den Einfluss digitaler Medien auf das menschliche Gehirn. Seiner Tochter wünscht er eine möglichst analoge Kindheit.

Was können Eltern dagegen tun, dass ihre Kinder im Digitalen abtauchen?

Auch wenn es anstrengend ist - Eltern müssen dafür sorgen, dass die Konkurrenzangebote interessanter sind als das Smartphone. Das Grundbedürfnis nach sozialer Kommunikation wird auch bedient, wenn Kinder direkt miteinander interagieren. Am besten wäre es, wenn die Eltern im Freundeskreis gemeinsame Handyregeln definieren, an die sich alle halten.

Ist das nicht etwas idealistisch? Selbst wenn das funktionieren sollte, bleiben die Klassenkameraden, die andere oder keine Regeln haben.

Ich weiß, dass es schwierig ist, aber aus wissenschaftlicher Sicht wäre es das Richtige. Kinder sind sehr emotionale Wesen. Ihre Hirnreifung ist noch nicht abgeschlossen, und es ist für sie schwer zu verstehen, warum sie die Einzigen sein sollen, die etwas nicht dürfen. Wer etwas verpasst, ist aus dem Freundeskreis ausgeschlossen. Eltern müssen sich damit auseinandersetzen, was ihr Kind auf dem Handy macht. Anstatt heimlich zu kontrollieren, sollten sie sich aktiv mit ihrem Kind über die Handynutzung austauschen.

Vielleicht chattet das Kind aber gar nicht den ganzen Tag, sondern schaut sich E-Tutorials für die Matheaufgaben an?

Das Problem ist, dass Smartphones Alleskönner sind. Die Ablenkung wartet hier überall. Wir sollten bestimmte Tätigkeiten vom Gerät verbannen. Für die Hausaufgaben recherchieren könnten Kinder besser am Computer zu Hause. Das Handy sollte währenddessen übrigens nicht präsent sein. Schon allein dadurch, dass es auf dem Schreibtisch liegt, zieht es kognitive Ressourcen ab, weil man ständig erwartet, dass etwas Nettes passieren könnte.

Welche Tipps können Sie geben, wenn das Smartphone zu viel Raum einnimmt?

Eltern sollten ein gutes Vorbild sein, denn Kinder lernen am Modell. Und wir brauchen digitale Freizonen, am Esstisch zum Beispiel. Dort sollte ein direkter Austausch stattfinden. Wer diese digitale Etikette bricht, macht den Abwasch oder gibt in der Kneipe die nächste Runde aus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: