Lokalpolitik:Gemeinsame Position fehlt

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SPD und Grüne fordern Gespräche zur Seeanbindung, damit der Stadtrat geeint in die Mediation mit der Bahn gehen kann. Bei ihren Jahresrückblicken üben die Fraktionen harsche Kritik an der Bürgermeisterin

Von Peter Haacke, Starnberg

Harsche Kritik an der Politik der Starnberger Bürgermeisterin Eva John haben die Stadtratsfraktionen von SPD und B'90/Die Grünen geübt. Unabhängig voneinander fanden am Donnerstag die jeweiligen Jahrespressegespräche statt. Zwar setzten beide Parteien unterschiedliche Schwerpunkte, doch weitgehend einig waren sich die Stadträte in ihrer Kritik an der Amtsführung Johns: Die Sozialdemokraten unterstellen ihr Überforderung oder absichtliches Verschleppen der wichtigsten Themen für die Kreisstadt, die Grünen konstatieren ein grundsätzlich "falsches Verständnis von der Rolle und Aufgabe" einer Bürgermeisterin.

Seeanbindung

"Keine Infos, keine Besprechungen", moniert Grünen-Fraktionsvorsitzende Martina Neubauer im Vorfeld der geplanten Mediation bei der IHK mit der Deutschen Bahn, die eine millionenschwere Schadenersatzklage verhindern soll. Franz Sengl und Annette von Czettritz sind der Überzeugung, dass Bürgermeisterin und Stadtrat noch vor den Gesprächen mit der Bahn eine gemeinsame Position erarbeiten müssen. "Wir haben noch immer keine Verhandlungsposition für das wichtigste städtebauliche Projekt Starnbergs", sagt Sengl. Der Stadtrat habe schon 2016 versucht, Druck zu machen, doch John habe sich allein auf Argumente des Vereins "Schöner zum See" ("Der Vertrag wird auslaufen, es kann gar nichts passieren") gestützt und blieb untätig. Der Vertrag aus 1987 ist zur Hälfte erfüllt. Die weiterhin an einer Vertragserfüllung interessierte Bahn habe die Mediation nur als "Notnagel" vorgeschlagen. Welche Ziele die Bahn verfolgt, ist derzeit aber ebenso unklar wie die Haltung der Stadt. Knackpunkte sind Gleisverlegung und Investitionskosten, die je nach Berechnung zwischen 60 und 115 Millionen Euro betragen sollen.

Bahnhof See, Bayerischer Hof

Der Gesamtkomplex "Seeanbindung" umfasst nicht nur das Umfeld des Bahnhofs See, sondern auch den Bahnhof Nord sowie bereits übertragene Grundstücke und historische Gebäude. Tim Weidner (SPD) fordert dazu "Klarheit, Offenheit und Transparenz"; Medien und Öffentlichkeit müssten informiert werden, "damit nicht wieder Gerüchte und falsche Behauptungen in die Welt gesetzt werden". Die bislang praktizierte "Abfolge von Geheimgesprächen" sei der falsche Weg. Ein weiterer Verfall des Hotels Bayerischer Hof und des Bahnhofs See "ist völlig inakzeptabel", sagt Weidner. Die SPD zeigt sich offen für alle derzeit diskutierten Lösungen, darunter die Vorstellungen des Vereins "Schöner zum See" und der Janssen-Kompakttunnel, aber auch der Planungsstand von 2014 mit oberirdischer Gleisverlegung. Die Grünen dagegen erachten als Gesprächsgrundlage den Bahnvertrag sowie die in jahrelanger Arbeit erzielten Erkenntnisse des Arbeitskreises Seeanbindung: Die basiert auf einem städtebaulichen Wettbewerb mit zwei Siegerentwürfen, diversen Runden Tischen, Bürgerwerkstätten und der Empfehlung einer hochkarätigen Expertenrunde. Die Pläne liegen seit 2014 auf Eis. Grüne, aber auch SPD fordern zum Auftakt der Verhandlungen mit der Bahn eine Beteiligung aller neun im Stadtrat vertretenen Fraktionen.

Centrum, VHS, Rathaus

Mit einer Gesamtlösung für Bayerischen Hof und Alte Oberschule hatte die SPD 2017 auch auf eine neue Heimat für Volkshochschule und Rathausverwaltung gehofft. "Entsprechende Pläne und Beschlüsse des Stadtrats zum Kauf des Centrums lagen vor", sagt Weidner, "sind aber von Frau John so lange nicht umgesetzt worden, bis es zu spät war." Neubauer sieht im vereitelten Erwerb des Centrums ebenfalls eine verpasste Chance. Stattdessen wolle sich John, die auf eine SZ-Anfrage nicht reagierte, mit An- oder Neubau des Rathauses "ein Denkmal setzen".

Fachoberschule

Als "größten Erfolg" reklamiert die SPD für sich, dass die Fachoberschule (FOS) nach Starnberg kommt - obwohl "Frau John beim vorgesehenen Grunderwerb für das Schulgebäude säckeweise Sand ins Getriebe gestreut hat", sagt Weidner. Der Kaufvertrag zwischen Stadt und Landkreis wurde nach monatelangen Verhandlungen am 28. Dezember unterzeichnet.

Stadtratssitzungen

Ausufernde Sitzungen prägten 2017. Der Grund: "Weil John uns einfach nicht informiert", sagt Franz Sengl, und unterstellt John "Heimlichtuerei und Nichtöffentlichkeit". Besprechungen der Fraktionsvorsitzenden - bis 2014 fester Bestandteil der politischen Arbeit - finden nicht statt. "Wir kriegen auch keine Beschlussvorlagen mehr", ergänzt Neubauer. Czettritz verlangt, Sitzungen öffentlich ins Internet zu übertragen. Zudem sollen Beschlüsse nicht mehr spontan mündlich formuliert werden. Christiane Falk (SPD) bezeichnet Johns Verhalten als "Unverschämtheit, den Stadtrat zu überfordern in der Hoffnung, dass man es nicht mitbekommt". Fehlende Unterlagen, lückenhafte Unterlagen und keinerlei Terminangaben erschwere den Mandatsträgern ihre Arbeit.

Haushalt

Ein Entwurf zum Haushalt 2018 existiert bereits - doch ohne Ausgabereste, Stellenplan, Projekte und Angaben zu einer Kreditaufnahme sei "der Haushalt das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist", sagt Falk - zumal es bislang keine Beratungstermine gibt. Neubauer: "Das ist keine Basis für eine Zusammenarbeit."

Sozialer Wohnungsbau

Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Bereits Anfang 2016 beantragte die Starnberger SPD daher die Einführung einer "Sozialgerechten Bodennutzung" (SoBoN), der bislang aber unberücksichtigt blieb. Zudem soll beim Einheimischenprojekt "Am Wiesengrund" konzeptioneller Wohnungsbau berücksichtigt werden. SPD-Ortsvorsitzender Frank Hauser: "Auch hier ist seit einem Jahr nicht passiert."

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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