Smart Glasses:Die Rückkehr der Datenbrillen

Google Glass

Googles Datenbrille Glass sah zu technisch aus und kam beim Publikum nicht an.

(Foto: Filip Singer/dpa)
  • Googles Datenbrille "Google Glass" war ein Flop. Doch nun trauen sich wieder mehr und mehr Firmen mit neuen Brillen an die Öffentlichkeit.
  • Bei diesem Wettrennen sind zwei deutsche Unternehmen vorne mit dabei: Die Deutsche Telekom und der Optik-Konzern Carl Zeiss.
  • Einen Prototypen gibt es schon, er wird auf dem Mobile World Congress Ende Februar in Barcelona präsentiert.

Von Helmut Martin-Jung und Stefan Mayr, Stuttgart/München

Es ist ja schon praktisch, so ein Smartphone, etwa wenn man in einer fremden Stadt ist und den Weg zur nächsten U-Bahn-Station sucht. Allerdings hat man nur noch eine Hand frei und muss auf dem Weg durch die Straßen oft nach unten blicken. Doch das könnte sich ändern: durch Datenbrillen, die einen ans Ziel lotsen mit Pfeilen, die auf das Brillenglas oder die Netzhaut projiziert werden.

Es ist schon ein paar Jahre her, da überraschte der Google-Konzern mit einer Google Glass genannten Brille, die das leisten sollte. Doch weder die Technik, noch vor allem die Menschheit waren dafür reif. Die Träger der Brillen wurden als "Glassholes" beschimpft, besonders regten sich die Menschen über die eingebaute Kamera auf, von der sie sich beobachtet fühlten.

Die Brille soll ständig mit dem Internet verbunden sein

Doch nun trauen sich wieder mehr und mehr Firmen mit neuen Brillen an die Öffentlichkeit. Bei diesem Wettrennen sind zwei deutsche Unternehmen vorne mit dabei: Die Deutsche Telekom und der Optik-Konzern Carl Zeiss AG. Sie haben nun das Joint Venture "Tooz Technologies" gegründet, um die schlaue Brille, die auch mit der normalen Brille kombiniert werden kann, zur Marktreife zu treiben.

Die deutsch-deutsche Allianz tritt gegen namhafte US-Konkurrenten wie eben Google oder auch den Chiphersteller Intel an. Telekom und Zeiss sind je zu 50 Prozent beteiligt. Die Schwaben aus Aalen stellen die optische Technologie her, die Bonner liefern das nötige Computer-Netzwerk. Denn die Brillen sollen - so der Plan - ständig mit der Datenwolke verbunden sein und somit in Echtzeit Informationen liefern. Obendrein soll auch das Betriebssystem "virtualisiert" werden. Soll heißen: Die Brille braucht weniger Hardware und somit weniger Energie. Dadurch wird der Akku kleiner - und das Gestell auch.

Einen Prototypen gibt es schon, er wird auf dem Mobile World Congress Ende Februar in Barcelona präsentiert. Das wichtigste vorweg: Das Ding sieht aus wie eine ganz normale Brille. Die Bügel sind zwar etwas breit, aber nicht so breit, dass man sogleich denkt: Was ist das für ein Ding? Diesen Eindruck hatte Googles Glass hinterlassen, als sie 2014 in den USA in relativ kleiner Stückzahl auf den Markt kam. Der doch recht massive Bügel, in dem die Elektronik steckte, verlieh den Trägern der Brille das Aussehen von Cyborgs. Auch deshalb scheiterte das Projekt und wurde von 2015 unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiterentwickelt.

Googles Akzeptanzprobleme wurden zu groß, als die Brille frei verkauft wurde

Auch der Chip-Konzern Intel hat vor kurzem eine Brille vorgestellt, die ebenfalls kaum als Datenbrille zu erkennen ist. Das Vaunt genannte Gerät sieht eher aus wie eine Designer-Hornbrille. Im Gestell steckt ein winziger Projektor, der die Inhalte, die angezeigt werden sollen, direkt auf die Netzhaut abstrahlt. "Wir wollten sichergehen, dass jemand sofort einen Nutzen davon hat, wenn er die Brille aufsetzt, und zwar ohne negative Auswirkungen auf den Kopf", sagte der Leiter des Programms bei Intel, Itai Voshak, dem Fachmagazin The Verge. Alles sei von Grund auf so gestaltet, dass die Technik in den Hintergrund trete.

Die Vaunt-Brille soll über Smartphones (Apple oder Android) mit dem Internet verbunden sein, auch eine Integration mit Sprachassistenten wie Siri ist geplant. Die Brille soll zunächst an Entwickler herausgegeben werden, die dann mit dem Gerät experimentieren können. So war auch Google verfahren - die Akzeptanzprobleme wurden allerdings gravierend, als die Brille frei verkauft wurde.

Gerüchteweise ist auch davon die Rede, dass Apple an einer Datenbrille arbeitet. Wie es bei dem verschwiegenen Konzern üblich ist, wird man erst davon erfahren, wenn tatsächlich ein Produkt marktreif wird. Apple hat immer einige Firmen aus diesem Bereich aufgekauft, darunter das Münchner Start-up Metaio.

Tooz Technologies wird in Aalen und im Silicon Valley sitzen

Es beginnt also ein Wettbewerb um diese Technologie, wie man auch beim Joint Venture Tooz weiß. "Wir gehen jetzt in dieses Rennen", sagt Kai Ströder, Chef von Tooz Technologies. "Am Ende wird sich zeigen, welches Konzept sich durchsetzt." Das Joint Venture wird seinen Sitz im Silicon Valley und in Aalen haben. In Schwaben wird die Entwicklungs-Abteilung sitzen. Wo die Einzelteile der Brille am Ende zusammengesetzt werden, ist noch offen.

Zeiss und Telekom hatten die Brille zuvor möglichen Kunden zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Die Rückmeldungen seien "extrem vielversprechend" gewesen. Darum habe man sich entschieden, das Projekt gemeinsam voranzutreiben. "Die vielfältigen und auch wirtschaftlich erfolgversprechenden Entwicklungsprojekte haben uns bestätigt, dass es für Smart Glasses einen Markt geben wird", sagt Christian Stangier von der Telekom, "sowohl bei Business- wie bei Endkunden."

Mögliche Anwendungen seien in der Logistik, in der Fitness-Branche, in der Industrie und in der Medizin denkbar: Ein Monteur oder ein Chirurg könnten auf der Innenseite des Brillenglases Anweisungen und Informationen ablesen. Auch Privatpersonen könnten profitieren - zum Beispiel von einem Navigationsgerät, das einen in einer Shopping Mall auf die mündliche Frage "Wo ist die Toilette?" sogleich zum stillen Örtchen führt. Die Lufthansa und gleich mehrere Einzelhandels-Ketten seien ebenfalls interessiert, sagt Tooz-Chef Ströder.

Er plant, die Datenbrillen im Auftrag diverser Firmen herzustellen - nach deren speziellen Bedürfnissen. "Wir setzen auf ein Lizenzmodell, der Hersteller kann die Brille unter seinem Markennamen an die Endkunden verkaufen." Die Telekom will an dem Joint Venture durch die Bereitstellung ihres Cloud-Services verdienen. Und Zeiss verkauft seine optische Technologie, die das Konzern-eigene Start-up "Smart Optics" in Aalen selbst entwickelt hat; eine Art Prisma leitet das Licht vom Display im Gestell über mehrere Ecken vor das Auge des Brillenträgers.

Konkurrent Intel arbeitet mit einem anderen optischen Konzept: Die US-Amerikaner leiten einen Laserstrahl auf die Netzhaut des Nutzers. Ein Sensor kann Bewegungen des Kopfes erkennen, damit könnte man neue Nachrichten öffnen oder wegwischen. Gut möglich, dass demnächst die Menschen nicht mehr mit gesenktem Blick durch die Straßen gehen, sondern mit zuckendem Kopf.

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