Nach 367 Tagen Haft:Deniz Yücel ist zurück in Berlin

Die Welt Reporter Freed From Turkish Jail

In Berlin angekommen: Journalist Deniz Yücel wird in Deutschland begrüßt.

(Foto: Getty Images)
  • Der ein Jahr in der Türkei inhaftierte Journalist Deniz Yücel ist wieder in Deutschland.
  • Zeitgleich wird eine Videobotschaft von ihm auf Twitter veröffentlicht. Yücel sagt darin: "Natürlich freue ich mich. Aber es bleibt etwas Bitteres zurück."
  • Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sieht nach der Freilassung die deutsch-türkischen Beziehungen auf dem Weg der Normalisierung.

Der aus türkischer Haft entlassene Journalist der Tageszeitung Welt Deniz Yücel ist in Deutschland eingetroffen. Der 44-Jährige landete am Freitagabend an Bord einer Maschine der Chartergesellschaft Aerowest auf dem Flughafen Berlin-Tegel. Das Flugzeug war wenige Stunden zuvor in Istanbul gestartet.

Zeitgleich mit Yücels Landung in Berlin wurde eine Videobotschaft von ihm auf Twitter veröffentlicht. Yücel sagt darin: "Natürlich freue ich mich. Aber es bleibt etwas Bitteres zurück." Er wisse immer noch nicht, warum er vor einem Jahr "als Geisel" genommen oder weshalb er nun freigelassen wurde. "So wie meine Verhaftung nichts mit Recht, Gesetz und Rechtsstaatlichkeit zu tun hatte, hat auch meine Freilassung nichts mit alledem zu tun", sagt er in der Videobotschaft. "Eine Anklage hab' ich immer noch nicht."

Er dankte allen, die in der ganzen Zeit an seiner Seite gestanden hätten und erinnerte daran, dass immer noch viele Kollegen in der Türkei in Haft sitzen. Er habe seinen Zellennachbarn zurückgelassen, einen türkischen Journalisten, der nur wegen seiner journalistischen Tätigkeit inhaftiert sei - "und viele andere Journalisten, die nichts anderes getan haben, als ihren Beruf auszuüben."

Der 44-Jährige hatte mehr als ein Jahr in der Nähe von Istanbul in Untersuchungshaft gesessen. Am Freitag nahm ein Istanbuler Gericht die Anklage wegen "Propaganda für eine Terrororganisation" und "Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit" an. Dafür drohen Yücel zwischen vier und 18 Jahre Haft. Gleichzeitig verfügte das Gericht aber Yücels Entlassung aus der Haft, ohne eine Ausreisesperre zu verhängen.

Über die diplomatischen Gespräche, die schließlich zu Yücels Freilassung führten, sind keine Details bekannt. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) betont, die Türkei habe keine Gegenleistung erhalten. "Es gibt keinen Deal, weder einen schmutzigen noch einen sauberen." Ankara habe "nichts verlangt und hätte auch nichts bekommen können". Gabriel dankte der türkischen Regierung "für ihre Unterstützung bei der Verfahrensbeschleunigung".

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sieht nach der Freilassung die deutsch-türkischen Beziehungen auf dem Weg der Normalisierung. "Einzelfälle wie der von Deniz Yücel sind nicht in der Lage, unsere Beziehungen zu stören oder gänzlich zu zerstören", sagte Yildirim am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Dagegen dämpfte Unionsfraktionschef Volker Kauder die Hoffnungen auf ein besseres Verhältnis. Die Freilassung bedeute nicht, dass damit alle Probleme in den bilateralen Beziehungen ausgeräumt seien, sagte Kauder der Rheinischen Post.

Autokorsos und Hupkonzerte für den Rückkehrer

In Deutschland feierten viele Menschen die Rückkehr Yücels. Auf dem Hamburger Heiligengeistfeld fand am Freitagabend ein Autokorso für den Reporter statt. Auch in Berlin zelebrierten Freunde und Kollegen die Freilassung des Journalisten. Rund 100 Menschen beteiligten sich nach Polizeiangaben mit etwa 25 Autos und mehreren Fahrrädern daran. Sie hielten Schilder mit Aufschriften wie "Keine Freiheit ohne Pressefreiheit", "Freiheit für alle inhaftierten Journalisten in der Türkei" oder "Deniz free - Free them All!!!" hoch. Laut hupend fuhren die Autos durch Kreuzberg, vorbei am Springer-Hochhaus, wo auch die Welt ihren Sitz hat.

Nach Ansicht des Bürgermeisters von Flörsheim wird Yücel nun bald in seine hessische Heimat kommen. "Ich denke, dass er seinen Vater im Krankenhaus besucht", sagte Michael Antenbrink (SPD). Auch in Flörsheim, wo Yücels Eltern und seine Schwester leben, gab es am Freitag eine spontane Freuden-Demonstration und einen Autokorso.

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