Asyl:Wie ein Ehepaar Flüchtlingen ein Zuhause verschafft

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Engagement der besonderen Art: Sibylle (3. von links) und Jochem Simon-Weidner (4. von rechts) haben ein Haus in Hechendorf gemietet für eine Wohngemeinschaft aus Eritreern und Somaliern. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Zwei Hechendorfer mieten ein renovierungsbedürftiges Haus und vermieten es weiter an junge Eritreer und Somalier. Das gefällt nicht allen.

Von Christine Setzwein, Hechendorf

Das Quartier rund um die Seestraße in Hechendorf ist eine schmucke Siedlung, gepflegte Vorgärten, adrette Villen. Mittendrin ein Haus, das schon etwas in die Jahre gekommen ist. Genau dort ist ein Leuchtturmprojekt im Werden, das zeigen soll, dass Flüchtlinge gute Nachbarn sind. Das Ehepaar Sibylle und Jochem Simon-Weidner hat das renovierungsbedürftige Haus gemietet und vermietet es weiter an anerkannte Flüchtlinge.

Überall im Haus stehen noch Farbeimer, einige der Wände sind bereits gestrichen. In der Küche im Obergeschoss wurde ein neuer - gebrauchter - Herd angeschlossen. Noch fehlen Möbel in den vier Zimmern, in die am 1. Mai vier junge Eritreer im Alter von 21 bis 27 Jahren einziehen werden. Im Erdgeschoss lebt bereits eine 27-jährige Somalierin mit ihrem einjährigen Sohn. Bald kommt auch ihr Ehemann dazu.

Eigentlich ist dem Ehepaar Simon-Weidner, 65 und 74 Jahr alt, überhaupt nicht an Öffentlichkeit gelegen. Sie wollen weder Aufsehen noch Dankbarkeit, sie wollen nur helfen. Vielleicht auch deshalb, weil beide aus Flüchtlingsfamilien kommen. Aber die Gemeinde Seefeld und der Asylhelferkreis, in dem die Simon-Weidners von Anfang an engagiert sind, sahen keine andere Möglichkeit als ein Pressegespräch. Denn schon wabert in Hechendorf das Gerücht, die Zwischenmieter würden sich eine goldene Nase verdienen wollen. Die meisten Nachbarn seien sehr nett und verständnisvoll, sagt Sibylle Simon-Weidner, aber einige auch nicht. So sei sie von einer Frau beschimpft worden, weil sie aus Hechendorf ein "Klein-Istanbul" machen wolle. Und Unbekannte haben altes, dreckiges Geschirr über den Zaun in den Garten des Hauses geworfen.

Zum - ortsüblichen - Mietpreis für die 150 Quadratmeter Wohnfläche wollen sich weder die Besitzerin äußern, außer dass "wir den Mietern sehr entgegengekommen sind", noch die Mieter. Nur so viel: "Ich habe einen Puffer von 150 Euro im Monat", sagt Sibylle Simon-Weidner.

Für das große Zimmer oben verlangt sie 450 Euro, für die kleineren je 350 Euro. Sie und ihr Mann sowie die anderen Paten der Flüchtlinge seien jetzt bereits allein für das Material wie Farbe, Herd, Armaturen und Wlan mit mehreren hundert Euro in Vorleistung gegangen, ganz zu schweigen von der Mitarbeit beim Renovieren. Bei der Arbeiterwohlfahrt, bei der Bürgerstiftung und beim SZ-Adventskalender haben sie nun um finanzielle Unterstützung gebeten.

Alle vier Eritreer haben feste Jobs. Sie arbeiten in Seefeld und Umgebung, und "sind total nette und vertrauenswürdige Jungs", sagt Gemeinderätin Ute Dorschner. Der Somalier besucht die Berufsschule. Die Flüchtlinge leben seit 2015 in Hechendorf und waren bislang in der Containersiedlung untergebracht. Sybille Simon-Weidner, die als Diplomsozialpädagogin in der Jugendhilfe tätig war, kennt die WG-Bewohner, sie hat sie auch ausgewählt. Ein bisschen Nachhilfe braucht es aber noch, sagt sie: in den Fächern Energiesparen, Lüften, Heizen und Mülltrennung.

Stefanie Kalchschmidt, die Koordinatorin für Integration und Asyl bei der Gemeinde, weiß, dass die Wohnungssuche für Asylbewerber nahezu aussichtslos ist. In Seefeld leben derzeit etwa 160 Flüchtlinge, davon sind rund 60 anerkannt. 45 stehen auf der Liste der Wohnungssuchenden. Aber leider gebe es bei Vermietern "immer noch große Vorurteile bezogen auf die Hautfarbe und Kultur".

In dem Haus an der Seestraße lebten bereits zwei afghanische Flüchtlingsfamilien, "und bis auf einen Wutanruf gab es keine Probleme", sagt die Besitzerin. Die Gemeinde Seefeld steht voll hinter dem Projekt des Ehepaars Simon-Weidner und der neuen Wohngemeinschaft. "Es soll ein fröhlicher, gepflegter Ort sein, der positives Licht auf Flüchtlinge in unserer Gemeinde wirft", sagt Stefanie Kalchschmidt. Auch Bürgermeister Wolfram Gum hofft, "dass alles gut wird". Schon bald nach dem Bezug des Hauses wollen die Bewohner und Vermieter einen Tag der offenen Tür veranstalten und dazu auch alle Nachbarn einladen.

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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