Premiere:In Szene gesetzt

26 junge Filmgruppen drehen Episoden für ein Faust-Projekt

Von Barbara Hordych

Schon Klaus Maria Brandauer zeigte vor kurzem bei einer Lesung im Rahmen des Faust-Festivals, zu welch verblüffenden Ergebnissen ein schlichter Rollentausch führen kann: Er brachte die vertrauten Zeilen aus Goethes bekanntestem Drama zu Gehör, beschränkte sich bei seinem Vortrag allerdings ausschließlich auf die Gretchen-Passagen. Ein erhellender Perspektivenwechsel vollzog sich da, insbesondere als sich der 74-Jährige mit schelmischem Blick die imaginären Ohrringe des jungen Mädchens anlegte.

Nach einem ähnlichen Prinzip verfährt das berührende Musikvideo, das Katharina Brunner und Daniel Aberl zu der Szene "Gretchens Stube" gedreht haben: Ein junges Mädchen (Laetizia Brunner, Foto obere Reihe rechts) im weißen Romantik-Look mit lang wehenden Haaren sitzt im Gras, hört über Kopfhörer einen Song. Es erklingt Gretchens Klagelied - vorgetragen von einer rauen Männerstimme, die entfernt an Tom Waits erinnert. Während ihre Lippen die sehnsüchtigen Worte formen "Nach ihm nur schau' ich/ Zum Fenster hinaus/Nach ihm nur geh' ich /Aus dem Haus", sind die melancholische Komposition und der Sprechgesang von Daniel Aberl zu hören. Sie holen auf überraschend eigenwillige und zugleich emotional überzeugende Weise Gretchens 200 Jahre alte Zeilen "Meine Ruh' ist hin/Mein Herz ist schwer/Ich finde sie nimmer/Und nimmermehr" ins Hier und Heute.

Genau diesen Transfer hat sich das Filmprojekt "#Faust_undead" zum Ziel gesetzt, an dem sich 26 junge Filmgruppen aus München beteiligten. Sie realisierten auf ganz unterschiedliche Weise in 26 Sequenzen ebenso viele zentrale Szenen aus Goethes Drama "Faust I". Herausgekommen ist ein rund einstündiger Film aus Beiträgen von höchstens zwei Minuten Dauer, der am Sonntag, 6. Mai, Premiere bei "Dok.education", dem Kinder- und Jugendprogramm des Dok-Fests im Gasteig hat. "Ein Jugendfilmprojekt mit weit über hundert Mitwirkenden, das ist in dieser Größenordnung deutschlandweit bislang einmalig", sagt Thomas Kupser, der Leiter des Medienzentrums, über die gelungene Kooperation mit Anne Marr vom Museum Villa Stuck und dem Kreisjugendring.

Schon vor Monaten begann der künstlerische Leiter Martin Heindel damit, das Projekt in Workshops in den unterschiedlichsten Jugendeinrichtungen vorzustellen. "Durch mein Dramaturgie-Studium bin ich so etwas wie ein Faust-Spezialist. Der Stoff ist eine irre spannende Geschichte, was in der Schule leider oft verloren geht. Deshalb habe ich die zentralen Passagen in zwei, drei Sätzen und in zeitgenössischer Sprache für die Jugendlichen zusammengefasst", erzählt Heindel. Medienpädagogen lieferten das technische Know-how, "aber wir haben nur die Spur eingestellt, bei den Ideen für die Umsetzung haben wir uns komplett zurückgehalten".

Die Hälfte der Mitwirkenden kommt aus Workshops in Jugendzentren und dem Museum Villa Stuck. Die andere Hälfte rekrutierte Thomas Kupser aus jungen Filmschaffenden, die sich in diesem Jahr am Jugendfilmfestival "Flimmern und Rauschen" beteiligten. "Genau diese Mischung macht's, deshalb ist der Film so großartig", sagt Kupser. Gemeinsam mit den beteiligten Filmteams will er jetzt überlegen, wie der Film in Schulen und auf anderen Festivals präsentiert werden kann (So., 6. Mai, 15 Uhr, Stadtbibliothek im Gasteig, Eintritt frei).

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