Dreckige Motoren:Familienfehde bei Volkswagen

10 05 2018 xxx ADAC Zuerich 24h Rennen 2018 Nuerburgring Nordschleife Qualifiying 1 Nachttrain

Audi gegen Porsche: Zwei Sportwagen fahren bei Nacht auf dem Nürburgring. Die Abgaswerte ihrer Autos dürften die Fahrer dabei wenig interessieren.

(Foto: Hartenfelser/imago)

Die Abgasaffäre sorgt für Zündstoff zwischen den ungleichen Schwestern Audi und Porsche. Sie schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Wer Schuld hat, müssen Gerichte klären.

Von Hans Leyendecker, Klaus Ott

Bei offiziellen Reden verwenden Manager des Volkswagen-Konzerns gern den Begriff der "Familie": Zwölf Marken unter einem Dach. Darunter sind einige Exoten, einige Normalos und als etwas Besonderes gelten die Töchter Audi und Porsche. Beide tragen meist eine Menge zum Gewinn des Konzerns bei. Beide konkurrieren miteinander. Und manchmal streiten sie auch, wie das unter Geschwistern eben vorkommt. Die Affäre um die Betrugssoftware in Dieselmotoren aber hat den Umgangston zwischen den Managern bei Audi in Ingolstadt und denen in Zuffenhausen bei Stuttgart, wo Porsche seine Sportwagen baut, härter werden lassen. Da ist nichts mehr mit der heilen Großfamilie. Es geht stattdessen um Begriffe wie Unrecht, Sühne und Fehler. Und um den alten Vorwurf, der schon immer Familien entzweit hat: Du bist schuld!

Einblick in das Treiben des VW-Clans haben Staatsanwälte aus Braunschweig, Stuttgart und München, die gegen mehr als 50 Mitarbeiter und Manager von Audi, Porsche und Volkswagen ermitteln. In München sind Strafverfahren gegen 17 frühere oder heutige Mitarbeiter der Audi AG anhängig. Stuttgarter Staatsanwälte gehen dem Verdacht des Betrugs mit manipulierten Dieselabgaswerten bei drei Leuten von Porsche nach. Das betrifft einen ehemaligen Beschäftigten, einen Ingenieur, der früher mal bei Audi war und ein Vorstandsmitglied.

Die in Zuffenhausen hätten denen in Ingolstadt nicht vertrauen dürfen, glauben die Ermittler

Wer ist im Fall Porsche/Audi schuld? Alle? Alle gleich? Bei dieser Frage verrät ein Blick in die Ermittlungsakten das Problem. Im Kern lautet der Vorwurf der Stuttgarter Ermittler, die Porsche AG habe sich von Audi dreckige Motoren liefern lassen. Die Zuffenhausener hätten illegale Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung billigend in Kauf genommen. Sie hätten sich nicht auf Angaben der Ingolstädter verlassen dürfen. Porsche habe Erklärungen der Audi-Leute nicht ausreichend geprüft. Auch habe es in Zuffenhausen an der notwendigen Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft gemangelt. Den Ermittlern seien wesentliche Informationen verschwiegen worden. Porsche habe zudem unrichtige Angaben gemacht.

Vielleicht ist ein historischer Rückgriff sinnvoll. Früher hatten die Manager bei Porsche nichts mit dem Diesel zu tun haben wollen. Der frühere Vorstandschef Wendelin Wiedeking fand lange Zeit, dass der Selbstzünder nicht zum Image der Marke Porsche passe. Aber die Auslandschefs des Unternehmens drängten vor gut einem Jahrzehnt den Vorstand, einen Dieselmotor einzubauen. So kam 2009 der Diesel-Cayenne, für den sich heute die Ermittler interessieren, in die Autohäuser. Audi hat den Drei-Liter-Motor geliefert. Porsche selbst stellt keine Selbstzünder-Aggregate her und hat jetzt doch die Probleme. So sehen es zumindest die in Zuffenhausen.

Jetzt lässt das Kraftfahrt-Bundesamt 60 000 Porsche der Modelle Macan 3,0 Liter V6 und Cayenne 4,2 Liter V8, bei denen Software manipuliert worden sein soll, zurückrufen. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft interessiert sich, wie Ermittlungsakten zeigen, für mindestens sieben Porsche-Modelle, die mit Abschalteinrichtungen ausgestattet worden sein sollen. Bei einer Razzia vor gut einem Monat filzten die Beamten zwölf Bereiche des Sportwagenherstellers bis hin zur Zulassung. Bei 68 Personen wurde nach deren Mailverkehr gesucht, bis hin in die Vorstandsetage.

Im Blickpunkt steht Porsche-Entwicklungsvorstand Steiner. Erst war er bei Mercedes, dann fing er 2002 bei Porsche an. Mit der Motorenentwicklung und -konstruktion, heißt es im VW-Konzern, habe er in all der Zeit nichts zu tun gehabt. Steiners Laufbahn lässt sich mit einem Datum verbinden: Am 2. November 2015 war er in Wolfsburg und traf den damaligen VW-Konzernchef Matthias Müller auf dem Flur. Es gab neue Vorwürfe amerikanischer Behörden, dass noch mehr Fahrzeuge aus dem VW-Konzern als ursprünglich angenommen manipuliert worden seien. Das klang ziemlich unangenehm und Müller soll zu Steiner gesagt haben: "Du kümmerst Dich sofort um diese Vorwürfe"! Müller war auch mal bei Porsche der Chef. Im VW-Konzern heißt es über Steiner, dieser habe ein "Leben bis zum 1. November 2015 gehabt und ein anderes Leben danach".

Die Sonderaufgabe, die bis Sommer 2016 währte, brachte Steiner erst viel Arbeit und dann viel Ärger ein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dass er von Abschalteinrichtungen erfahren und dann die US-Behörden nicht schnell genug informiert habe. Dadurch habe er billigend in Kauf genommen, dass manipulierte Autos länger als nötig weiter verkauft worden seien. War dem so? In Konzernkreisen von Volkswagen heißt es, Steiner habe damals versucht, bei Audi die notwendigen Informationen über die dort entwickelten und manipulierten Dieselmotoren zu bekommen. Die von Audi sollen zunächst gesagt haben, dass die in den USA aufgefallene Software nicht in europäischen Autos stecke. Alles nur "Missverständnisse". Steiner indes habe nachgehakt und sei "stinkesauer" gewesen über die mangelnde Bereitschaft in Ingolstadt, den Sachverhalt aufzuklären. Er habe sich dann, noch im Jahr 2015, massiv bei Audi beschwert. Und schließlich sogar einen Porsche-Mitarbeiter zu Audi geschickt; mit dem Auftrag, sich vor Ort ein Bild zu machen.

Die Staatsanwaltschaft indes glaubt, Steiner und seine Porsche-Kollegen hätten zu wenig getan. Sie hätten selbst die Software überprüfen müssen, die bei Audi entwickelt und dann auch in den bei Porsche eingebauten Motoren enthalten war. Es sei fernliegend, dass Steiner & Co den Angaben von Audi-Mitarbeitern, die europäischen Fahrzeuge seien frei von einer verbotenen Software, vertraut haben könnten, steht in Ermittlungsunterlagen. Porsche habe sich zum Komplizen von Audi gemacht, argwöhnen die Ermittler. Steiners Verteidiger Björn Gercke widerspricht. Gercke sagt, sein Mandant habe die Vorwürfe der US-Behörden "trotz erheblicher Widrigkeiten aufgeklärt". Steiner sei jedem Hinweis auf Manipulationen umgehend nachgegangen. Und sobald er eine Manipulation "sicher als solche identifiziert habe", habe er das den US-Behörden mitgeteilt, so Gercke.

Die Ermittlungen in Stuttgart bei Porsche und in München bei Audi zeigen, wie tief der Graben zwischen den beiden Volkswagen-Töchtern inzwischen ist. In den Akten finden sich diverse Briefwechsel zwischen den beiden Schwesterfirmen, die in einer heilen Familie nicht vorkommen würden. Seit Herbst 2015 haben die in Zuffenhausen denen in Ingolstadt wiederholt harsche Schreiben geschickt. Audi möge sagen, was in den Motoren drin stecke, aber dort nicht hinein gehöre; Audi möge unverzüglich technische Lösungen anbieten, mit denen die Abgas-Vorschriften eingehalten würden; Audi müsse alle Kosten übernehmen, die Porsche durch die Affäre entstünden. Die Ingolstädter antworten mal mehr, mal weniger; bis hin zu der Aussage, gewisse Kosten würde man übernehmen.

Die Affäre könnte Porsche etliche hundert Millionen Euro kosten. Zahlen soll Audi

Derlei Briefwechsel gingen bis hinauf in die oberste Etage, bis hin zu Porsche-Vorstandschef Oliver Blume und seinem Audi-Kollegen Rupert Stadler. Und mündeten schließlich im vergangenen Jahr in einem Schreiben, in dem Porsche einen dreistelligen Millionenbetrag geltend machte. Da war dann Schluss mit lustig im VW-Konzern. Der damalige Konzernchef Matthias Müller soll bei einer Führungskräftetagung gesagt haben: "Wir hören auf, uns im Konzern Briefe zu schreiben." Jeder habe gewusst, heißt es im VW-Konzern, dass damit Porsche gemeint gewesen sei. Seitdem soll es keine neuen Briefwechsel dieser Art gegeben haben. Aber klar ist: Der Porsche-Vorstand muss am Ende bei Audi alles geltend machen, was seiner Ansicht nach an Schaden in Zuffenhausen entstanden ist. Sonst verstießen Blume & Co gegen ihre Dienstpflichten. VW-Insider schätzen, das könnten etliche Hundert Millionen Euro sein. Es gilt als wahrscheinlich, dass dies dann nicht bei Gericht ausgetragen, sondern intern bei den ohnehin anfallenden Geschäften verrechnet wird.

Audi gibt sich dazu auf Anfrage wie gewohnt wortkarg. Man diskutiere konzerninterne Themen nicht in der Öffentlichkeit. Man habe aber stets betont, dass eine "konsequente Aufklärung unser oberstes Gebot ist". Porsche erklärt, dass man selbstredend alle Kosten der Affäre registriere. Das Verhältnis zu Audi sei sehr gut und werde "durch einen permanenten Dialog geprägt, in dem das konstruktive und kritische Ringen um die besten unternehmerischen Lösungen Priorität genießt".

Wie nett sich ein Konflikt doch umschreiben lässt. Das Zerwürfnis ist auch deshalb bitter, weil sich beide Unternehmen schon oft geholfen haben. Unvergessen, dass zur Zeiten der großen Porsche-Krise Anfang der neunziger Jahre Porsche und Audi ein gemeinschaftlich verfertigtes Vehikel auf den Markt brachten: den Avant RS2, der ein Kombi von Audi war und von einem Porsche -Turbolader beflügelt wurde, der 315 PS hatte. Damals war der Absatz von Porsche von 50 000 auf 15 000 Wagen zurückgegangen und die Krise war bedrohlich. Heute verkauft Porsche knapp 240 000 Wagen im Jahr und die Gewinne sind in neiderfüllende Höhe geschnellt.

Aber verloren gegangenes Vertrauen kann man nicht zurückkaufen.

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