Abkommen:Der Atomstreit und der Kampf um Irans Öl

Passanten in Teheran

Irans Bevölkerung, hier Passanten in Teheran, würde von neuen Sanktionen hart getroffen, da das Land erheblich am globalen Ölgeschäft verdient.

(Foto: Bloomberg)
  • Iran exportiert gerade so viel Öl wie lange nicht. Nach dem Willen von US-Präsident Trump soll sich das bald ändern.
  • Er will den Export des Öls drosseln, um Druck auf Iran in der Frage des Atomabkommens aufzubauen. Die Europäer sind dagegen.
  • Damit hängt vieles von Asien ab, dem größten Abnehmer des Öls aus Iran. Und dort regt sich Widerstand gegen Trumps Pläne.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Iran hat im Mai so vie Öl exportiert wie seit dem Abschluss des Atomabkommens im Sommer 2015 nicht: 2,7 Millionen Barrel pro Tag verkaufte die Islamische Republik, der Trend zeigt stetig nach oben. Das soll sich nach dem Willen von US-Präsident Donald Trump bald ändern: Die Sanktionen, die er wieder in Kraft gesetzt hat, zielen auf die wichtigste Einnahmequelle Teherans. Und während US-Außenminister Mike Pompeo davon redet, beim Thema Iran mit den Europäern im Gespräch bleiben zu wollen, liefern sich die beiden entfremdeten Partner USA und Europa einen nur mit dem Handelskrieg zu vergleichenden Wettstreit um politische Gefolgschaft in Asien - dem mit Abstand wichtigsten Markt für Teherans Öl.

Irans wichtigste Bedingung für den Verbleib im Nukleardeal ist es, weiter auf dem bisherigen Niveau Öl verkaufen zu können - ohne die Abnehmer in Asien undenkbar. Ein Viertel der Exporte geht alleine nach China, Indien ist mit gut einer halben Million Barrel pro Tag der zweitgrößte Kunde, gefolgt von Südkorea mit 330 000 Barrel. Japan und die Türkei importieren derzeit je etwa 170 000 Barrel pro Tag - insgesamt mehr als 1,8 Millionen Barrel, zwei Drittel der iranischen Exporte. Die EU-Staaten selbst nehmen nur etwa 500 000 Barrel ab.

Deswegen starten die Amerikaner ihre road show des für die Sanktionen zuständigen US-Finanzministeriums in Asien. So rief am Donnerstag US-Finanzminister Steven Mnuchin seinen japanischen Kollegen Taro Aso an. Es folgen Teams aus Beamten und Diplomaten, die Regierungen und Unternehmen die Sanktionen erläutern - und subtil mit drastischen Konsequenzen bei Verstößen drohen. Europäische Banken etwa mussten in den USA Milliardenstrafen zahlen, weil sie Beschränkungen im Zahlungsverkehr mit Iran missachtet hatten.

Berlin, Paris und London suchen selbst noch nach Antworten

Zugleich haben taktische Überlegungen die USA zu diesem Vorgehen bewogen, wie ein Insider der Süddeutschen Zeitung sagte: Mit Europa brauche es nach Ansicht des US-Außenministeriums eine Abkühlphase von mehreren Monaten, bis sich die Empörung gelegt habe und die neue Realität akzeptiert werde. Bis dahin wollen die USA wichtige asiatische Staaten von ihrer Position überzeugt haben - um damit dann die verschnupften Europäer für ein gemeinsames Vorgehen und die "härtesten Sanktionen der Geschichte" zu gewinnen.

Berlin, London, Paris und Brüssel, die selbst noch nach Antworten suchen, sehen dem nicht tatenlos zu: "Diesmal sind wir schneller", sagt ein mit dem Dossier vertrauter Diplomat - europäische Emissäre schwärmen in Seoul, Tokio oder Delhi aus. "Sanktionen alleine sind noch keine politische Strategie für den Umgang mit Iran", argumentieren sie - und treffen auf offene Ohren, wie es heißt. Etliche Staaten hielten die Reaktion auf das unilaterale Vorgehen der USA für eine "Grundsatzfrage".

Japans Ministerium für Wirtschaft und Handel erklärte, man wolle eine schnelle Verringerung der Ölimporte vermeiden und werde Washington um entsprechende Ausnahmeregelungen bitten. In Südkorea, das vor allem ultraleichtes Öl zur Spritproduktion einführt, heißt es, die Raffinerien könnten aus technischen Gründen nicht kurzfristig auf andere Lieferanten umstellen. In Indien teilte die Regierung mit, man halte sich an UN-Sanktionen, nicht aber an bilaterale US-Strafen. Eine Delegation des Außen- und des Ölministeriums werde Anfang Juni europäische Hauptstädte besuchen, um zu beraten, wie sich Indiens Importe schützen ließen. Das Land wickelt Zahlungen für iranisches Öl in Euro ab. Die Bankverbindungen aufrechtzuerhalten, sei zentral, zitiert das indische Wirtschaftsblatt Economic Times Regierungsvertreter. Außenministerin Sushma Swaraj werde dazu noch im Juni nach Europa reisen.

Die Bankverbindungen aber sind trotz des politischen Willens der Europäer Kern des Problems: Es gibt kaum Geldinstitute, die groß genug sind, die iranischen Ölgeschäfte abzuwickeln, ohne zugleich auf Zugang zum US-Markt und vor allem zur weltweiten Leitwährung Dollar angewiesen zu sein - sie ist Trumps schärfste Waffe. Diese wirtschaftliche Macht in politischen Druck umzumünzen, darin haben die USA gerade im Falle Irans lange Erfahrung.

Eine Überlegung lautet, Zentralbanken in Europa mit der Abwicklung der Zahlungen zu betrauen - in der Annahme, dass die USA sie nicht mit Strafen belegen. Allerdings können Regierungen die unabhängigen Institute nicht zwingen. Viele iranische Banken wiederum halten Regularien im internationalen Zahlungsverkehr etwa zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung nicht ein, was sie zu überaus problematischen Partnern macht.

Entscheidend ist der Zugang zum Netzwerk der Banken

Irans Botschafter in Berlin, Ali Majedi, fordert von den Europäern denn auch "konkrete und effektive Lösungen". Er hat die Gründung einer europäischen Bank vorgeschlagen, die abgekoppelt vom US-Markt in Euro Geschäfte mit Iran abwickeln soll. Allerdings wird es schwierig, ein solches Institut schnell zu gründen - und vor allem Investoren zu finden, die bereit sind, ihr Geld gegen die USA zu setzen. Italien hat eine halbstaatliche Institution zu diesem Zweck gegründet, allerdings mit einem Kapital von gerade einmal 500 Millionen Euro. China hat Iran indes angeboten, den Ölhandel in Renminbi abzuwickeln - Peking will ohnehin den Dollar als Leitwährung zurückdrängen. Allerdings kann Iran damit wiederum nur in China einkaufen.

Als Schlüsselfrage bezeichnet Majedi, früher stellvertretender Ölminister, Irans Zugang zum Swift-System. Der Dienstleister mit Sitz in Brüssel wickelt Kommunikation und Transaktionen zwischen Tausenden Banken in 210 Ländern ab. Wer vom Netzwerk abgeschnitten ist, kann rein technisch kaum noch internationale Überweisungen vornehmen oder empfangen. Auch US-Banken sind auf die Dienste von Swift angewiesen - ob die Europäer jedoch bereit sind, das enorme politische Risiko einzugehen, Irans Zugang gegen den Willen der USA zu gewährleisten, ist fraglich.

Wenn es den Europäern gelänge, das Atomabkommen eine Weile am Leben zu halten, wäre das den USA nicht einmal unrecht. Damit würde eine Eskalation mit Teheran vermieden, auf die Washington nicht wirklich eingestellt ist. Und die Beschränkungen für Irans Atomprogramm blieben bestehen. US-Diplomaten zeigen sich aber zuversichtlich, dass Washington sich letztlich durchsetzen wird: Die Sanktionen verlangen von Drittstaaten, ihre Ölkäufe in Iran Schritt für Schritt zu reduzieren; das gibt den USA Zeit, nach Trumps abrupter und politisch schlecht vorbereiteter Entscheidung den Druck allmählich zu steigern - und eine Strategie zu entwickeln.

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