Außenansicht:Waffen für die Welt

Arnold Wallraff; MEINUNG

Arnold Wallraff, 69, ist Wirtschaftswissenschaftler und Jurist. Von 2007 bis 2017 war er Präsident des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.

(Foto: dpa)

Die deutschen Rüstungsexporte müssen endlich eingeschränkt werden. Ein paar Vorschläge, wie das konkret geschehen könnte.

Von Arnold Wallraff

Unter der Überschrift "Abrüstung und restriktive Rüstungsexportpolitik" versprechen CDU, CSU und SPD einen "neuen Aufbruch" und "neue Dynamik": "Wir schränken die Rüstungsexporte für Drittländer weiter ein, die weder Nato- noch EU-Mitgliedsländer sind, noch diesen gleichgestellt. Wir schärfen noch im Jahr 2018 die Rüstungssexportrichtlinien aus dem Jahr 2000" heißt es vielversprechend im Koalitionsvertrag.

Konkret allerdings sieht es überhaupt nicht nach einer Begrenzung der Rüstungsexporte aus, sondern nach der Fortsetzung der alten Politik. Schon vor der eigentlichen Regierungsbildung fielen Lieferentscheidungen für Saudi-Arabien oder die Türkei. Nach den jüngsten Berechnungen des Stockholmer Sipri-Instituts belegt Deutschland den vierte Platz der wichtigsten Exportländer im weltweiten Rüstungsgeschäft, nach den USA, Russland und Großbritannien; vor Frankreich.

In ihrem Sondierungspapier zu Beginn der Verhandlungen hatten sich Union und SPD noch konsequent auf ein generelles Verbot von Waffenlieferungen an Länder geeinigt, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Das hätte auch die auf der Peene-Werft in Wolgast gebauten Patrouillenboote für Saudi-Arabien betroffen. Im Koalitionsvertrag wurde diese Regelung dann allerdings entschärft. Darin heißt es nun, dass Firmen "Vertrauensschutz" erhalten, wenn sie nachweisen, dass die bereits genehmigten Lieferungen im Empfängerland verbleiben. Nicht einmal die bestehenden Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 werden damit eingehalten, die Lieferungen an Länder mit kriegerischen Aktivitäten in Spannungsgebieten ausdrücklich untersagen. Es hat sich also Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig erfolgreich für eine Aufweichung des ursprünglichen Rüstungsexportverbots eingesetzt. Dass die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, deren Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern liegt, da keine Einwände erhoben hat, darf man unterstellen.

Schon nach geltendem Recht dürften die betriebswirtschaftlichen Interessen der Wolgast-Werft oder die arbeitsmarktpolitischen Belange der Landesregierung kaum begründen, dass "das volkswirtschaftliche Interesse an der Vornahme des Rechtsgeschäftes die damit verbundene Beeinträchtigung des bezeichneten Zwecks" überwiegt, wie es im Außenwirtschaftsgesetz heißt. Das gleiche Gesetz stellt nämlich klar, dass das Ziel des Außenwirtschafthandels auch "die Verhütung einer Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker" ist. Und in den politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern heißt es unmissverständlich: "Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen". Andere Gründe sind bei dem Geschäft mit dem kriegführenden Saudi-Arabien nicht ersichtlich; bei der positiven Entscheidung der geschäftsführenden Bundesregierung ging es offenbar überwiegend um den Arbeitsmarkt eines einzelnen deutschen Bundeslandes. Mit den "politischen Grundsätzen" ist das kaum vereinbar. Denn die Patrouillenboote können menschenrechtswidrig die jemenitischen Häfen blockieren und die Hungersnot der jemenitischen Bevölkerung noch schlimmer werden lassen. Der alte Genscher'sche Grundsatz "was schwimmt, das läuft", stimmt in diesem Fall nicht.

Die Ausfuhr von Kleinwaffen gehört generell verboten. Sie töten die meisten Menschen

Auch Lieferungen von Rüstungsgütern in das privilegierte Nato-Land Türkei sind spätestens nach dessen Einfall in Syrien mit den oft zitierten, aber eben nicht bindenden politischen Grundsätzen unvereinbar. Lieferungen in Nato-Länder sind zwar "grundsätzlich nicht zu beschränken" - "es sei denn, dass aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist". Wer wollte außer der Bundesregierung bezweifeln, dass diese Gründe angesichts der Kriegsbeteiligung der Türkei in Syrien gegeben sind!

Eine wahrhaft restriktive Rüstungsexportpolitik müsste anderes aussehen. Die Genehmigung für die Ausfuhr von Klein- und Leichtwaffen an Staaten außerhalb der EU, der Nato und der Nato gleichgestellten Staaten sollte generell nicht mehr erfolgen. Gleiches sollte auch bei Lieferungen an nicht staatliche Stellen und Händler gelten. Mit diesen Kleinwaffen werden weltweit die meisten Menschen getötet; ihre Verbreitung zu verhindern erfordert viel mehr Engagement als bisher. Das gilt auch für die Lizenzgenehmigungen. Das Beispiel Mexiko zeigt, dass solche Lizenzen zu unerlaubter und unerwünschter Proliferation führen. Sie sollten verboten werden, einschließlich des Exports von Technologien zur Herstellung solcher Waffen. Für bereits erteilte Lizenzgenehmigungen und Technologieausfuhren in Drittländer zur Herstellung von Kleinwaffen und Munition sollte außerdem rechtssicher die Möglichkeit eines Widerrufs geschaffen werden. Dies gilt auch dann, wenn es sich um nicht gelistete Güter handelt, die zivil wie militärisch nutzbar, aber für eine Herstellung konventioneller Rüstungsgüter bestimmt sind. Auf jeden Fall muss für den Export solcher Technologien eine Untersagungsmöglichkeit geschaffen werden.

Auch sollte der im Außenwirtschaftsgesetz festgelegte grundsätzliche Genehmigungsanspruch abgeschafft werden. Dann müssten die Antragsteller erst einmal von einer Ablehnung ausgehen, wenn sie Rüstungsgüter an Drittstaaten exportieren wollen. Schließlich sollte per Gesetz klargestellt werden, dass alle Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontroll- und dem Außenwirtschaftsgesetz nur unter Widerrufsvorbehalt erteilt werden. Genehmigungen sollten außerdem grundsätzlich befristet werden, zum Beispiel auf zwei Jahre. Die neue Bundesregierung sollte im Übrigen ihr Möglichstes tun, um internationale Instrumente zur Überwachung und Kontrolle des Waffenhandels zu stärken. Dies gilt insbesondere für den internationalen Waffenhandelsvertrag (ATT). Sie sollte keine Waffen mehr an Staaten exportieren, die den ATT nicht unterzeichnet haben.

Diese Regeln sollten rechtsverbindlich in Gesetzesform zusammengefasst werden, unter Einbeziehung und Konkretisierung der politischen Grundsätze sowie des gemeinsamen Standpunktes der EU zum Rüstungsexport. Nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten sollte es auch einen Rüstungsexportbeauftragten geben, der die Einhaltung dieser Regelungen überprüft. Er soll auch berichten, ob ein Rüstungsexportgeschäft geeignet ist oder war, Leben oder Gesundheit deutscher Staatsbürger zu gefährden - deutsche Soldatinnen und Soldaten eingeschlossen.

Dann könnte die Koalition tatsächlich von einem neuen Aufbruch bei der Kontrolle von Kriegswaffen reden.

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