Bamf-Affäre:"Der Einzige, der sich in eine Sackgasse manövriert hat, heißt Christian Lindner"

Konstantin von Notz von Bündnis 90/Die Grünen spricht während einer Parlamentsdebatte im Deutschen Bundestag.

Konstantin von Notz bei einer Rede im Bundestag.

(Foto: AFP)

Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz erklärt, warum die Grünen derzeit keinen Bamf-Untersuchungsausschuss wollen - und wann sie ihre Meinung ändern würden.

Interview von Stefan Braun, Berlin

SZ: Sind die Grünen politische Feiglinge geworden?

Von Notz: Lustig, das klingt jetzt ein ganz klein bisschen nach den unterkomplexen Thesen von Christian Lindner. Aber im Ernst: Wir sind mutig und fleißig und klären derzeit sehr entschlossen auf.

Trotzdem drängt sich der Eindruck auf, dass gerade etwas ganz und gar merkwürdig läuft. Anders als die beiden Oppositionsparteien AfD und FDP lehnen die Grünen einen Bamf-Untersuchungsausschuss ab. Wieso?

Wir schließen nichts aus, auch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht. Aber wir müssen jetzt aufklären. Nur so können wir schnellstmöglich die Rechtsstaatlichkeit und das Vertrauen in Asylverfahren wieder herstellen. Wir Grüne beantragen Sondersitzungen, bekommen auf all unsere Fragen bisher umgehend Antworten und sorgen dafür, dass die politisch Verantwortlichen sich vor dem Parlament erklären. Das läuft derzeit sehr gut. Ein Untersuchungsausschuss würde diese wichtige Aufklärung erst mal abrupt ausbremsen. Das wäre jedoch fatal.

Warum das?

Die Forderung nach einem U-Ausschuss klingt erst mal schneidig. Und natürlich ist ein solcher Ausschuss ein scharfes Schwert, aber das Prozedere bis zum Beginn der Arbeit ist kompliziert, kleinteilig und langwierig. Bis man die ersten Akten bekommt, vergehen Monate. Diese Zeit haben wir nicht.

Für die meisten Leute bleibt die Zurückhaltung unverständlich. Immerhin haben die Grünen in der vergangenen Legislaturperiode fünf U-Ausschüsse mit durchgesetzt - und tun es ausgerechnet beim Bamf plötzlich nicht mehr. Warum lassen Sie so ein großes öffentliches Fragezeichen zu?

Von der Linkspartei bis zur CSU teilen die Fraktionen unsere Position inzwischen wortwörtlich. Unsere Argumente tragen. Der Einzige, der sich in eine Sackgasse manövriert hat, heißt Christian Lindner. Statt die Aufklärung mit voranzutreiben und Mehrheiten zu organisieren, hat er sich darin gefallen, steile Überschriften zu produzieren. Das ist schlicht unseriös. Der Sache dient es nicht.

Sie sagen, dass Aufklärung ohne U-Ausschuss schneller gehen würde. Wieso soll das jetzt plötzlich so wichtig sein, wo man in der Vergangenheit stets anders argumentierte?

Das haben wir nicht. Auch in der Vergangenheit haben wir einen Untersuchungsausschuss immer als Ultima Ratio eingesetzt, nämlich dann, wenn die Aufklärung in den zuständigen Fachausschüssen stockte oder man den Eindruck hatte, irgendwer würde mauern. Das tut derzeit aber niemand.

Die FDP widerspricht der These, dass die Regierung wirklich alles offen und schnell auf den Tisch legen würde. Die Liberalen verweisen unter anderem auf den Bericht von Ex-Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise an die Kanzlerin. Den habe nicht die Regierung öffentlich gemacht, sondern eine Zeitung. Das klingt sehr plausibel.

Ist es aber nicht. Wir haben bislang alle angeforderten Papiere und all unsere Fragen schriftlich beantwortet bekommen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Deswegen hat ja auch die FDP allen Sondersitzungen des Innenausschusses immer zugestimmt. Sollte sich daran etwas ändern, treten wir umgehend auf die anderen Fraktionen zu und beraten gemeinsam über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Das sagen wir übrigens seit der ersten Stunde dieses Skandals.

Wie gefährlich wird es für die Grünen, dass andere jetzt wie die entschlosseneren Aufklärer aussehen?

Ich glaube nicht, dass AfD und FDP derzeit wie entschlossene Aufklärer, sondern eher wie Populisten dastehen, denen es nicht um Aufklärung, sondern um ein politisches Tribunal geht. Und obwohl das so ist, kommen nicht mal AfD und FDP zusammen. Damit ist eine Mehrheit für einen Untersuchungsausschuss derzeit nicht ansatzweise erkennbar.

Und noch mal: Wir waren es, die die Sondersitzungen beantragt und in den letzten Wochen sehr viel härter als andere gearbeitet haben. Das alles ist zum Glück gut belegt und eigentlich auch leicht nachvollziehbar.

Nicht wenige vermuten hinter Ihrer Zurückhaltung nicht sachliche, sondern politische Motive. Nach dem Motto: Die Grünen fürchten um die gesamte Flüchtlingspolitik und wollen deshalb keinen U-Ausschuss. Haben diese Leute nicht recht?

Das ist schlicht abwegig. Wir haben die Probleme beim Bamf in den vergangenen Jahren immer wieder auf die politische Agenda gehoben. Als Grüne fordern und betreiben wir auch weiterhin schnellstmögliche, rückhaltlose Aufklärung. Im Hinblick auf den Anspruch der Rechtsstaatlichkeit von Asylverfahren haben wir nie einen Hauch von Zweifel gelassen.

Haben Sie Angst davor, dass Angela Merkel stürzen könnte - und mit ihr eine humane Flüchtlingspolitik?

Die Erzählung, die Grünen würden in einem Schulterschluss mit Angela Merkel als Kanzlerin einer großen Koalition die tatsächlichen Umvolkungspläne für Deutschland verschleiern wollen, ist eine krude, rechtsextreme Verschwörungstheorie, die offenkundig einfach nur gaga ist.

Wann ist für Sie der Punkt gekommen, an dem auch Sie einem U-Ausschuss zustimmen würden?

Sie können gewiss sein: In der Sekunde, in der wir den Eindruck haben, dass uns auch nur eine einzige relevante Information vorenthalten wird, werden wir die Frage des Untersuchungsausschusses scharfstellen. Allerdings möchte ich klar sagen, dass für uns Grüne eine Zusammenarbeit mit der AfD, die offen von einem Tribunal und einem Schafott für die Kanzlerin reden, keinesfalls in Frage kommt. Wir werden in diesem Fall auf die anderen Fraktionen zugehen und Mehrheiten organisieren. Untersuchungsausschüsse können wir, da braucht sich niemand Sorgen machen.

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