Vorwahlen der Republikaner:Die Geburt der Trump-Partei

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(Foto: AFP)
  • Zwei Jahre nach dem Wahlsieg von Donald Trump werden im November ein Drittel des Senates und alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses neu gewählt.
  • Bei den Republikanern zeichnet sich ein klarer Trend ab: Wer Trump kritisiert, ist raus.

Von Thorsten Denkler, New York

Das Urteil von John Boehner ist hart und ernüchternd: "Es gibt keine republikanische Partei mehr. Es gibt nur eine Trump-Partei." Die republikanische Partei, die "hält irgendwo ein Nickerchen", sagt er Anfang Juni auf der Mackinac Policy Conference in Detroit.

John Boehner ist nicht irgendwer in der Partei. Von 2011 bis 2015 war der Mann aus Ohio der republikanische Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus. Er war damit einer der führenden Köpfe der "Grand Old Party".

Er liefert eine treffende Analyse des Zustands der Partei wenige Monate vor den wichtigen Halbzeitwahlen Anfang November. Zwei Jahre nach dem Wahlsieg von Donald Trump werden dann ein Drittel des Senates und alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses neu bestimmt. Beide Kammern sind derzeit in republikanischer Hand. Wenn es nach Trump geht, soll das auch so bleiben.

Jetzt laufen gerade die Vorwahlen, in denen die Parteien in den einzelnen Bundestaaten ihre Kandidaten bestimmen. Die Hälfte der Wahlen ist bereits vorüber. Und der Trend gibt John Boehner recht: Das Gesicht der republikanischen Partei ist - gemessen an den Ergebnissen der bisherigen Primaries - schon jetzt radikaler, rechter, lauter. Kurz: trumpiger.

Was die Parteibasis da zusammengewählt hat, hat die verbliebenen Moderaten in der Partei aufgeschreckt. Mark Sanford aus South Carolina etwa. Der eher konservative Kongress-Abgeordnete ist mit seinen 58 Jahren seit Jahrzehnten in der Politik, eine feste Größe in South Carolina und in Washington. Acht Jahre war er Gouverneur des Staates. Insgesamt elf Jahre hat er den 1. Wahlbezirk im Kongress vertreten. Im November wird er seinen Platz dort nicht verteidigen können. Was an seiner Politik nicht liegen kann.

Sanford hat praktisch allen Gesetzen zugestimmt, die die Führung der Republikaner im Repräsentantenhaus zur Abstimmung gebracht hat. An ihm lag es jedenfalls nicht, dass die Republikaner für die Abschaffung der Gesundheitsreformen von Barack Obama am Ende zu wenige Stimmen hatten. Sein Wahlkreis gilt als sichere Bank. Sanford ist noch zu jung, um als zu alt zu gelten. Warum verliert so ein Mann gegen eine bisher eher unbekannte Trump-Verehrerin? Den Grund für seine Niederlage nennt Sanford selbst: "Ich habe verloren, weil ich nicht Trump genug war."

Sanford hatte sich erlaubt, hin und wieder Trump zu kritisieren. In einem Interview etwa hat er gesagt, Trump habe "das Feuer der Intoleranz angefacht". Und Trump sei nicht für das Amt geeignet. Trumps Anhängern gefällt so etwas gar nicht. In den Vorwahlen sind sie inzwischen so stark, dass jetzt Sanfords Kontrahentin Katie Arrington als Kandidatin in seinem Wahlbezirk aufgestellt wurde. Sie hat die Vorwahl zu einem Wettbewerb um die Frage gemacht, wer von beiden Trump mehr unterstützt.

Die Zeiten haben sich geändert, seit Trump an der Macht ist, sagt Sanford jetzt. Viele trauen sich nicht mehr aus der Deckung, weil sie befürchten, "auf der Verlierer-Seite eines Trump-Tweets zu stehen". Sanford, der nie zuvor eine Kampagne verloren hat, wusste schon nach dem Wahlsieg von Trump, dass seine Stunde geschlagen hat: "Ich bin ein Dead Man Walking", sagt er dem politico Magazin Anfang 2017. "Ich bin politisch tot."

Ohne Trumps Unterstützung geht gerade wenig bis gar nichts in den Vorwahlen. Seine Macht liegt auch in den Umfragen begründet. Er mag unter allen Amerikanern die schlechtesten Zustimmungswerte eines US-Präsidenten seit Jahrzehnten haben. Unter den Anhängern der Republikanern aber ist er rekordverdächtig beliebt. Nach 500 Tagen im Amt unterstützen 87 Prozent der potenziell republikanischen Wähler Trump. Das ist seit Ende des zweiten Weltkrieges der zweithöchste Wert zu diesem Zeitpunkt, nur George W. Bush erzielte eine höhere Zustimmung.

Sich gegen Trump zu stellen, bedeutet also auch, sich gegen die republikanische Basis zu stellen. In den Vorwahlen der Republikaner geht es deshalb nicht mehr darum, für welche Politik ein Kandidat steht. Oder was er im Amt erreicht hat oder erreichen will. Es geht vor allem um Loyalität zu Donald Trump.

Die Zähne ausschlagen und die Scheiße aus dem Leib prügeln

Wer Trump kritisiert, der verliert sehr wahrscheinlich im Auswahlverfahren. Wer sich aber als kompromissloser Trump-Jünger präsentiert, der hat beste Chancen, als Kandidat für den Senat oder das Abgeordnetenhaus nominiert zu werden.

Trump schaut sich das von der Außenlinie an. Und mischt dann in so gut wie jedem republikanischen Vorwahlkampf mit, schreibt die New York Times. Auf Twitter hebt oder senkt er den Daumen für bestimmte Kandidaten. Was meist das politische Todesurteil für den bedeutet, der nicht Trumps Gunst erworben hat.

Für den republikanischen Senator Bob Corker, der wohlweislich nicht mehr antritt in seinem Heimatsstaat Tennessee, ist die Sache klar: Die republikanische Partei habe sich in einen okkulten Club verwandelt, sagte er vergangene Woche vor Reportern. Er hatte gerade lernen müssen, dass seine Partei-Kollegen im Senat nicht mal mehr bereit sind, für alte republikanische Wert einzustehen.

Etwa für freien Handel. Corker hatte vergeblich versucht, ein Gesetz durch den Senat bringen, das Trump verboten hätte, anderen Staaten bestimmte Strafzölle aufzubrummen. Seine Kollegen aber hätten Angst, "den Bären zu wecken. Der Präsident könnte ja böse mit uns sein", reagierte er recht säuerlich auf seine Niederlage. Die republikanischen Führer im Kongress zeigten keinen Willen mehr, sich gegen Trump zu stellen, befand Corker. Selbst wenn der ur-republikanische Leitlinien ausradiert.

Trump hat in der Partei vor allem die Grenzen des Sag- und Machbaren verschoben. Und zwar so sehr auf die extrem rechte Seite, dass alte Parteigänger ihre GOP kaum noch wiederkennen. Sein Handelskrieg mit der halben Welt, sein Umgang mit alten Verbündeten, seine inhumane und harsche Immigrationspolitik, sein Hang zum Schuldenmachen, all das hätte in der alten Grand Old Party niemals Mehrheiten gefunden. Wofür die Republikaner heute stehen? Ein ehemaliger Abgeordneter aus Virginia hat eine Antwort. "Für das, was dem Präsidenten in den Kopf kommt, wenn er am Morgen aufsteht", sagt der Republikaner David Ramadan der New York Times.

Dazu kommen Trumps wüste Beschimpfungen des politischen Gegners, die er mal unter Demokraten, mal in der eigenen Partei und oft auch in den eigenen Behörden und Ministerien vermutet. Trump macht das alles ungestraft. Der Gegenwind aus der Partei ist kaum mehr als ein Lüftchen.

Im Abgeordnetenhaus hätte es in den vergangenen Wochen fast eine Revolte von moderaten Republikanern gegeben. Sie wollten im Alleingang zusammen mit den Demokraten ein immigrationsfreundliches Gesetz durchbringen. Die Mehrheiten wären theoretisch da gewesen. Es fehlte aber der Mut, sich in der Sache gegen Trump zu stellen. Die Revolte erstickte im Keim.

Der Sieg von Corey Stewart in der republikanischen Senats-Vorwahl in Virginia vergangene Woche gilt als Beleg dafür, wie weit rechts die Partei inzwischen steht. Stewart, der früher eher moderat aufgetreten ist, gilt jetzt als "hart-rechter Feuersturm". Er positioniert sich als Anhänger der Konföderierten-Bewegung in den USA. Das sind jene Leute, die Sklaverei für doch nicht so schlimm halten.

Als es im vergangenen Sommer in Charlottesville um die Frage ging, das Denkmal des Sklaven-Besitzers und Konföderierten-Generals Robert E. Lee zu demontieren, stand er auf der anderen Seite. Wer das Denkmal abbauen wolle, sagt er, der habe "keinen Respekt vor unserer Geschichte". Und: Lee sei ein "großer Amerikaner".

Stewart, sagen seine Kritiker, steht nicht nur zu Trump. Er imitiert Trump geradezu. Ein Parteifreund sagte der New York Times: "Ich habe aufgeben, herauszufinden, welche seiner Aussagen zu seinen Grundüberzeugungen gehören. Und was er nur sagt, um Publicity zu bekommen."

Der persönliche Angriff ist Stewarts bevorzugte Methode: Die Menschen von Virginia wollten jemanden, der seinem demokratischen Gegner Tim Kaine in der Wahl am 8. November "die Zähne einschlägt", twitterte er am 13. Juni. "Ich fühle mich geehrt, das ich für diese hohe Ehre ausgewählt wurde." Seinen Anhängern versprach er eine "brutale" Kampagne: "Wir werden die Scheiße aus Tim Kaine herausprügeln, das ist die Strategie."

Es ist dieser Trump-Sound, der ihn die Vorwahl gewinnen ließ. Ambitionierte Opportunisten wie Stewart hätten realisiert, dass eine republikanische Vorwahl nur zu gewinnen ist, wenn sie "auf die dunkle Seite" wechseln, schreibt das Online-Magazin The Daily Beast. Auf die Trump-Seite eben.

Stewarts ärgster Gegner in dem Rennen um die Nominierung der Republikaner, Nick Freitas, hat das nicht gemacht. Er ist Abgeordneter im Parlament von Virginia und eher ein Kandidat des sich langsam auflösenden Partei-Establishments. Ihm half auch nicht, dass er Stewart vorwarf, "den Hundepfeifen" von weißen Rechten, Antisemiten und Rassisten hinterherzulaufen. Wie sollte das auch helfen? Trump macht es ja nicht anders. Und was Trump macht, ist in dieser Zeit das Maß der Dinge.

Wer Trump bei den Republikanern nicht unterstützen will, der hat seinen Job meist schon hingeschmissen. Senator Jeff Flake aus Arizona etwa, ein scharfer Trump-Kritiker, oder auch Bob Corker und einige andere haben ihre Sitze zur Verfügung gestellt. Sie ahnten, dass sie auch als Republikaner ihre Wahlkreise nicht gewinnen können, wenn sie sich gegen Trump stellen. Den Preis wollten sie nicht zahlen. Die vollständige Übernahme der Republikaner durch Trump, sie ist so gut wie abgeschlossen.

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